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EU AI Act: Worauf Makler jetzt achten sollten

Viele Regelungen des EU AI Act treten dieses Jahr in Kraft. Bei dem „KI-Gesetz“ handelt es sich um eine europäische Verordnung über künstliche Intelligenz, die verschiedene rechtliche Verpflichtungen mit sich bringt. Aber sind Makler überhaupt davon betroffen und was ist nun zu unternehmen?

Ein Artikel von Paulina Pieloth, Versicherungsjuristin (LL.M.) im Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V. (BDVM)

Der AI Act (auch KI-Verordnung genannt) der EU zielt darauf ab, einen europäisch einheit­lichen rechtlichen Rahmen für den sicheren und ethischen Einsatz künstlicher Intelligenz zu schaffen. Vorweg sollte klargestellt werden, wann man überhaupt von KI spricht und wann nicht. Es gibt (leider) keine einheitliche, allgemeingültige Definition von künstlicher Intelligenz. Der AI Act gibt aber an unterschiedlichen Stellen (z. B. im Erwägungsgrund 12 der Verordnung) Auskunft darüber, was ein System können muss, um als KI-System im Sinne der Verordnung angesehen zu werden. Danach spricht man von einem KI-System, wenn es in der Lage ist, aus eingegebenen Daten etwas abzuleiten, also selbstständig zu schlussfolgern, zu modellieren, zu erstellen – und eben nicht nur „Vorprogrammiertes“ wiedergibt.

Man kann sich das am Beispiel moderner PDF-Reader gut vorstellen: Hilft mir die Suchfunktion durch die Eingabe eines bestimmten Wortes lediglich die bestimmte Information schneller zu finden, weil es Buchstaben abgleicht und mir die entsprechende Fundstelle anzeigt (keine KI) oder ist es in der Lage, den Absatz / das Kapitel für mich auch zusammenzufassen und sogar zu prüfen, wie sich diese Informationen auf meinen Fall / meine Vorgabe auswirken? Im letzteren Fall kann das System also ableiten und etwas Neues generieren. Man spricht daher auch oft von „generativer KI“. Ein gutes Beispiel für generative KI ist die Anwendung ChatGPT, die sicher viele schon ausprobiert haben (im privaten oder beruflichen Umfeld).

Sind Makler vom AI Act betroffen?

 

EU AI Act: Worauf Makler jetzt achten sollten

 

Das kommt darauf an, ob die Makler KI nutzen oder nicht, also ob sie nach der Verordnung als Betreiber oder Anbieter von KI-Systemen anzusehen sind, Art. 2 Abs. 1 des EU AI Act. Betreiber ist man nach Art. 3 S. 1 Nr. 4 schon dann, wenn man ein KI-System verwendet. Dabei ist es erst einmal ganz gleich, ob KI „nur“ derart zum Einsatz kommt, dass man beispielsweise Anwendungen wie ChatGPT nutzt, um bei Formulierungen zu helfen, Bilder zu generieren oder sich einen schnellen Überblick über ein Thema zu verschaffen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die eingesetzte KI direkt mit dem Kunden interagiert, wie es z. B. bei einem Chat-Bot auf der Homepage der Fall wäre, oder ob die KI dem Makler bei der Auswahl geeigneter Produkte bzw. der Beratung behilflich ist (wie man es sich bei intelligenter Vergleichssoftware vorstellen kann). Die Schwelle, KI-Betreiber zu sein, ist also sehr niedrig und mit der Zeit werden sich erfahrungsgemäß mehr und mehr KI-Komponenten im beruflichen Alltag wiederfinden.

Alle KI-Betreiber betrifft seit dem 02.02.2025 die Pflicht, KI-Kompetenz in ihrer Belegschaft herzustellen. Dazu gleich mehr.

Aber ich benutze doch nur „harmlose KI“!

KI wird in unterschiedliche Risiko-Kategorien unterteilt. Die folgenden Klassifizierungen kennt der AI Act:

  • Verbotene KI-Systeme nach Art. 5

Dazu gehören z. B. Systeme, die ein Social Scoring ermöglichen, Gesichtserkennungssoftware und Programme, die der Manipulation von Menschen dienen. Leicht nachzuvollziehen, warum diese Systeme verboten sind und daher hier auch nicht näher darauf eingegangen wird.

  • Hochrisiko-KI

Bei Hochrisiko-KI nach Art. 6 i. V. m. Anhang I und Anhang III der Verordnung geht es hauptsächlich um KI, die in Verkehrsmitteln, Infrastruktur oder z. B. in Spielzeug Einsatz findet oder dem Profiling dient, aber auch – und das ist für den Versicherungssektor relevant – genutzt wird, um die Risikobewertung und die Preisbildung im Bereich der Lebens- und Krankenversicherung durchzuführen (Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Anhang III Ziff. 5 c. Davon sind Makler in aller Regel aber auch nicht betroffen. Anhang III Ziff. 4 a nennt aber einen Bereich, der auf Makler eher zutreffen könnte, nämlich den Einsatz von KI-Systemen im Bewerbungsverfahren (z. B. Sichtung von Bewerbungsunterlagen und Bewertung von Bewerbenden). Auch der Einsatz von KI bei der Beurteilung von Leistungen und Verhalten der Mitarbeitenden nach Ziff. 4 b ist denkbar.

Es gibt aber hier Ausnahmen: KI, die für einen in Anlage III genannten Zweck eingesetzt wird, ist dann nicht als Hochrisiko-KI anzusehen, wenn sie nach Art. 6 Abs. 3 das Ergebnis der Entscheidungsfindung nicht wesentlich beeinflusst (sondern z. B. nur einen Teilbereich des Verfahrens erfüllt, eine bereits menschlich durchgeführte Tätigkeit verbessert oder nur vorbereitende Aufgaben übernimmt). Die Schwierigkeit liegt hier sicherlich in der Auslegung und Abgrenzung. Man kann aber zusammenfassen, dass, je mehr „menschliche Intelligenz“ bei der Entscheidungsfindung involviert ist, umso eher keine Hochrisiko-KI vorliegt.

Abgrenzungskriterien wären an dieser Stelle jedoch hilfreich! Der Anbieter oder Betreiber hat die Pflicht, diese Bewertung (Nicht-Vorliegen von Hochrisiko-KI) zu dokumentieren und die KI trotzdem zu registrieren, wie es Art. 6 Abs. 4 der KI-Verordnung vorsieht.

