Das sagt der BVK-Präsident zum Koalitionsvertrag
Interview mit Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute e. V.
Herr Heinz, der Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD steht und ist von den Parteigremien bestätigt. Was stimmt Sie angesichts des Verhandlungsergebnisses besonders optimistisch?
Besonders optimistisch stimmt, dass sich die neue Regierung klar zu einem Nebeneinander von Provisionsvermittlung und Honorarberatung ausgesprochen hat. Das impliziert auch ein klares Bekenntnis zur Bedeutung unseres Vergütungssystems, was wir sehr begrüßen, weil in den letzten Jahren hier immer wieder Unsicherheit herrschte, wie man an den Diskussionen zur EU-Kleinanlegerstrategie und zum Provisionsdeckel ablesen kann.
Auch die Koalitionspläne zur Rente lassen uns hoffen, dass sich in der Legislatur in diesem Politikfeld etwas bewegen wird. So soll die junge Generation mit der Frühstart-Rente ihre private Altersvorsorge aufbauen und die Riester-Rente reformiert und von bürokratischen Hemmnissen befreit werden. Wie konkret dann insbesondere die Riester-Rente ausgestaltet sein wird, muss man zu gegebener Zeit schauen.
Die Koalition will auch die zweite Säule, die betriebliche Altersvorsorge (bAV), stärken, indem diese vereinfacht, entbürokratisiert und digitalisiert wird. Auch soll die Portabilität der bAV bei Arbeitgeberwechsel erleichtert werden. All dies begrüßen wir.
Auch die Idee der Aktivrente findet unseren Zuspruch. Denn es ist klar, dass wir unseren Wohlstand nicht halten können, wenn durch die Verrentung der Babyboomer-Generation in den nächsten zehn Jahren fast 7 Millionen weniger Beschäftigte arbeiten werden.
Bereits zum 01.01.2026 soll die sogenannte Frühstart-Rente eingeführt werden. Da wäre man doch gerne noch mal Kind… Entsteht für Makler damit ein neues Beratungsfeld, also zusätzliches Geschäft?
Wir müssen schauen, wie konkret die Frühstart-Rente ausgestaltet wird und welche Produkte und Vertriebswege sich die Koalition vorstellt, um diese neue Form der Altersvorsorge zu realisieren. Aber wir unterstellen jetzt mal, dass die neue Bundesregierung hierbei marktwirtschaftliche Lösungen anstrebt, so dass sich hier Vermittlern durchaus neue Beratungs- und Vertriebsmöglichkeiten eröffnen werden.
Könnte dieses Vorhaben aber langfristig dazu führen, dass Beratung und Vermittlung in der privaten Altersvorsorge später im Leben an Bedeutung verlieren, weil die Vorsorge schon früh beginnt?
Nein das glauben wir nicht. Denn Altersvorsorge ist ein fortlaufender Prozess, der immer wieder an die Lebensumstände angepasst werden muss. Außerdem: Wer sagt denn, dass die zukünftigen Vorsorgesparer bei der Frühstart-Rente halt machen und nicht noch weitere Vorsorgeoptionen wie Fonds- und Lebensversicherungen oder Indexpolicen abschließen werden?
Die neue Koalition plant die Reform der Riester-Rente hin zu einem standardisierten, kapitalgedeckten Produkt ohne Garantien. Kapitaldeckung und geringe Sicherheitsversprechen sind zu begrüßen. Aber ein Standardprodukt kann auch als eine staatliche Lösung abseits einer privatwirtschaftlich organisierten Vorsorgelösung interpretiert werden. Wie realistisch ist das?
Ja, die Befürchtung haben wir auch, dass die Regierung aufgrund der überzogenen Kritik an der Riester-Rente ein Standardprodukt favorisieren wird. Die Koalitionspläne, die Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten beim Vertrieb dieses neuen Produktes zu regulieren bzw. zu begrenzen, werden wir mit Argusaugen beobachten und bei Eingriffen ins Provisionssystem deutlich unsere Kritik anbringen. Denn das muss klar sein: Eine Reform der Riester-Rente darf nicht zu Lasten der Versicherungsvermittler gehen.
Die Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten sollen reduziert werden. Droht damit die Einführung eines gesetzlichen Provisionsdeckels wie es etwa bei der Restkreditversicherung bereits der Fall ist?
Ob hier ein Provisionsdeckel eingezogen wird, muss man sehen. Wenn dies drohen sollte, werden wir die ganze Kraft der politischen Interessenvertretung des BVK dafür einsetzen, dieses zu verhindern.
