Interview mit Walter Hatak, Head of Responsible Investments bei Erste AM
Herr Hatak, Donald Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit gezeigt, dass Nachhaltigkeit für ihn keine Priorität ist. Welche Auswirkungen erwarten Sie von seiner zweiten Amtszeit auf den globalen Markt und ESG-Investments?
Trump dominiert die Schlagzeilen wie kaum ein anderer Politiker. Er versteht es, die öffentliche Wahrnehmung zu steuern und sich als zentrale Figur zu inszenieren. Mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen hat er bereits zum zweiten Mal versucht, eine Gegenbewegung gegen internationale Klimapolitik zu schaffen. Allerdings ist dies nicht geglückt – kein bedeutender Staat ist seinem Beispiel gefolgt. Auch jetzt sehen wir, dass die Märkte sich nicht vollständig von Trumps Rhetorik beeinflussen lassen.
Für ESG-Investments bedeutet das, dass es zwar kurzfristig zu regulatorischen Veränderungen in den USA kommen könnte, die die insgesamt restriktiven Umweltauflagen und Nachhaltigkeitsvorgaben reduzieren. Doch langfristig gibt es starke ökonomische Argumente, die für nachhaltige Geldanlagen sprechen. Beispielsweise ist der Energiesektor bereits in einer tiefgreifenden Transformation. Die Kosten für erneuerbare Energien sinken stetig, während fossile Brennstoffe immer weniger wettbewerbsfähig sind. Europa und Asien treiben diesen Wandel weiter voran, und auch China ist mittlerweile der weltweit größte Investor in erneuerbare Energien. Nachhaltigkeit bleibt also ein globaler Trend, den Trump nicht aufhalten kann.
Und wie reagieren die Unternehmen in den USA? Folgen sie Trumps Kurs oder halten sie an nachhaltigen Strategien fest?
Es gibt hier zwei gegensätzliche Strömungen. Eine ist das sogenannte „Greenhushing“ – Unternehmen setzen weiterhin auf ESG-Strategien, kommunizieren das aber nicht mehr öffentlich, um politischer oder gesellschaftlicher Kritik zu entgehen. Die andere Bewegung ist ein regelrechter ESG-Backlash: Einige Unternehmen distanzieren sich aktiv von Nachhaltigkeitsstrategien, um sich als politisch neutral oder konform mit republikanischen Interessen zu positionieren.
Ein gutes Beispiel sind die Diversity Policies, die unter Trump stark eingeschränkt wurden. Unternehmen müssen sich überlegen, ob sie ihre Nachhaltigkeits- und Diversitätsziele weiterhin verfolgen oder ob sie sich aus Angst vor negativen Reaktionen zurückziehen. Langfristig zeigt sich jedoch, dass Nachhaltigkeitsstrategien wirtschaftliche Vorteile bieten – sei es durch effizientere Ressourcennutzung oder ein besseres Image bei Investoren und Konsumenten.
Also besteht für ESG-Investoren keine ernsthafte Gefahr durch Trumps zweite Amtszeit?
Nicht direkt. Natürlich können einzelne Maßnahmen wie die Deregulierung im Finanzsektor kurzfristige Unsicherheiten schaffen. Wenn beispielsweise Banken nicht mehr verpflichtet wären, ihre Klimarisiken offenzulegen, könnte das zu einer schlechteren Risikoeinschätzung für Investoren führen. Aber genau hier liegt auch ein Paradoxon: Wenn Transparenz fehlt, werden Anleger misstrauischer und bewerten Unternehmen mit potenziellen Risiken konservativer. Langfristig könnten Firmen also sogar einen Anreiz haben, ESG-relevante Informationen weiterhin freiwillig offenzulegen, um Investoren anzuziehen.
Zudem gibt es in den USA weiterhin eine starke Nachfrage nach nachhaltigen Investments, insbesondere aus dem institutionellen Bereich. Große Pensionsfonds und Asset-Manager haben erkannt, dass ESG-Kriterien langfristig eine bessere Performance bringen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die gesamte US-Wirtschaft auf einmal Nachhaltigkeitsstandards abschafft.
Heißt das, nachhaltige Investitionen verlagern sich verstärkt in andere Regionen wie Europa oder Asien?