  • KI mit begrenztem/limitiertem Risiko

Das sind unter anderem KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck, die Audio-, Video-, Bild- oder Textinhalte erzeugen können, oder auch Chatbots. Prominentes Beispiel ist ChatGPT. Hier gibt es Transparenzpflichten, wenn Sie als Betreiber mithilfe der KI Deep­fakes erstellen (Art. 50 Abs. 4).

  • KI mit geringem/minimalem Risiko

Dies sind alle KI-Systeme, die nicht in die anderen drei Kategorien fallen, also mit noch weniger Risiko behaftet sind, z. B. „intelligente“ Spam-Filter. Hier gibt es – außer der Pflicht zur Sicherstellung allgemeiner KI-Kompetenz nach Art. 4 – keine weiteren Plichten zu beachten.

KI-Kompetenz betrifft (fast) alle!

Wenn Sie wirklich sicher sind, dass Sie derzeit keine KI in Ihrem Maklerbüro einsetzen, dann können Sie erst mal an dieser Stelle aufhören zu lesen: Der AI Act betrifft Sie nicht. Aber es handelt sich immer um eine Momentaufnahme. Schon ein neues Programm, ein neues Update bzw. Upgrade kann dies ändern. Und dann ist zumindest für KI-Kompetenz zu sorgen.

Unter KI-Kompetenz versteht man nach Art. 4 bzw. dem Erwägungsgrund 20 der Verordnung das Wissen um den sachkundigen Einsatz von KI sowie das Bewusstsein über deren Risiken. Es bedeutet nicht, dass man nur noch IT-Profis beschäftigen darf oder allen Mitarbeitenden teure Fortbildungen anbieten muss. Eine Legaldefinition der „Kompetenz“ findet sich in Art. 3 S. 1 Nr. 56.

Im Ergebnis ist die Kompetenz individuell danach zu bestimmen, zu welchem Zweck KI eingesetzt wird, wie oft sie eingesetzt wird und welchen Schaden sie potenziell anrichten kann. Natürlich kommt es auch darauf an, welche Daten die KI verwendet (z. B. Kundendaten).

Was sollten Makler nun tun?
  • Sorgen Sie für ein KI-Grundverständnis in Ihrer gesamten Belegschaft. Das kann Ihnen doppelt zugutekommen, denn Mitarbeitende haben dann auch ein Verständnis dafür, wo KI sie bei (wiederkehrenden) Aufgaben entlasten kann, also wo Prozesse optimiert werden können. Der BDVM bietet ein entsprechendes Basis-Webinar für seine Mitglieder an.
  • Regeln Sie, welche Mitarbeiter(gruppen) welche KI-Systeme aufgrund von dienstlicher Notwendigkeit nutzen dürfen bzw. sollen und schränken Sie ggf. den Zugang für andere Mitarbeitende ein.
  • Prüfen Sie, welcher Risikokategorie die KI-Systeme angehören, und stellen Sie fest, welche Pflichten Sie einhalten müssen.
Welche Folgen haben Verstöße gegen diese Pflichten?

Sanktionen sind grundsätzlich in Art. 99 der KI-VO beschrieben, beziehen sich aber nicht auf Verstöße gegen Art. 4 (KI-Kompetenz), sondern hauptsächlich gegen die Pflichten von Betreibern von sog. Hochrisiko-KI (siehe oben). Nach Art. 99 Abs. 1 AI Act (der am 02.08.2025 in Kraft tritt) sollen die Mitgliedsstaaten eigene Vorschriften für Sanktionen erlassen. Das ist in Deutschland noch nicht erfolgt.

Was auch noch aussteht, ist die Benennung der nationalen Aufsichtsbehörde. Dafür hat jeder Mitgliedsstaat ebenfalls bis zum 02.08.2025 Zeit. Mehr hierzu finden Sie in dem Kurzpapier der DIHK, abrufbar unter Aktuelles und Presse > Thema der Woche > Nationale KI-Aufsicht praxisgerecht gestalten bzw. auf der Website des Deutschen Bundestages unter bundestag.de > Dokumente > Textarchiv > dort 15.05.2024 eingeben > „Nationale Aufsicht bei Künstlicher Intelligenz komplex“.

Entsteht einem Kunden ein Schaden, der auf mangelnde Kompetenz des Maklers (bzw. der Mitarbeitenden) im Umgang mit der genutzten KI zurückzuführen ist, so können vertragliche oder deliktische Haftungsansprüche entstehen. Die Einhaltung und Dokumentation der KI-Kompetenzvermittlung nach Art. 4 kann entlastend wirken.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2025 und in unserem ePaper.

Lesen Sie außerdem: Orientierungshilfe zur KI-Verordnung

 

 
Ein Artikel von
Paulina Pieloth

Orientierungshilfe zur KI-Verordnung

Mit der neuen EU-KI-Verordnung gelten schrittweise neue Vorgaben für den Einsatz künstlicher Intelligenz in Firmen. Wie der AfW mitteilt, hat eine Expertengruppe, die sich bereits mit datenschutzrechtlichen Fragen in der Vermittlerbranche befasst hat, nun ein Informationspapier zur Verordnung vorgelegt.

Die neue EU-KI-Verordnung nennt klare Regeln für den professionellen Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und unterscheidet verschiedene Risikoklassen. Allgemeine Anwendungen wie Chatbots oder Textgeneratoren unterliegen Transparenzpflichten, während für sogenannte Hochrisiko-KI wie etwa in der automatisierten Kreditwürdigkeitsprüfung oder Schadensregulierung – besonders strenge Regeln gelten. In diesem Zusammenhang weist der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung darauf hin, dass sich Vermittler zudem mit datenschutzrechtlichen Fragen beschäftigen müssen, weil der Einsatz von KI oft mit der Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden sei.

Informationspapier zu Auswirkungen der KI-Verordnung

„Die Geschwindigkeit, mit der sich KI entwickelt, stellt die Branche vor neue Herausforderungen“, beton Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. „Mit dem nun veröffentlichten Infoblatt bieten wir eine fundierte Orientierungshilfe, die Vermittler dabei unterstützt, die Auswirkungen der KI-VO besser zu verstehen und sich frühzeitig darauf vorzubereiten“, so Wirth weiter.