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bleiben viele Ankündigungen vage. Welche konkreten Maßnahmen wären aus Sicht unabhängiger Vermittler nötig, um die bAV vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen wirksam voranzubringen?
Die Haftung für Arbeitgeber sollte gemindert und die steuerliche Förderung weiter ausgebaut werden. Daneben könnte die Doppelverbeitragung von Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträgen ganz aufgehoben werden und nicht nur bis zu der Grenze von 187 Euro Betriebsrente. Denn gerade die Doppelverbeitragung mindert doch für viele Betriebsrentner die Rendite.
Daneben ist die Förderung von Geringverdienern beispielsweise durch den Verzicht auf die Anrechnung von staatlichen Leistungen und die Portabilität der bAV-Verträge wichtig, damit Beschäftigte auch in kleinen und mittleren Unternehmen über die bAV vorsorgen.
Sind die geplanten Maßnahmen generell ausreichend, um die Altersvorsorge in Deutschland zukunftsfest aufzustellen?
Da der Koalitionsvertrag nach unserem Dafürhalten in dieser Hinsicht noch relativ vage ist, kann man das zurzeit nicht feststellen. Die Ansätze sind gut und vielversprechend, aber es kommt auf die konkrete Umsetzung an. Diese wird der BVK eng begleiten.
Kann man angesichts der Weltlage derzeit auch nicht mehr Reformeifer erwarten?
Die neue Bundesregierung steht vor gewaltigen Herausforderungen: Einerseits muss sie den jahre-, wenn nicht jahrzehntelangen Reformstau auflösen, die Demokratiefeinde im Innern im Zaum halten und gleichzeitig international im Rahmen der EU Entschlossenheit, Verlässlichkeit und Stärke demonstrieren, um den Verwerfungen durch die erratische US-Politik und den russischen Angriffskrieg zu begegnen. Das sind sehr große und komplexe Aufgaben. Man sollte daher nicht zu früh Kritik üben, noch bevor die neue Bundesregierung in Amt und Würden ist.
Ebenfalls kommen wird eine Elementarschadenpflichtversicherung für Hausbesitzer. Diese muss dokumentiert und kontrolliert werden. Birgt diese Pflicht daher die Gefahr eines neuen Bürokratiemonsters für die Branche?
Die Gefahr eines neuen Bürokratiemonsters sehen wir zurzeit nicht. Im Koalitionsvertrag ist vielmehr die Rede davon, dass ab einem Stichtag nur noch Wohngebäudeversicherungen abgeschlossen werden sollen, die einen Naturgefahrenschutz enthalten und den Kunden per aktivem Opt-Out nach einer Beratung abwählen können. Hier wird also primär eine Lösung auf privatrechtlicher Ebene vollzogen, die sinnvoll ist.
Wie die staatliche Rückversicherung im Fall eines Großschadens konzipiert sein wird, kann zurzeit noch nicht beurteilt werden.
Die Koalition will Provisions- und Honorarberatung gleichberechtigt bestehen lassen. Allerdings sollen die BaFin-Instrumente zur Missstandsaufsicht geprüft werden. Damit ist eine Verschärfung im Bereich der Provisionsberatung nicht vom Tisch. Was erwartet der BVK?
Generell befürworten wir die Aufsichtsfunktion der BaFin und ihre Rolle, Missstände im Finanzbereich und beim Verbraucherschutz zu beheben. Zwar prüfte die BaFin immer wieder die Provisionshöhen und veröffentlichte im Frühjahr 2023 dazu auch das Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten. Wir glauben jedoch nicht, dass die BaFin – auch unter der ministeriellen Aufsicht eines SPD-geführten Finanzministers – die Provisionsberatung regulatorisch verschärfen wird.
Sowohl das Finanz- als auch das Arbeitsministerium sollen an die SPD gehen. Damit liegt das Thema Altersvorsorge fest in SPD-Hand. Wie fest sind die Verbindungen in die SPD? Und hat der BVK bereits Tuchfühlung aufgenommen?
Der BVK verfügt über viele sehr gute Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern und ist mit ihnen in engem Austausch. Daher können wir politische Entwicklungen relativ gut antizipieren und unsere Interessenvertretung danach ausrichten. Da die neuen Minister jedoch noch nicht feststehen, wäre eine Kontaktaufnahme zum gegebenen Zeitpunkt verfrüht.