Inwiefern haben deine Kunden denn einen speziellen Absicherungsbedarf? Welchen?
Spezieller Absicherungsbedarf ist nicht der Hauptgrund, warum man sich an uns als Berater*in wendet, trotzdem liegt er vor: LGBTQIA+-Personen haben spezifische Bedürfnisse und Herausforderungen im Versicherungsbereich, die aufgrund ihrer Lebenssituation und rechtlichen Rahmenbedingungen besondere Aufmerksamkeit erfordern. Zum Beispiel brauchen Transgender-Personen oft spezifische medizinische Leistungen wie Hormonersatztherapien und geschlechtsangleichende Operationen, die nicht immer von Standardkrankenversicherungen abgedeckt werden. Auch die Arbeitskraftabsicherung nach der Transition ist durch diese spezifischen medizinischen Leistungen unzureichend, weil die Gesundheitsprüfung bei biometrischen Produkten unmöglich wird. Außerdem sind LGBTQIA+-Personen aufgrund von Diskriminierung und gesellschaftlichem Druck häufiger von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen, weshalb eine umfassende psychische Gesundheitsversorgung wichtig ist.
Durch die Diskriminierung, vor allem wenn sie aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erfolgt, kann auch eine entsprechend passende Rechtsschutzversicherung sehr wertvoll sein. Stichwort: Sozialrechtsschutz und Arbeitsrechtsschutz, aber auch der Einspruch bei Ablehnung der Transition sind oft ein Thema.
LGBTQIA+ ist ja auch untereinander sehr divers. Inwiefern unterscheiden sich hier die Bedürfnisse?
Oh, das wird aber nun nicht mehr so versicherungsspezifisch, sondern hier können wir eher sagen, dass die Kund*innen es schätzen, dass wir informiert sind über die Bedürfnisse. Aber gerne greifen wir ein paar auf:
Lesbische Frauen etwa benötigen Zugang zu frauenorientierten Gesundheitsdiensten, einschließlich reproduktiver Gesundheit und Vorsorgeuntersuchungen, die oft auf heterosexuelle Frauen ausgerichtet sind. Und lesbische Paare haben spezifische Bedürfnisse in Bezug auf Elternschaft und Adoption, da rechtliche Hürden bestehen können.
Bei schwulen Männern herrscht wiederum ein erhöhtes Risiko für HIV/AIDS vor, was einen verstärkten Zugang zu Präventionsmaßnahmen und medizinischer Versorgung erforderlich macht. Außerdem erfahren schwule Männer häufig Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft, weshalb umfassender rechtlicher Schutz und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen notwendig sind.
Asexuelle Menschen suchen ihrerseits nach Anerkennung und Sichtbarkeit ihrer Orientierung, denn die wird oft missverstanden oder ignoriert.
Queere Menschen suchen oft nach flexiblen und inklusiven Strukturen, die ihre nicht-binären und nicht-konformen Identitäten respektieren.
Allgemein bzw. über die einzelnen Gruppen hinweg stehen oft der Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung, die die spezifischen Herausforderungen der LGBTQIA+-Gemeinschaft versteht, und Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und in anderen Lebensbereichen im Vordergrund. Auch sollten Bildungseinrichtungen und Arbeitsplätze Programme zur Sensibilisierung und Inklusion implementieren, um Vorurteile abzubauen und eine unterstützende Umgebung zu schaffen.
Der demografische Wandel, also auch die Alterung, betrifft alle – wie wird sich denn deine Zielgruppe und deren Bedarf hier entwickeln?
Mit dem demografischen Wandel wird die Anzahl älterer Menschen, einschließlich älterer LGBTQIA+-Personen, zunehmen. Diese Entwicklung hat verschiedene Auswirkungen auf ihre Bedürfnisse: Ich denke hier an Punkte wie diskriminierungsfreie Pflegeeinrichtungen, soziale Integration durch Community-Bildung und auch politische Unterstützung, welche die Rechte älterer Menschen aus der Community stärkt und gesetzliche Maßnahmen gegen Diskriminierung sicherstellt, sowie grundsätzlich die Sensibilisierung für LGBTQIA+-Themen: Schulungen für Pflegepersonal, Ärzte und soziale Dienstleister*innen, die sich auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen von LGBTQIA+-Senior*innen konzentrieren. Dies umfasst die Schaffung eines respektvollen und informierten Umfelds für ältere LGBTQIA+-Personen.
Hattest du schon die Idee, selbst Produkte für deine Community zu entwickeln?
Ja, gerne würde ich hier mit privaten Krankenversicherungen und auch Anbietern von Arbeitskraftabsicherung in den Austausch gehen. Es gibt viele Ideen, nur den Mangel an Umsetzung oder Interesse.
Inwiefern profitiert die Versicherungsbranche an sich und demografisch von deiner Community?
Dass die Branche ein Imageproblem hat, zeigen ja diverse Initiativen. Hier könnte sie sich inklusiv und innovativ präsentieren. Unser Partner, die Bayerische, macht das bereits an vielen Stellen.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Marie Christina Schröders, Adviris
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