Branchenstandard als Vorbild für künftige KI-Regelungen

Die Expertengruppe, die die Orientierungshilfe veröffentlicht ha, ist auch für den Branchenstandard zur Einwilligungserklärung in die Datenverarbeitung zuständig, der 2020 als freiwilliger Standard für die Vermittlerbranche konzipiert wurde. Ziel des Branchenstandards ist es, möglichst breit am Markt akzeptierte und laufend aktualisierte Vorlagen rund um die Themen Einwilligungserklärung, Risikovoranfrage und Information zur Datenverarbeitung zu bieten. Durch den Einsatz des Branchenstandards sollen Vermittlerprozesse wie Bestandsübertragungen, Bestandsverkäufe und Risikovoranfragen erleichtert werden. Die kostenlosen Dokumente gibt es unter bundesverband-finanzdienstleistung.de.

KI künftiger Bestandteil des Branchenstandards

Die Orientierungshilfe zur KI-Verordnung soll eine Vorarbeit für die künftige Integration von KI-Themen in den Branchenstandard zur Einwilligungserklärung darstellen. Denn laut AfW werde es mit der zunehmenden Nutzung von KI in der Vermittlerbranche unerlässlich sein, KI auch in die Einwilligungsprozesse der Kunden mit einzubeziehen. Die Expertengruppe sehe hier langfristig Handlungsbedarf, um den Standard weiterzuentwickeln und den neuen regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.

Das vollständige Informationspapier lässt sich hier abrufen. (tik)

 

Smart InsurTech baut Tarifcheck aus

Die Versicherungsplattform SMART INSUR hat ihre Tarifbewertung nach Verbraucherschutzkriterien Smart Check um die PKV Restkostenversicherung für Beamte ergänzt. Im Bereich Kfz-Versicherung wurde der Tarifcheck um 15 zusätzliche Leistungsmerkmale zum Thema Elektromobilität erweitert.

Mit Smart Check ermöglicht die Versicherungsplattform SMART INSUR neben dem traditionellen Versicherungsvergleich auch einen Tarifcheck nach Kriterien des Verbraucherschutzes. Nun wurde der Tarifcheck um die PKV Restkostenversicherung für Beamte ergänzt, die sich nun anhand von 42 Verbraucherschutzkriterien bewerten lässt. Diese Versicherung deckt die Differenz zwischen den tatsächlichen Behandlungskosten und der Beihilfe-Erstattung. Damit können entsprechend versicherte Beamte sich und mitversicherte Angehörige vor unerwarteten Eigenleistungen schützen.

„Versicherungsnehmer schätzen bei der Tarifwahl objektive Maßstäbe von Verbraucherschutzorganisationen“, sagt Sebastian Langrehr, Chief Sales Officer (CSO) der Smart InsurTech AG. Die 100%-ige Tochter der Hypoport InsurTech AG betreibt das Tarifrating.

Kfz-Versicherung: 15 neue Zusatzkriterien zu Elektromobilität

Angesichts immer spezifischerer Tarifangebote für Elektro- und Hybridfahrzeuge hat SMART INSUR den Tarifcheck im Bereich Kfz um 15 zusätzliche Leistungsmerkmale zum Thema Elektromobilität erweitert.

Mit Smart Check lassen sich Neu- und Alttarife bis ins Jahr 1960 vergleichen. Die Grundlage des Tarifratings bilden über 25.000 Alt- und Neutarife (Basistarife zzgl. einer Vielzahl an Tarifvarianten) von mehr als 400 Versicherern in 15 Produktarten. (tik)

 

KI in der Assekuranz: Von der Pilotierung zur Skalierung

Auch in der Versicherungsbranche bietet künstliche Intelligenz große Chancen, doch die flächendeckende Umsetzung bleibt herausfordernd. Wo Versicherer die größten Hürden sehen und auf welche Lösungsansätze sie setzen, zeigen Umfragen von Deloitte in Kooperation mit dem InsurTech Hub München.

Ein Artikel von Simon Mikulski, Director I AI & Data mit Fokus auf Versicherungen und digitale Lösungen bei der Deloitte Consulting GmbH, und Christian Schieberle, Senior Manager I AI & Data mit Fokus auf datengetriebene Lösungen bei der Deloitte Consulting GmbH

Die Versicherungsbranche steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) verspricht erhebliche Wertschöpfungspotenziale, doch der Weg von der Pilotierung zur umfassenden Skalierung ist mit Herausforderungen gespickt. Deloitte hat in Zusammenarbeit mit dem InsurTech Hub München (ITHM) die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und Lösungsan­sätze für Versicherungsunternehmen auf ihrem Weg zur KI-Transformation mittels Umfragen unter den großen Marktteilnehmern in Deutschland genauer beleuchtet.

Herausforderungen der KI-Integration

Während erste Pilotprojekte vielversprechend sind, zeigt die Studie, dass der Weg zur umfassenden Implementierung von KI mit erheblichen Hürden verbunden ist.

Fehlende KI-Kompetenz

Eine der größten Herausforderungen ist der Mangel an Talenten. Zwei Drittel der Versicherer bewerten ihre KI-Kompetenzen im Bereich „ungenügend“ bis „ausreichend“, es besteht ein erheblicher Bedarf an Weiterentwicklung.

Luft nach oben bei Investitionen

Ein weiteres Problem ist die Diskrepanz zwischen den Investitionen der Versicherungsbranche in KI im Vergleich zu anderen Sektoren. Während die Telekommunikations- und Medienbranche im Jahr 2024 doppelt so viel in KI-Software investierte, waren die Investitionen im Bankwesen sogar dreimal so hoch wie die der Versicherungsbranche.

Einbindung in vorhandene Systeme

Die Integration neuer Technologien in bestehende Systeme stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Nur 32% der befragten Versicherer nutzen derzeit Cloud-Dienste für den produktiven Einsatz von KI in ihrem Tagesgeschäft, was die Skalierbarkeit von KI-Initiativen einschränkt. Zudem wird von Schwierigkeiten bei der Skalierung von KI-Lösungen berichtet: Nur bis zu 30% der selbst entwickelten Lösungen erreichen die Produktionsphase.

Diese Herausforderungen verdeutlichen die Notwendigkeit einer strategischen Neuausrichtung. Versicherer müssen ihre KI-Strategien an ihren Geschäftsmodellen und dem Reifegrad der KI-Integration ausrichten. Die Kombination aus internen Fähigkeiten und externen Partnerschaften kann helfen, das volle Potenzial von KI auszuschöpfen. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche Unternehmen in der Lage sind, diese Potenziale zu realisieren und sich als Vorreiter in einem sich schnell entwickelnden Markt zu positionieren.

