Interview mit Benedikt Deutsch von cleversichert und Marco Schulz von MRH Trowe Stuttgart
Hi, Marco und hi, Bene. Was bedeutet das Berufsbild des Versicherungsmaklers für euch? Und wie hat es sich in den letzten Jahren verändert?
Marco Schulz Ehrlich gesagt, ich glaube gar nicht, dass sich das Berufsbild fundamental verändert hat. Am Ende geht es immer noch darum, ein verlässlicher Partner für den Kunden zu sein und ihm die beste Beratung zu geben, die man bieten kann. Das bedeutet aber auch, dass man ein breites Fachwissen braucht oder wissen muss, wen man hinzuziehen kann, um den Kunden bestmöglich zu beraten. Ich habe zum Beispiel meine Ausbildung im Bereich Altersvorsorge gemacht, aber mittlerweile lasse ich mich selbst in dem Bereich beraten, weil ich die Tiefe nicht mehr in der Qualität abbilden kann, die nötig wäre.
Das Vertrauen des Kunden ist das A und O. Und dieses Vertrauen baut man auf, indem man langfristig mit den Kunden zusammenarbeitet. Das war vor 25 Jahren genauso wie heute. Natürlich gibt es neue Herausforderungen, aber der Kern des Berufs bleibt aus meiner Sicht unverändert.
Benedikt Deutsch Grundsätzlich stimme ich Marco zu. Ein guter Versicherungsmakler war schon immer ein Problemlöser für seine Kunden. Heute spezialisieren sich viele Makler auf bestimmte Zielgruppen, aber das hat es auch früher schon gegeben. Wo sich etwas verändert hat, ist das Marketing. Es ist wichtiger geworden, eine starke Kundenbindung zu schaffen und Emotionen einzubinden, um langfristige Beziehungen aufzubauen.
Wenn du dich nur als Vergleichsportal siehst und sagst: „Ich bin günstiger als die anderen“, dann wirst du irgendwann von der Digitalisierung, von Vergleichsprogrammen und künstlicher Intelligenz überholt. Aber wenn du eine klare Zielgruppe ansprichst und eine emotionale Bindung aufbaust, dann kannst du nachhaltig wachsen.
MS Auch viel wichtiger als früher ist heute das Thema Reaktionsgeschwindigkeit. Kunden erwarten schnelle Antworten und eine direkte Betreuung.
Spezialisierte Makler gab es früher auch, aber die haben das nicht so nach außen getragen wie heute. Damals war das eher ein Understatement. Heute wird über Social Media und andere Kanäle viel mehr gezeigt, was man kann und wo die eigenen Stärken liegen.
BD Heute kannst du als Makler auch nicht mehr mit einem Bauchladen, der alles anbietet, überleben. Ich selbst habe irgendwann für mich entschieden, dass ich mich auf bestimmte Bereiche konzentrieren muss, weil ich niemals alles auf Champions-League-Niveau beraten kann. Wir haben z. B. entschieden, keine Beratung zu privater Krankenversicherung anzubieten, weil wir es nicht in der notwendigen Tiefe abbilden können.
Stereotypisch betrachtet war der Makler früher ein Mann im Anzug, vornehm, klassisch seriös. Heute, Bene, bist du dafür bekannt, dass du mit deinen Kunden z. B. über Football sprichst und eine sehr lockere Atmosphäre schaffst. Wie siehst du das?
BD Das ist genau der Punkt. Ich habe mir lange überlegt: Bin ich der Versicherungsmakler mit Sporthintergrund, oder bin ich einfach ein sportverrückter Typ, der zufällig auch Versicherungen macht? Viele meiner Kunden kommen über das Thema Sport zu mir. Wir reden über Football oder andere Hobbys, und dann ergibt sich daraus ein Beratungsgespräch.
Das Entscheidende ist, dass ich meine Kunden auf Augenhöhe ansprechen kann. Früher gab es Makler, die gesagt haben: „Wir klären in zehn Minuten das Geschäftliche und dann sind wir auch schon fertig.“ Heute geht es darum, ein positives Erlebnis um das Beratungsgespräch herum zu schaffen.
MS Das war früher jedoch nicht anders. Der Beruf ist immer noch einer der „1.000 Berufe“. Als Makler musst du viele Themen verstehen, aber vor allem musst du in der Lage sein, deinen Kunden zu helfen, praktische Lösungen zu finden. Oft wollen Kunden eine Best-Practice-Lösung – sie wollen wissen, wie andere ihr Problem gelöst haben.
