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19. Juni 2024
Ist das 2%-Ziel bei der Inflation noch zeitgemäß?

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Ist das 2%-Ziel bei der Inflation noch zeitgemäß?

Die Notenbanken streben seit jeher eine Teuerungsrate von durchschnittlich 2% p. a. an. Doch wie zeitgemäß ist diese Marke noch? Ein Kapitalmarktexperte von Fidelity International nimmt sich angesichts der aktuell in den USA hartnäckig anhaltenden Inflation dieser Frage an.

Die deutlich angestiegene Inflation hat im Euroraum und in den USA 2022 für die Zinswende gesorgt. Die Europäische Zentralbank hat nun vor zwei Wochen den ersten Schritt nach unten gewagt, in der Überzeugung, dass die Inflation im Griff sei und weiterhin im Zaum gehalten werden könne. Doch die US-Notenbank verharrt seit Juli 2023 auf ihrer Zinsspanne von 5,25% bis 5,5%. Hintergrund: Die Inflation in den USA hält sich mit 3,3% im Mai noch etwas hartnäckiger als in der Eurozone.

Zielsetzung ist bei den Notenbanken seit jeher eine Teuerungsrate von 2% p. a. Doch angesichts der Situation in den Staaten gibt es mittlerweile einige Experten, die diese Marke wohl etwas aufweichen oder gar aufgeben wollen. Das nimmt Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld von Fidelity International zum Anlass, sich mit der Frage zu befassen, ob das Inflationsziel von 2% eigentlich noch zeitgemäß ist.

Zentralbanken unter Druck

Unter den Kritikerstimmen zur 2%-Marke ist auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der in einem Handelsblatt-Kommentar die EZB dazu aufforderte, „in Zeiten multipler Krisen in einer zunehmend global vernetzten Wirtschaft“ ihr festes Inflationsziel abzuschaffen. Auch Olivier Blanchard, früherer Chefökonom des Internationalen Währungsfonds habe laut Roemheld schon vor mehreren Jahren dafür plädiert, die Zentralbanken sollten besser eine Inflation von 4% anpeilen.

Tatsächlich könnte die magische 2%-Grenze irgendwann fallen, so Roemheld. Denn das eigentliche Mandat der Zentralbanken bestehe darin, die Preise stabil zu halten. Doch was das genau bedeuten soll, lasse zumindest Raum für Interpretationen. Für den ehemaligen Fed-Chef Alan Greenspan etwa war Preisstabilität ein Zustand, „in dem die erwartete Preisänderung nicht das Verhalten von Unternehmens- und Haushaltsentscheidungen verändert“. Mit anderen Worten: Die Inflation müsse nicht unbedingt besonders niedrig sein, aber erwartbar, so Roemheld. Gleichzeitig solle sie weit genug vom Nullpunkt entfernt sein, um das Risiko einer Deflation gering zu halten. Dass das Ziel gerade bei 2% liegt, sei mehr einem Zufall geschuldet als irgendeiner fundamentalen Einsicht. Ende der 1980er-Jahre bemühte sich die Zentralbank Neuseelands um Autonomie gegenüber der Politik. Um das zu erreichen, hegte die Notenbank sich in ihrer Arbeit quasi freiwillig selbst ein – und definierte ein festes Ziel der Geldpolitik: Das Inflationsziel von 0% bis 2% war geboren. In den darauffolgenden Jahren verbreitete sich dieser Korridor zum Maßstab in aller Welt.

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