Chancen durch KI-Investitionen

Die Einführung von KI in der Versicherungsbranche bietet aber auch erhebliche Chancen, die weit über die bloße Effizienzsteigerung hinausgehen. KI wird industrieübergreifend klar als Katalysator für langfristiges Wachstum gesehen, aber viele Versicherer scheuen sich, in wachstumsorientierte Initiativen zu investieren. Doch gerade ein ausgewogenes Konzept, das den Schwerpunkt auf die Wertschöpfung und die Verbesserung der Kundenorientierung legt, ist entscheidend, um das volle Potenzial von KI auszuschöpfen.

Ein Beispiel für den Mehrwert von KI in diesem Kontext ist die Verbesserung bestehender Produkte, um Umsätze und Erträge zu steigern. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Optimierung und Rationalisierung von Geschäftsprozessen das primäre Ziel für 94% der Versicherer ist, gefolgt von der Erhöhung der Kundenzufriedenheit (59%) und der Steigerung des Umsatzes (41%).

Big Player setzen auf Weiterbildung

Führende Versicherer investieren in gezielte Weiterbildungsinitiativen wie Datenakademien und KI-Leadership-Trainingsprogramme, um Kompetenzen auf allen Ebenen aufzubauen. Die Kombination von fachlichen und technischen Fähigkeiten ist entscheidend für die erfolgreiche Skalierung von KI und die Förderung eines nachhaltigen Wandels im Versicherungswesen. Strategische Partnerschaften mit Start-ups, Technologiefirmen und Beratungsunternehmen ermöglichen es Versicherern, KI-Initiativen schnell zu skalieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Strategien zur Überwindung von Hürden

Um die Herausforderungen der KI-Integration zu meistern, setzen Versicherungsunternehmen zunehmend auf Outsourcing und strategische Partnerschaften. Diese Ansätze ermöglichen es, externe Expertise zu nutzen und gleichzeitig die Kontrolle über kritische Geschäftsprozesse zu behalten. Die Kombination aus internem Fachwissen und externen Partnerschaften schafft eine flexible und skalierbare KI-Infrastruktur, die den Anforderungen des eigenen Geschäftsmodells gerecht wird.

„Center of Excellence“-Modell

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die Realisierung eines KI-Betriebsmodells, das auf die spezifischen Geschäftsziele und den KI-Reifegrad eines Unternehmens abgestimmt ist. Die Studie zeigt, dass 35% der Versicherer ein „Center of Excellence“-Modell verfolgen, was bedeutet: Die Expertenteams verbleiben größtenteils in ihrer jeweiligen Fachabteilung, werden aber von einem zentralen Team befähigt, das KI-Initiativen übergreifend koordiniert, standardisiert sowie weitere Services für die Fachabteilungen anbietet. Andere Modelle wie „Consulting“ und „Factory“ sind ebenfalls verbreitet und bieten spezifische Vorteile je nach organisatorischen Bedürfnissen und gewünschtem Grad der Zentralisierung.

Ein effektives KI-Betriebsmodell muss flexibel genug sein, um sowohl zentrale Governance als auch abteilungsspezifische Flexibilität zuzulassen. Der Ansatz muss ermöglichen, zentrale Datenverwaltungs- und Qualitätsstandards zu sichern, während gleichzeitig die spezifischen Anforderungen der einzelnen Fachbereiche berücksichtigt werden.

Change Management

Zudem spielt Change Management eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Integration von KI in die Organisation: Es müssen sowohl technische/analytische Fähigkeiten als auch fachliche/kommunikative Fähigkeiten in interdisziplinären Teams zusammenkommen. Das bedeutet konkret, dass IT und Fachbereiche noch enger zusammenarbeiten müssen und datengetriebene Teams entstehen. Nur 35% der Versicherer verfügen aktuell über einen gut definierten Change-Management-Plan. Hier liegen noch viele ungenutzte Potenziale zur Förderung des kulturellen Wandels sowie zum Überwinden organisatorischer Widerstände. Konkret geht es dabei um die Schaffung einer Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Anpassungsfähigkeit, um die Mitarbeitenden auf die Veränderungen, auch der potenziellen Veränderung ihrer zukünftigen Arbeitsplätze, vorzubereiten.

Fazit

Die erfolgreiche Skalierung von KI in der Versicherungsbranche erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl technologische als auch organisatorische Aspekte berücksichtigt. Je nach Geschäftsmodell und Reifegrad der KI-Integration unterscheiden sich die konkreten KI-Strategie. In jedem Fall zeigt sich jedoch, dass die Kombination aus dem Aufbau interner Kompetenzen und dem Schließen externer Partnerschaften helfen kann, das volle Potenzial von KI auszuschöpfen.

Mit der umfassenden Integration von KI hat die Versicherungsbranche die Möglichkeit, nicht nur die eigene Effizienz zu steigern, sondern auch neue Geschäfts­felder zu erschließen und die Kundenzentrierung zu stärken. So haben Unternehmen die Chance, sich als Vorreiter in einem Markt zu positionieren, der sich schnell weiterentwickelt.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Christian Schieberle
Simon Mikulski

MVPs im Fokus: Welche Systeme sich durchsetzen – und warum

Die neue Studie „AssCompact TRENDS I/2025“ gibt spannende Einblicke in die Nutzung von Maklerverwaltungsprogrammen (MVPs) in der Versicherungsvermittlung. Die Ergebnisse zeigen, wie verbreitet MVPs sind, welche Modelle bevorzugt werden und welche Gründe es dafür gibt.

Der Einsatz von MVPs bewegt die Branche immer wieder. Sie sind das Herzstück der digitalen Arbeitswelt von Maklerunternehmen, erleichtern den Alltag und automatisieren zentrale Prozesse. Doch ihr praktischer Nutzen geht stets einher mit der Frage nach den Kosten und der Unabhängigkeit eines Maklerbüros – eine Thematik, die auch die Ergebnisse der gerade veröffentlichten Studie „AssCompact TRENDS I/2025 wie ein roter Faden durchzieht.

