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11. März 2025
Finanzpolitische Wende: Chancen und Risiken für die Märkte
Finanzpolitische Wende: Chancen und Risiken für die Märkte

Finanzpolitische Wende: Chancen und Risiken für die Märkte

In Deutschland könnte es bald eine Wende in der Finanzpolitik geben – wie schwerwiegend sie auch immer sein mag. Das dürfte einiges an frischem Wind in die Kapitalmärkte bringen. Doch welche Chancen und Risiken birgt dies? Und werden die Märkte in Zukunft stärker von der Politik beeinflusst?

Die Neuwahlen befinden sich seit gut zwei Wochen hinter der Nation und die Pläne der (zum aktuellen Zeitpunkt mutmaßlichen) regierungsbildenden Parteien sorgen für viel Diskussion. Die derzeit brennendsten Themen dürften das von Union und SPD vorgeschlagene Sondervermögen für zukünftige Verteidigungsausgaben sowie die Reform der Schuldenbremse sein. Kein Wunder: Die „GroKo“ befindet sich noch nicht im Amt, kündigt aber bereits an, die Verfassung ändern zu wollen. Zum Montagabend verkündeten auch schon die Grünen, dass sie dem Paket von Union und SPD nicht zustimmen werde.

Nichtsdestotrotz: Eine gewisse finanzpolitische Wende in Deutschland ist zum aktuellen Zeitpunkt absehbar, und diese dürfte auch an den Märkten ihre Spuren hinterlassen. Mit dem Thema beschäftigen sich nun auch diverse Kapitalmarktexperten, so z. B. Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income.

Europäische Wirtschaftspolitik am Wendepunkt

Für Neiss markiert jene finanzpolitische Wende in Deutschland einen potenziellen Umbruch in der europäischen Wirtschaftspolitik – einen „Alles-oder-Nichts-Moment“, denn die deutsche Schuldenbremse habe das Wirtschaftswachstum eher gebremst als gefördert. Die Entscheidung, zusätzliche Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben zu finanzieren, signalisiere eine neu entdeckte Bereitschaft, das Wachstum anzukurbeln und strukturelle Herausforderungen anzugehen. Es bestünden Neiss zufolge allerdings nach wie vor erhebliche Risiken, die von Inflationsdruck bis zu Unsicherheiten bei der Umsetzung reichen.

Eine der größten Herausforderungen sei, dass höhere öffentliche Ausgaben nicht automatisch zu einer schnelleren Umsetzung führen würden. In Deutschland scheitern Infrastrukturprojekte oft nicht an fehlenden finanziellen Mitteln, sondern an Bürokratie und Regulierung, so Neiss. Der Erfolg der neuen Strategie hänge von Reformen ab, die Investitionsprozesse straffen – ohne solche Reformen bestehe die Gefahr, dass höhere Ausgaben nur marginalen wirtschaftlichen Nutzen bringen und gleichzeitig die Schuldenlast erhöhen.

Europäischer Ansatz notwendig

Eine weitere wichtige Frage sei, welche Länder der Eurozone dem deutschen Beispiel folgen könnten, ohne ihre finanzielle Stabilität zu gefährden. Frankreich befinde sich derzeit in einer etwas prekären Lage. Wenn die Märkte negativ auf zusätzliche französische Ausgaben reagieren sollten, könnten Neiss zufolge die Kreditkosten weiter steigen. Dies unterstreiche die Notwendigkeit eines koordinierten europäischen Ansatzes, der sicherstelle, dass Investitionen das Wirtschaftswachstum strategisch unterstützen, ohne neue Schuldenkrisen auszulösen.

Der Plan Deutschlands gehe über die reinen Verteidigungsausgaben hinaus. Die Schaffung getrennter Fonds für Verteidigung und Infrastruktur deute auf eine umfassendere wirtschaftliche Vision hin. Denn man könne nicht einfach die Verteidigungsausgaben erhöhen, ohne die Wirtschaft insgesamt zu stärken. Dies deute auf einen strategischen Politikwechsel hin, bei dem Deutschland über eine strikte Haushaltsdisziplin hinausgeht und gezielt Investitionen tätigt, um die langfristige wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit herzustellen.

„Politik bestimmt Richtung an den Finanzmärkten“

Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck, ist außerdem der Meinung, dass die Politik zunehmend die Richtung an den Finanzmärkten bestimme, wie er in einem Kommentar schildert. „Immer mehr Staaten sind bereit, mehr Schulden zu machen und damit mehr Wachstum zu ermöglichen. Mit den neuen deutschen Finanzierungsplänen in Sachen Verteidigung und Infrastruktur wird auch das von der Union angestrebte zweiprozentige Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren deutlich realistischer als bisher. Nach den USA bestimmt nun auch in Europa zunehmend die Politik die Richtung an den Finanzmärkten – mit gleichzeitig zunehmender Volatilität.“ (mki)