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Bestandsübertragung: Strategie als wertbestimmender Faktor

Im Podcast unterhält sich das Fachmagazin AssCompact mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht, und Dr. Hans-Georg Jenssen, ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim BDVM, über erfolgreiche Strategien bei der Bestandsübertragung. Im Fokus: die Strategie als wertbestimmender Faktor.

Die Übertragung eines Kundenbestandes eines Maklerhauses ist ein komplexer Prozess, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Besonders spannend ist die Frage, wie sich die strategische Ausrichtung eines Maklerhauses auf den Wert seines Bestandes auswirkt. Welche Auswirkungen hat die strategische Ausrichtung auf den Unternehmenswert? Wie beeinflussen Spezialisierung und Kundenfokus den Wert seines Bestandes? Und was bedeuten dabei das Vergütungsmodell sowie die Transparenz darüber?

In dieser Podcast-Episode spricht Dr. Alexander Ströhl, Chefredakteur beim Fachmagazin AssCompact, mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg, und Dr. Hans-Georg Jenssen, Rechtsanwalt und ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V., darüber, wie die strategische Ausrichtung den Wert eines Maklerhauses beeinflusst und an welchen Punkten Inhaber ansetzen können, um den Wert zu optimieren.

Unabhängigkeit als wertbestimmender Faktor

#01:32: Strategische Ausrichtung als Schlüsselfaktor

#05:10: Spezialisierung und Kundenfokus

#09:40: Vergütungsmodell und Transparenz

Sie haben Fragen oder Anregungen rund um diese Episode des AssCompact Podcasts? Dann schreiben Sie uns: podcast@asscompact.de. (as)

Bild: © AssCompact

 

Bestandsübertragung: Vergütung als wertbestimmender Faktor

Im Podcast unterhält sich das Fachmagazin AssCompact mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht, und Dr. Hans-Georg Jenssen, ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim BDVM, über erfolgreiche Strategien bei der Bestandsübertragung. Im Fokus: die Vergütung als wertbestimmender Faktor.

Die Übertragung eines Kundenbestandes eines Maklerhauses ist ein komplexer Prozess, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Besonders spannend ist die Frage, wie sich die Unabhängigkeit eines Maklers auf den Wert seines Bestandes auswirkt. Welche Auswirkungen hat das Vergütungsmodell auf den Unternehmenswert und die Beratungspraxis? Wie beeinflusst die Unabhängigkeit eines Versicherungsmaklers den Wert seines Bestandes? Und was bedeutet Unabhängigkeit in der rechtlichen und praktischen Ausgestaltung?

In dieser Podcast-Episode spricht Dr. Alexander Ströhl, Chefredakteur beim Fachmagazin AssCompact, mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg, und Dr. Hans-Georg Jenssen, Rechtsanwalt und ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V., darüber, wie die Unabhängigkeit von Versicherungsmaklern den Wert ihrer Bestände beeinflusst und welche Auswirkungen die aktuelle Rechtsprechung für die Unabhängigkeit eines Maklerhauses besitzt.

Vergütung als wertbestimmender Faktor

 

#01:25: Die Rolle der Unabhängigkeit im Maklerwesen

#04:33: Einfluss des Vergütungsmodells auf den Unternehmenswert

#10:25: Auswirkungen aktueller Rechtsprechung zur Unabhängigkeit des Maklers

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Ist der Versicherungsmakler noch unabhängig?

In der jüngeren Vergangenheit hatten sich Gerichte mit der Frage beschäftigen müssen, ob und wenn ja unter welchen Umständen ein Versicherungsmakler mit seiner Unabhängigkeit werben darf. Eine Einordnung auf Basis aktueller Gerichtsurteile und ein Blick in die Zukunft: Worauf müssen sich Makler einstellen?

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Das Landgericht (LG) Bremen hatte über einen Fall (vgl. LG Bremen vom 11.07.2023, Az. 9 O 1081/22) zu entscheiden, bei dem ein Versicherungsmakler auf seiner Website als Anlageberater, Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach §§ 34c, 34d und 34f Gewerbeordnung (GewO) sowie dem Angebot bundesweiter und produktunabhängiger Beratung warb. Das LG Köln und nachfolgend das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatten über einen Sachverhalt (LG Köln vom 15.06.2023, Az. 33 O 15/23; OLG Köln, Az. 6 U 103/23) zu entscheiden, bei dem der verklagte Versicherungsmakler auf seiner Website sowohl eine Versicherungsvermittlung als auch eine Versicherungsberatung anbot, ohne aber wohl über die gewerberechtliche Erlaubnis eines Versicherungsberaters zu verfügen.

Das LG Bremen vertrat die Rechtsauffassung, unter Berücksichtigung des sich aus § 94 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ergebenden Rechtsgedankens könne eine „Unabhängigkeit“ nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO nur im Falle des Honorar-Anlageberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden. Nur dieser könne sich auch als unabhängig bezeichnen. Unabhängigkeit aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bedeute, dass der Vermittler nicht in einer vertraglichen Beziehung zu den Anbietern der Anlagen bzw. Versicherungen stehe. Der angesprochene Verkehr von Anlegern habe die Erwartung, dass derjenige, der produktunabhängig bzw. unabhängig berate, dies unabhängig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen der Anbieter erledige.

Das OLG Köln führt in seinem Urteil wiederum aus, der Versicherungsmakler sei zwar im Einzelfall für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter anzusehen und insoweit mit sonstigen Beratern zu vergleichen, generiere sein Einkommen aber in erster Linie über Zahlungen der Versicherer. Er sei „grundsätzlich mit der Versicherungswirtschaft finanziell verflochten“. Der Versicherungsvermittler dürfe sich daher nicht als unabhängiger Berater vorstellen. Wer sich für den Beruf des Versicherungsvermittlers in Form des Versicherungsmaklers entscheide, dürfe nicht auch Leistungen als Versicherungsberater anbieten.