Große Mehrheit setzt auf MVPs

Laut der Befragung setzen 78% der ungebundenen Vermittlerinnen und Vermittler ein MVP ein, während 22% darauf verzichten. Die Mehrheit nutzt somit digitale Lösungen, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten und den Überblick über Kunden, Verträge und Dokumente zu behalten. Im Jahr 2019 hatten einer entsprechenden AssCompact Umfrage zufolge 72% der Befragten ein MVP im Einsatz. Insofern bedeutet dies eine Steigerung, dennoch gibt es eine beständige Gruppe, die weiterhin ohne ein solches System arbeitet – entgegen der Erwartung, dass ihr Anteil massiv sinken müsste. Ob alternative CRM-Systeme, klassische Excel-Tabellen oder der gute alte Ordner hier den Ersatz bieten, lässt sich nur erahnen.

Direktlizenz oder kostenfreie Nutzung?

Die Nutzung von MVPs erfolgt auf unterschiedliche Weise. Die meisten Versicherungsmakler (53%) beziehen eine kostenpflichtige Lizenz direkt von einem Software-Anbieter. Weitere 43% nutzen eine kostenfreie Version über einen Maklerpool oder Maklerverbund. 8% greifen auf ein MVP zurück, das ihnen von einem Versicherer zur Verfügung gestellt wird, während 5% andere Wege nutzen. Allzu große Veränderungen zur Befragung 2019 haben sich an der Stelle nicht ergeben. Aber damals wie heute sorgt besonders die mit der Nutzung kostenfreier MVPs vermutete Abhängigkeit von Pools und Versicherern immer wieder für Diskussionen in der Branche, da sie zentrale Fragen zur Datenhoheit und Unabhängigkeit der Versicherungsmakler aufwirft.

Für 45% der Studienteilnehmer spielt die Unabhängigkeit des MVP-Angebots bei der Auswahl eine Rolle. Noch wichtiger sind ihnen jedoch eine hohe Funktionalität (74%), ein reibungsloser Datenimport (58%) und die Anzahl der BiPRO-Schnittstellen (51%). Der Preis bzw. die Lizenzgebühren (38%) rangieren hingegen erst an achter Stelle der Entscheidungskriterien.

Angesichts der Tatsache, dass Softwareanbieter erhebliche Investitionen tätigen müssen, um mit dem technologischen Fortschritt – etwa im Bereich künstliche Intelligenz – Schritt zu halten, und dass Insolvenzen, fehlende Updates oder die Einstellung eines Programms Risiken bergen, überrascht es, dass nur rund 15% der Befragten auf die Finanzkraft ihres MVP-Anbieters achten.

VEMA und DEMV in einem stark fragmentierten Markt vorne

Bislang hat sich am Markt kein MVP vollständig durchgesetzt – auch nicht nach der Konsolidierung der vergangenen Jahre. Die Ergebnisse der Studie zur Frage „Welches MVP nutzen Sie?“ zeigen vielmehr eine stark fragmentierte Marktlandschaft.

Mit 17% bzw. 16% werden die Lösungen von VEMA und DEMV am häufigsten genannt, wobei hier die Abgrenzung zu anderen Systemen als MVPs auch schon mal verschwimmt. Dahinter folgt das AMS-System von Assfinet mit 12%, gefolgt von Ameise von blau direkt mit 9%. Knapp dahinter liegt meinMVP, ein Projekt verschiedener Maklerversicherer, das kleineren Maklerbetrieben den digitalen Anschluss erleichtern soll.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass vor allem kleine und mittelständische Maklerunternehmen an der Studie teilgenommen haben. Eine stärkere Beteiligung größerer Maklerstrukturen könnte das Gesamtbild verändern.

Branchenpolitische Diskussionen und Herausforderungen

Die Diskussion rund um MVPs wird in der Branche intensiv geführt. Neben der Frage nach der optimalen Softwarelösung stehen vor allem Aspekte wie Datensicherheit, Schnittstellenprobleme und die Zukunft der digitalen Maklerverwaltung im Fokus. Ein zentrales Thema ist die Standardisierung von Schnittstellen, um den Austausch zwischen verschiedenen Systemen zu erleichtern. Versicherungsmakler benötigen offene Systeme, die eine problemlose Integration mit Vergleichssoftware, CRM-Tools und anderen Anwendungen ermöglichen. Auch die fortschreitende Regulierung spielt eine Rolle: Strengere Datenschutzvorgaben und die Verpflichtung zur revisionssicheren Dokumentation erhöhen die Anforderungen an MVPs.

Ein weiteres Thema ist die Rolle von künstlicher Intelligenz in MVPs. KI-gestützte Automatisierungen könnten zukünftig dabei helfen, wiederkehrende Prozesse weiter zu optimieren und Kundenanfragen effizienter zu bearbeiten. Doch während einige Anbieter bereits erste KI-Features integriert haben, bleibt abzuwarten, inwieweit – und vor allem wann – die Branche diese Innovationen umsetzt. (bh)

Über die Studie

Die Online-Befragung zur Studie „AssCompact TRENDS I/2025“ wurde vom 07.01.2025 bis 17.01.2025 durchgeführt. Nach einer Qualitätsprüfung flossen die Stimmen von 377 Vermittlerinnen und Vermittlern aus der Finanz- und Versicherungsbranche in die Stichprobe ein, die ein sehr gutes Abbild der Assekuranz- und Finanzvermittler und -vermittlerinnen hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsstruktur darstellt. Die Studie kann bei AssCompact kostenpflichtig erworben werden.

Informationen zu allen weiteren AssCompact Studien sind unter asscompact-studien.de zu finden.

 

WTW bietet KI-basiertes Monitoring

Mit „Radar Vision“ hat WTW seine Modellierungslösung „Radar“ um ein KI-gesteuertes Performance-Monitoring erweitert. Das Tool ermöglicht es Versicherern, die Qualität ihrer Vorhersagemodelle etwa im Underwriting und der Schadensteuerung in Echtzeit zu überwachen.

Die Versicherungsberatung von WTW hat global ein KI-basiertes Performance-Monitoring-Tool eingeführt. Mit „Radar Vision“ können Versicherer die Qualität ihrer prädiktiven Modelle, etwa im Underwriting, in der Tarifierung und der Schadensteuerung, in Echtzeit überwachen. Die Anwendung lässt sich sowohl im Privat- als auch im Firmenkundengeschäft einsetzen. Somit ergänzt und erweitert es die Funktionen von „Radar“, der Modellierungslösung von WTW für Versicherer.

