Ist die Jahresendrallye ein Mythos?
Doch einmal abseits der Zahlen: Inwiefern ist die Jahresendrallye nur eine selbst erfüllende Prophezeiung? Woher kommt das Phänomen überhaupt? Dieser Frage geht die Volkswirtin und Journalistin Christiane von Hardenberg in ihrer Kolumne für die „Zeit“ auf den Grund. Demnach hieß die Jahresendrallye ursprünglich „Santa Claus Rallye“, nach einer Studie von 1972, in der der US-Wissenschaftler Yale Hirsch die Kursbewegungen an den letzten fünf Handelstagen des Jahres und den ersten zwei Handelstagen des Folgejahres betrachtet hatte – und zwischen 1952 und 1972 hier in 17 von 20 Jahren eine positive Entwicklung wahrgenommen hatte.
Doch um etwas neuere Zahlen zu betrachten, zitiert von Hardenberg auch den Wirtschaftswissenschaftler Jayden Patel, der den S&P 500, den Dow Jones und den Nasdaq zwischen 2000 und 2021 näher beobachtete und in dieser Zeit keine Jahresendrallye feststellte. Dabei war es egal, ob diese Jahre im Ganzen oder getrennt – von 2000 bis 2009 und von 2010 bis 2021 – betrachtet wurden.
Die möglichen Gründe für eine Jahresendrallye, die von Hardenberg in ihrer Kolumne nennt, findet sie selbst zweifelhaft. Der „Tax-Harvesting-Effekt“, bei dem viele Investoren ihre Aktien verkaufen, um Gewinne bzw. Verluste auszugleichen und dadurch Steuern zu sparen, und wodurch die Kurse dann fallen, um anschließend stärker zu steigen, werfe eigentlich nur die Frage auf, warum die Kurse dann, so wie dieses Jahr, schon ab November nach oben gehen.
Und auch die Theorie, dass Arbeitnehmer ihre Boni in der Weihnachtszeit am Markt anlegen, erscheint ihr zweifelhaft. Denn Boni werden in verschiedenen Monaten ausgezahlt – mal abgesehen davon, dass die Anlage des Jahresbonus in Aktien ganz im Gegensatz zum Klischee des gemeinen, risikoaversen Deutschen steht. Vielleicht also, so Hardenberg, steckt auch einfach die Psychologie dahinter: „Weil alle an die Jahresendrallye glauben, kaufen alle Aktien.“
Kommt sie oder kommt sie nicht?
Die Zeit der Besinnlichkeit will genutzt sein – und die noch bevorstehende Rush Hour beim Weihnachtsgeschäft wird dazu wohl kaum einen Teil beitragen. Zur Beruhigung aber: Ob die Jahresendrallye als jährliches Phänomen wirklich existiert oder nicht und woher sie kommt, wird man wohl auch in diesem Jahr nicht herausfinden. Vielleicht aber ist das Christkind großzügig und beschert den Anlegern nicht nur unter dem Baum, sondern auch im Depot ein kleines Präsent. (mki)
Bild: © syhin_stas – stock.adobe.com
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