BD Dafür brauchst du auch die richtige Zielgruppe. Ich dachte am Anfang, dass ich mich auf Handwerker spezialisieren könnte. Dann saß ich mal mit einer Gruppe Handwerker zusammen – und habe kein Wort verstanden. Das war einfach nicht meine Welt. Also musste ich mir eine andere Nische suchen, in der ich mich wohlfühle und mitreden kann.
Ihr habt vorhin schon die Digitalisierung anklingen lassen. Wie beeinflusst der Internetauftritt das Berufsbild des Maklers?
BD Heute suchen viele Kunden im Internet nach einem Makler. Die erste Anlaufstelle ist Google. Dementsprechend legen viele Makler großen Wert auf eine professionelle Website und gute Online-Bewertungen. Gleichzeitig kenne ich aber auch erfahrene Makler, die eine Website haben, die aussieht, als wäre sie mit Excel 1964 gemacht worden – und trotzdem sind sie extrem erfolgreich, weil ihre Kunden keine hippe Website brauchen, sondern einen seriösen Makler, der ihre Probleme löst.
MS Genau, das hängt stark von der Zielgruppe ab. Wenn du online Kunden gewinnen willst, brauchst du eine gute digitale Präsenz. Aber wenn du z. B. in der Industrie unterwegs bist, zählen andere Dinge. Da ist es wichtiger, dass du weißt, wovon du sprichst. Wenn du in eine Holzverarbeitungsfirma kommst und der Kunde sagt, er verarbeitet nur Laubholz, aber du riechst, dass da auch Nadelholz verarbeitet wird, dann merkt der Kunde: „Der kennt sich aus.“
BD Ja, du musst in deiner Zielgruppe eine gewisse Expertise mitbringen, sonst funktioniert es nicht. Kunden merken sofort, ob du Ahnung hast oder nicht. Und wenn du sie nicht hast, dann brauchst du ein gutes Netzwerk, um die richtigen Leute dazuzuholen.
Die Anforderungen an euch als Makler haben sich ja über die Jahre hinweg verändert. Früher war das Arbeitstempo anders, die Kommunikation lief viel langsamer. Was, würdet ihr sagen, sind heute die größten Veränderungen in eurem Berufsalltag?
MS Das ist definitiv die Geschwindigkeit. Früher bekam man 20 Briefe am Tag, zwei Faxe und vielleicht ein BTX. Wenn man keine Lust hatte, ließ man den Brief zwei Tage liegen, hat dann irgendwann eine Antwort geschrieben und ihn am Freitag in die Post gegeben. Eine Woche später gab es vielleicht eine Reaktion. Heute? Da bekommst du eine E-Mail und wenn du dich nicht innerhalb von ein paar Stunden zurückmeldest, fragt der Kunde sich, ob du noch lebst.
Diese Erwartungshaltung ist heute extrem hoch. Kunden wollen schnelle Antworten, sie erwarten, dass man digital aufgestellt ist. Viele möchten ihre Verträge online einsehen können, unabhängig von Bürozeiten. Wer das nicht anbietet, wird irgendwann Probleme bekommen.
BD Auch das Verhältnis zwischen Makler und Kunde verändert sich. Früher war der Makler oft der „Bittsteller“, der sich anpassen musste. Heute setzen wir als Makler selbst viel stärker die Spielregeln. Ich sage meinen Kunden ganz klar, wie ich arbeite. Wenn jemand sich nicht daran hält, dann passt es halt nicht.
Ich habe zum Beispiel vor Kurzem zwei große Kunden rausgeschmissen, weil sie neben mir noch einen zweiten Makler wollten, um ständig vergleichen zu können. Das mache ich nicht mit. Entweder man vertraut mir oder eben nicht. Und tatsächlich verstehen das die meisten Kunden auch.
MS Auch wichtig: Man braucht klare Prozesse. Es geht nicht mehr, dass man heute so arbeitet und O morgen anders. Wenn deine Abläufe nicht sauber sind, verlierst du irgendwann den Überblick – und im schlimmsten Fall Geld.
Seite 1 Berufsbild: Wie hat sich der Makler verändert?
Seite 2 Apropos Prozesse – wie stark beeinflusst die Digitalisierung allgemein eure Arbeit?
Seite 3 Ein Thema, das immer wieder diskutiert wird, ist die Vergütung der Makler. Die meisten arbeiten auf Provisionsbasis, doch es gibt immer mehr Stimmen, die ein Honorar- oder Hybridmodell fordern. Wie seht ihr das?


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