„In der heutigen Zeit investieren viele Versicherer in den Aufbau einer großen Zahl unterschiedlichster Vorhersagemodelle, behandeln aber das Monitoring der Vorhersagegüte dieser Modelle oftmals noch stiefmütterlich. Das kann erhebliche Auswirkungen auf die Profitabilität und Effizienz haben“; erklärt Dr. Gero Nießen, Senior Director bei WTW und Experte für Pricing in den deutschsprachigen Märkten. „Radar Vision“ durchbreche diese Problematik.

Mithilfe von proprietären, modernen KI-Verfahren erkennt das Tool Modellabweichungen in Echtzeit, identifiziert mögliche Treiber – wie neuartige Schadentrends oder Änderungen des Kunden- sowie Wettbewerberverhaltens –, und schlägt automatisiert mögliche Maßnahmen vor. Dies führt zu transparenten und unmittelbar umsetzbaren daten- und algorithmengetriebenen Entscheidungsvorlagen. „Versicherer heben erhebliche Wettbewerbsvorteile, indem sie Kosten für die manuelle Überwachung der Modellprognosen signifikant reduzieren und Antiselektion minimieren“, betont Nießen. (tik)

 

SIGNAL IDUNA setzt auf KI im Kundenservice

In Kooperation mit Google Cloud hat SIGNAL IDUNA einen neuen generativen Wissensassistenten für die Krankenversicherung eingeführt. Das KI-Tool basiert auf dem Sprachmodell Google Gemini sowie dem Google Cloud Service Vertex AI und soll Mitarbeiter im Kundenservice entlasten.

SIGNAL IDUNA hat in Zusammenarbeit mit Google Cloud als strategischem Partner einen neuen generativen Wissensassistenten für die Krankenversicherung entwickelt und eingeführt. Die KI-Lösung soll Mitarbeiter im Kundenservice der Krankenversicherung deutlich entlasten, damit mehr Zeit für die individuelle Kundenbetreuung bleibt. SIGNAL IDUNA will damit die Kundenorientierung stärken und die Servicequalität verbessern.

Smarte Agenten künftig auch in weiteren Bereichen

Der KV-Wissensassistent beruht auf dem Sprachmodell Google Gemini sowie dem Google Cloud Service Vertex AI. Laut SIGNAL IDUNA handelt es sich dabei um das erste Projekt der umfassenden KI-Strategie des Konzerns, die die Implementierung smarter Agenten in weiteren Unternehmensbereichen vorsieht.

Weniger Zeitaufwand unter anderem für Recherche

Den KV-Wissensassistenten können alle internen und externen KV-Service-Mitarbeiter nutzen. Im Kundenkontakt beantwortet das Tool Fragen zu Tarifbedingungen und Vertragswerken, erleichtert die Recherche relevanter Dokumente und beschleunigt so die Bearbeitung von Kundenanfragen. Wie SIGNAL IDUNA weiter mitteilt, konnten ersten Ergebnissen zufolge Mitarbeiter die erforderliche Zeit für die Suche nach passenden Informationen im Schnitt bereits um circa 30% verringern, bis zu 20% mehr Anliegen konnten sie bereits im ersten Kundengespräch vollständig klären. Die generative KI-Lösung erziele derzeit circa 80 bis 85% richtige Antworten. Mittelfristig solle die Quote richtiger Antworten bei rund 90% liegen. (tik)

 

comparit erweitert Plattform um Altersvorsorge

Auf der Vergleichsplattform der cpit comparit GmbH ist nun auch der Bereich Altersvorsorge integriert. Somit lassen sich neben den Vergleichsmöglichkeiten für Kfz, Risikoleben und BU auch Produkte zur privaten Altersvorsorge der ersten und dritten Schicht gegenüberstellen.

Neuerungen auf der Vergleichsplattform der cpit comparit GmbH: Ab sofort ist der Bereich Altersvorsorge in das Portal eingebunden. Neben den bereits vorhandenen Vergleichsmöglichkeiten für Kfz-, Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen können Nutzer nun auch Produkte zur privaten Altersvorsorge der ersten und dritten Schicht direkt gegenüberstellen.

Bereits zum GoLive wurde auch die Geeignetheitsprüfung nach IDD vollständig eingebettet.

Zum Start stehen die Tarife von 15 Lebensversicherern zur Verfügung, ein weiterer Anbieter befindet sich in der finalen Vorbereitungsphase für die Anbindung. Wie die comparit GmbH mitteilt, sollen weitere Versicherer in den kommenden Wochen und Monaten hinzukommen.

In den nächsten Monaten soll außerdem die bisherige LV-Version von Levelnine durch comparit ersetzt werden. Somit bekommen alle Nutzer von Levelnine LV Zugang zur „cpit.LV App“ mit neuartigen Features. (tik)

 

BUBE im Einsatz: Mit KI Betrugsfälle erkennen und verhindern

Im Kampf gegen Versicherungsbetrug gilt es unter anderem, manipulierte Bilder als solche zu erkennen. Bei der Nürnberger Versicherung kommt hierfür das eigens entwickelte System BUBE zum Einsatz, das verschiedene KI-Methoden bei der Bildanalyse verwendet.

Ein Artikel von Wolfgang Färber, Teamlead Schaden-/ Leistungsregulierung in der IT der Nürnberger Versicherung

Die Betrugsabwehr in der Versicherungsbranche steht oft im Konflikt mit dem Bestreben, den Versicherten schnellstmöglich ihre Leistungen zu gewähren. Während eine vollständig automatisierte Zahlung technisch kein Problem darstellt, ist es ebenso wichtig, ungerechtfertigte oder betrügerische Ansprüche abzuwehren. Hier gilt es, ein Gleichgewicht zu finden, um die Mehrheit der ehrlichen Schadenfälle zügig und kundenfreundlich zu regulieren.

Was ist BUBE?

Die Nürnberger Versicherung hat ein innovatives System namens BUBE (Bildforensik Und BetrugsErkennung) entwickelt, das mithilfe von KI und Bildforensik betrügerische Schadenfälle aufdecken soll. BUBE analysiert eingereichte Schadenfotos auf Manipulationen und hilft so, betrügerische Ansprüche zu identifizieren und abzuwehren.

Warum ist BUBE besonders?

Bereits zwischen 2011 und 2014 unternahm die Nürnberger erste Versuche, Manipulationen an Bildern maschinell zu entdecken. Ab 2018 startete ein Pilotprojekt mit dem Lehrstuhl für IT-Sicherheitsinfrastrukturen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Damit wurde der Grundstein für die heutige Version von BUBE gelegt. Seit 2020 ist BUBE produktiv im Einsatz und nutzt fortschrittliche KI-Technologien, um Bildmanipulationen zu erkennen. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der FAU und die Integration neuester Verfahren machen BUBE zu einem leistungsstarken Werkzeug in der Betrugsbekämpfung.