Genau. Wir sehen bereits, dass Europa als stabiler Markt für nachhaltige Investitionen zunehmend attraktiver wird. Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind hier klarer definiert und es gibt eine langfristige Strategie, die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranzutreiben. Ein Beispiel ist der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), mit dem Importe aus Ländern mit niedrigeren Umweltstandards mit zusätzlichen Kosten belegt werden. Solche Mechanismen zeigen, dass Europa Nachhaltigkeit nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch als wirtschaftliche Notwendigkeit betrachtet.
China ist ebenfalls ein wichtiger Player. In den letzten Jahren hat das Land massiv in erneuerbare Energien investiert und ist mittlerweile der weltweit größte Produzent von Solar- und Windkrafttechnologie. Das zeigt, dass nachhaltige Investitionen längst ein globaler Wettbewerbsvorteil sind – unabhängig von der Politik einzelner Staaten.
Was raten Sie nachhaltigen Investoren angesichts der aktuellen politischen Unsicherheiten?
Ruhig bleiben und sich nicht von kurzfristigen Schlagzeilen beeinflussen lassen. Nachhaltige Investments sind langfristige Strategien, die sich über Jahre hinweg auszahlen. Politische Zyklen ändern sich, doch die wirtschaftlichen Vorteile nachhaltiger Geschäftsmodelle bleiben bestehen. Investoren sollten daher weiterhin auf Unternehmen setzen, die in langfristige Trends wie erneuerbare Energien, Ressourceneffizienz und nachhaltige Geschäftsmodelle investieren.
Letztlich zeigt die Erfahrung: Der Markt lässt sich nicht dauerhaft von Politik diktieren. Selbst in den USA haben wir unter Trump einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien gesehen – weil es sich wirtschaftlich gelohnt hat. Wer diesen Grundsatz versteht, wird auch in Zeiten politischer Unsicherheiten die richtigen Investitionsentscheidungen treffen.
Die Generation Z gilt gemeinhin als nachhaltigkeitsbewusster. Welche Rolle spielt sie für ESG-Investments?
Die Generation Z ist eine Schlüsseldemografie für nachhaltige Geldanlagen. Sie wächst mit einem ausgeprägten Bewusstsein für Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und ethische Unternehmensführung auf. Dabei zeigt sich, dass junge Anleger nicht nur an finanziellen Erträgen interessiert sind, sondern gezielt in Unternehmen investieren möchten, die ihre Werte vertreten. Dies spiegelt sich auch in der Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten wider.
Ein großes Problem ist jedoch die mangelnde Finanzbildung. In vielen Ländern, darunter Deutschland und Österreich, wird finanzielle Allgemeinbildung kaum in den Schulen vermittelt. Viele junge Menschen wissen daher nicht, wie sie mit Geld umgehen, investieren oder sich für die Zukunft absichern können. Um dem entgegenzuwirken, setzt die Erste Group auf gezielte Bildungsinitiativen. Beispielsweise betreiben wir den „Financial Life Park“, eine interaktive Bildungsplattform, die jungen Menschen spielerisch den Umgang mit Geld und Investitionen näherbringt – einschließlich nachhaltiger Geldanlagen.
Besteht bei der Gen Z ein verstärktes Interesse an Impact Investing?
Ja, in der Tat. Sie möchten mit ihrem Kapital eine messbare Veränderung bewirken. Neben klassischen nachhaltigen Fonds suchen sie gezielt nach Investments, die ökologische oder soziale Projekte direkt unterstützen. In diesem Zusammenhang sind sogenannte Artikel-9-Fonds besonders beliebt, da sie strengen Nachhaltigkeitskriterien unterliegen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das aktive Engagement. Junge Anleger wollen Unternehmen nicht nur passiv finanzieren, sondern dass Fondsgesellschaften Einfluss nehmen – etwa durch die Ausübung der Stimmrechte bei Hauptversammlungen oder durch Investorenallianzen, die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit drängen. Wir sehen, dass das Interesse daran innerhalb der Gen Z stetig wächst. Deshalb üben wir für alle Fonds die Stimmrechte entsprechend unserer nachhaltigen Voting Policy aus und berichten transparent darüber.
Zusätzlich haben wir uns auf fokussierte Impactfonds wie den Erste WWF Stock Environment spezialisiert, einen nachhaltigen Umweltfonds, der in Zusammenarbeit mit der WWF entwickelt wurde und bei dem ein Teil der Managementgebühren direkt in Naturschutzprojekte fließt. Solche Konzepte sprechen besonders junge Anleger an, die ihr Kapital gezielt für positive Veränderungen einsetzen möchten.