Wie funktioniert BUBE?

BUBE verwendet verschiedene KI-Methoden, um Bilder zu analysieren:

  • Error Level Analysis (ELA): Dieses Verfahren untersucht das Rauschen im Bild und deckt inkonsistente Stellen auf, die auf Manipulationen hinweisen könnten. ELA stammt aus der Zeit, als Bilder hauptsächlich mit Programmen wie Photoshop verändert wurden, ist aber weiterhin relevant.
  • Neuronale Netze: Speziell trainierte Modelle identifizieren KI-generierte Bilder, unabhängig davon, welches Tool zur Erstellung verwendet wurde. Diese Modelle sind neuronale Netze, sogenannte SVMs (Support Vector Machine).
  • Vektorisierung und Vergleich: Auch für diese Aufgabe verwendet BUBE neuronale Netze, diesmal ResNet (Residual Network). Ein ResNet50 wird verwendet, um Bilder in einen Zahlenvektor umzuwandeln und darüber die Ähnlichkeit zwischen Bildern zu bestimmen. Dies hilft, Mehrfacheinreichungen zu erkennen, auch wenn die Bilder verändert wurden, z. B. leichter Perspektivwechsel oder Umwandlung farbig/Grautöne. Die Vektoren selber verstoßen nicht gegen die Datenschutzbestimmungen oder das Recht am Bild und können also – anders als die Bilder selbst – marktweit verglichen werden.
  • Fuzzylogik: Diese Methode bewertet die Ergebnisse und ermöglicht eine differenzierte Einschätzung von verdächtigen Werten, z. B. auch Zeit- und Ortsangaben aus den Bild-Metadaten (Exif-Daten). Fuzzylogik hilft, überlappende Verdachtsbereiche zu definieren und Ergebniswerte mit unterschied­licher Gewichtung zu interpretieren.
Nutzen für die Versicherungsbranche

BUBE entlastet die menschlichen Sachbearbeiter, indem es auffälliges Fotomaterial automatisch herausfiltert und unauffälliges durchwinkt. Dies beschleunigt die Schadenregulierung und erhöht die Fairness gegenüber der Versichertengemeinschaft. Zudem ermöglicht BUBE einen datenschutzkonformen, versicherungsübergreifenden Bildvergleich, der die Entdeckung von Doppeleinreichungen marktweit erleichtert.

Integration in den Leistungsprozess

BUBE arbeitet wie ein technischer Sachbearbeiter und analysiert eingehende Bilder sofort nach ihrem Eingang. Die Ergebnisse fließen in die Schadenbearbeitung ein und helfen, verdächtige Fälle frühzeitig zu identifizieren. Wichtig ist, dass BUBE das Bildmaterial im Originalformat erhält, um seine Arbeit effizient erledigen zu können. Die Korrespondenz, aus der die Bilder stammen, wird parallel in das Archiv und das Schadensystem weitergeleitet, wo sie eine maschinelle Schadenanlage auslöst oder einen Arbeitsvorrat für die Sachbearbeitung bildet. Zu diesem Zeitpunkt kann BUBE dann bereits seine Erkenntnisse zusteuern.

Technische Details und Komponenten

BUBE nutzt mehrere technische Komponenten, um seine Aufgaben zu erfüllen:

  • Bildklassifikation: Bilder werden nach ihrem Inhalt klassifiziert, z. B. in szenische Bilder oder fotografierte Dokumente. Szenische Bilder werden in Zahlenvektoren umgewandelt und der Vektor-Bestand wird nach ähnlichen Bildern durchsucht. Ergebnis-verfälschende Bilder wie Logos oder leere PDF-Seiten werden herausgefiltert und nicht verglichen.
  • Manipulationserkennung: Das Rauschmuster im Bild wird untersucht, um veränderte Stellen zu identifizieren. Absichtlich gezeichnete Formen wie eingekreiste Schadenstellen werden dabei nicht berücksichtigt.
  • Generative KI-Detektoren: BUBE verwendet Detektoren, um vollständig generierte Bilder und teilgenerierte Bilder (Inpainting) zu erkennen. Diese Detektoren sind in Serie geschaltet und haben generalisierende Fähigkeiten.
  • Doppelkompression: BUBE identifiziert Bilder, die von mehreren Programme gespeichert wurden, was ein Indiz für Manipulationsversuche sein kann.
  • Exif-Daten: Wenn Bilder Exif-Daten enthalten, werden diese ausgelesen und in Beziehung zu den gemeldeten Schadendaten gesetzt. Zeitstempel und GPS-Koordinaten können Hinweise auf Betrug geben.
  • Bewegungsablauf: BUBE stellt eine Zeitachse sowie eine Karte mit den Orten zur Verfügung, an denen die Bilder fotografiert wurden, und zeigt den Bewegungsablauf an.
  • Rechnungsprüfung: Rechnungen mit EPC-QR-Codes werden auf Übereinstimmung mit dem Rechnungstext geprüft. Abweichungen deuten auf gefälschte Rechnungen hin.
Fazit und Ausblick

Mit BUBE hat die Nürnberger Versicherung ein Werkzeug zur Betrugsbekämpfung entwickelt, das nicht nur intern, sondern auch marktweit eingesetzt werden kann. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und die potenzielle Zusammenarbeit mit anderen Versicherern wird BUBE auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Schadenregulierung und Betrugsabwehr spielen.

Ein Proof of Concept (PoC) auf der Plattform des Hinweis- und Informationssystems (HIS) beim Gesamt-­verband der Versicherer (GDV) soll die technische Machbarkeit und den Nutzen eines übergreifenden Bildvergleichs untersuchen. Ziel ist, bis zum dritten Quartal 2025 einen produktiven Betrieb zu etablieren.

Die Nürnberger verfolgt eine zweigleisige Strategie, wobei sie von ihrer IT-Tochter CodeCamp:N unterstützt wird: Zum einen wurde der Verschlüsselungsalgorithmus im Januar 2025 als Open SDK unter der Apache-2.0-Lizenz veröffentlicht, um die Teilnahme am Bildvergleich zu erleichtern (https://github.com/codecampn). Zum anderen werden verschiedene Kooperations­modelle geprüft, um die BUBE-Suite als SaaS-Lösung oder in einer „BUBE light“-Version anzubieten.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 02/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Wolfgang Färber

Die Ansätze von Adacta für den deutschen Markt

Der auf Lösungen für die Assekuranz spezialisierte Software-Anbieter Adacta ist seit Kurzem auch auf dem deutschen Markt vertreten. Im Interview erläutert Michael Breidenband, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung, Portfolio und Pläne des Unternehmens und blickt auf aktuelle Marktentwicklungen.

Herr Breidenband, Sie wollen mit Adacta am deutschen Versicherungsmarkt durchstarten. Geben Sie uns einen kurzen Überblick über das Unternehmen und seine Lösungen?

Adacta ist ein führender Softwareanbieter für die Versicherungsbranche mit mehr als drei Jahrzehnten an Erfahrung in der Bereitstellung von Versicherungslösungen für die Assekuranz. Unsere 350 Experten an sieben Standorten in Europa haben mehr als 20 erfolgreiche Implementierungen in elf verschiedenen Ländern durchgeführt, für Unternehmen wie DVA, Signal Iduna, Generali, Triglav, Halk Insurance und Sava.

Adacta entwickelt Softwarelösungen für Sach-, Unfall- und Lebensversicherer sowie für Versicherungsmakler mit Augenmerk auf deren individuelle und branchenspezifische Anforderungen. Besonders erwähnenswert ist dabei die Software-Plattform AdInsure, eine End-to-End-Lösung, die es Versicherern ermöglicht, ihre Abläufe und Prozesse ganzheitlich abzubilden und zukunftssicher zu optimieren.

Inwiefern unterscheidet sich die deutsche Versicherungsbranche von anderen in Europa?

Der Industriesektor ist in Deutschland sehr stark und dies wirkt sich auch auf die Versicherungsbranche aus: Der deutsche Markt verfügt über zahlreiche und qualitativ hochwertige Anbieter und Angebote im Bereich der Versicherungen für Industrie und Gewerbe. Durch die zahlreichen, seit Langem in ihren jeweiligen Branchen etablierten Konzerne gibt es außerdem ein im Vergleich starkes Wachstum bei den firmeneigenen Versicherern und Maklern. Und ja, im Vergleich zu anderen Märkten in Westeuropa gibt es in der deutschen Versicherungsbranche noch Aufholbedarf in Sachen Digitalisierung.

Welche neuen Ansätze verfolgt Adacta insbesondere für die Assekuranz hierzulande?

Die deutsche Versicherungsbranche ist sehr heterogen – hier bietet unsere AdInsure-Plattform großes Konsolidierungspotenzial für verschiedene Vertriebswege – vom Maklergeschäft bis hin zur Direktversicherung sowie über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Und auch sämtliche einzelnen Kernprozesse des Versicherungsalltags können auf der Plattform abgebildet werden, von Vertrieb und Underwriting bis hin zum Schadenmanagement und der Rückversicherungsabrechnung. Als No- bzw. Low-Code-Lösung mit Schnittstellenfokus ist die Plattform zudem schnell und einfach für individuelle Anwendungsszenarien konfigurierbar und damit benutzerfreundlich und hochskalierbar.

Wie plant Adacta konkret in den kommenden Jahren im deutschen bzw. europäischen Markt zu wachsen?

Auf der Produktseite haben wir verschiedene Angebote für unterschiedliche Marktsegmente parat, wobei unser Hauptfokus auf kleinen und mittelgroßen Sach- und Unfallversicherern liegt. Gleichzeitig bieten wir spezifische regionale Angebote für Industriemakler und große gewerbliche Versicherer an.

Für Deutschland planen wir außerdem umfangreiche Investitionen, unter anderem in Marktforschung und in den Ausbau unseres lokalen Teams, um die spezifischen Anforderungen und Standards, die in der deutschen Versicherungsbranche üblich sind, noch effektiver zu erfüllen. Um unsere Marktpräsenz im deutschen Markt zu steigern, wollen wir außerdem präsenter auf Branchenveranstaltungen und in den entsprechenden Fachmedien werden. Und selbstverständlich sind wir auch in Deutschland stets auf der Suche nach Partnern zur Erweiterung unseres Partnernetzwerks.

Worin sehen Sie denn aktuell wichtige Trends – technologisch oder auch regulatorisch?

Auf technologischer Ebene ist ganz klar künstliche Intelligenz zu nennen. 2024 war bereits das Jahr der KI in verschiedenen Branchen und Anwendungsfällen und im Jahr 2025 werden wir auch in der Versicherungsbranche eine zunehmende Integration von KI in Bereichen wie Kunden-Support sehen. Damit gehen regulatorische Fragen einher – in einer hochregulierten Branche wie der Versicherungsbranche wird KI höhere Anforderungen hinsichtlich Datensicherheit, Datenschutz und Transparenz erfüllen müssen als in anderen Sektoren.

Um die Implementierung von KI und weitere Maßnahmen im Rahmen der digitalen Transformation erfolgreich durchzuführen, braucht es selbstverständlich entsprechend qualifizierte Fachkräfte, die angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel immer rarer werden. Die aktuelle wirtschaftliche Lage hat zwar das Potenzial, diesen Druck etwas zu lindern, aber Digitalisierung sollte nach wie vor eine strategische Priorität für Versicherer bleiben – und dazu gehört es auch, die eigenen, von Automatisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter strategisch sinnvoll umzuschichten und einzusetzen.

Hinsichtlich der Regulatorik ist natürlich das Inkrafttreten der DORA-Richtlinien zu nennen, auf die viele Versicherer und Anbieter teilweise noch nicht gut vorbereitet sind. Adacta hat sich als Software-Anbieter schon frühzeitig mit dem Thema befasst und sichergestellt, dass unsere Plattform auf die Regelungen vorbereitet ist. Zu diesem Aspekt haben wir unter anderem bereits ein White-Paper veröffentlicht.

Was erwarten Sie in Bezug auf den Markt?

Der Markt selbst wird sich weiter konsolidieren, sowohl bei den Versicherern als auch bei den Maklern, und auch hier wird der Grad der digitalen Transformation einer der Hauptfaktoren sein, die darüber entscheiden, wer von diesem Trend am meisten profitieren kann. Selbstverständlich geht damit auch ein Konsolidierungsbedarf bei den IT-Systemen einher.