Differenzierungen und Missverständnisse

Dem OLG Köln ist insoweit zuzustimmen, als das in der Gewerbeordnung und § 59 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zum Ausdruck kommende Polarisationsprinzip nicht nur einer Vermischung der Vermittlertypen Ver­sicherungsvertreter/Versicherungsma­kler entgegensteht, sondern auch der Vermischung zwischen einem Versicherungsvermittler einerseits und einem Versicherungsberater andererseits. Auch wenn sich aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 ergibt, dass auch die reine Beratung ohne Vermittlung unter den Begriff der Versicherungsvermittlung fällt, bleibt festzuhalten, dass jedenfalls der deutsche Gesetzgeber zwischen dem Versicherungsvermittler und dem Versicherungsberater in §§ 34d Abs. 1 und 2 GewO, 59 Abs. 1 und Abs. 4 VVG unterscheidet. Vor diesem Hintergrund muss sich der Gewerbetreibende in der Tat auch im Außenverhältnis entscheiden, ob er als Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater tätig sein will, und seine Tätigkeit entsprechend der so getroffenen Entscheidung bewerben.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Versicherungsmakler im Rahmen seiner Tätigkeit auch beratend tätig sein darf bzw. sogar muss und ob er sich als unabhängiger Versicherungsmakler bezeichnen darf.

Hier scheinen das LG Bremen und das OLG Köln die Auffassung zu vertreten, wer auf Courtagebasis vermittle, berate nicht unabhängig. Der Versicherungsmakler sei sogar wirtschaftlich mit der Versicherungswirtschaft „verflochten“, was immer das heißen soll. Dies überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen ist zwischen der Ungebundenheit eines Versicherungsmaklers und dessen Unabhängigkeit zu unterscheiden. Es ist außerdem durchaus diskutabel, ob der Nachfrager von Versicherungsschutz mit dem Begriff der Unabhängigkeit tatsächlich die Vorstellung verbindet, dass der Versicherungsmakler keinerlei Vergütung vom Versicherer erhält, zumal sehr viele Versicherungsmakler ihre Kunden darauf hinweisen, dass sie in Form einer Courtage durch den Versicherer vergütet werden, die wirtschaftlich über die Versicherungsprämie vom Versicherungsnehmer zu zahlen ist.

Auf Basis welcher tatsächlichen Feststellungen die Landgerichte in Bremen und Köln zu der Feststellung gelangt sind, dass der Versicherungsnehmer den Begriff der Unabhängigkeit stets mit der Frage der Vergütung verknüpft und nicht etwa mit der Frage des Gebundenseins an einen oder mehrere Versicherer, bleibt unklar. Wahrscheinlicher ist wohl, dass der Nachfrager von Versicherungsschutz die „Unabhängigkeit“ eher mit einer „Ungebundenheit“ verbindet und für ihn entscheidend ist, ob der Versicherungsvermittler aufgrund vertraglicher Bemühenspflichten durch einen Versicherer gesteuert wird. Auch schwingt bei der Verknüpfung der Vergütungsform mit der „Unabhängigkeit“ immer der nicht offen ausgesprochene Vorwurf mit, der Versicherungsmakler werde sich in seiner Vermittlungsentscheidung primär oder gar ausschließlich von seinem Vergütungsinteresse leiten lassen. Belege hierfür fehlen nach wie vor.

Herausforderungen für Versicherungsmakler

Der Erhalt einer Courtage durch den Versicherer, die wirtschaftlich ohnehin vom Versicherungsnehmer zu tragen ist, steht somit der Unabhängigkeit eines Versicherungsmaklers keineswegs entgegen, wenn dieser tatsächlich ungebunden ist. Gleichwohl werden sich Versicherungsmakler darauf einzustellen haben, dass die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche bei Werbung mit dem Begriff „unabhängig“ auch in Zukunft droht. Es wird vor diesem Hintergrund erforderlich sein, zum einen das eigene Geschäftsmodell daraufhin zu überprüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit auch den gewerberechtlichen Anforderungen standhält, die an den Versicherungsmakler gestellt werden. Zum anderen sollte überprüft werden, ob das Werben mit der Ungebundenheit möglicherweise streitvermeidender ist als das Werben mit der Unabhängigkeit, zumal auch Mehrfachvertreter zum Teil mit ihrer Unabhängigkeit werben.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Jeanette Dietl – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann

Bestandsübertragung: Rechtliche Fallstricke meistern

Im AssCompact Online-Talk unterhält sich das Fachmagazin AssCompact mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht, und Dr. Hans-Georg Jenssen, ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim BDVM, über erfolgreiche Strategien bei der Bestandsübertragung. Im Fokus: die rechtlichen Fallstricke.

So mancher Makler steht vor der Herausforderung, einen geeigneten Käufer für seinen Bestand zu finden. Doch dabei lauern Fallstricke. Will man seinen Bestand oder sein Unternehmen verkaufen? Worin liegt der Unterschied? Und räumlich nahe liegende Maklerhäuser wiederum könnten Verkaufsgerüchte dafür nutzen, bereits im Vorfeld des Verkaufs den Kundenstamm abzuwerben. Doch wie sind diese Fallstricke zu vermeiden? Welche Rolle spielt dabei etwa eine Verschwiegenheitserklärung?

In dieser Podcast-Episode spricht Dr. Alexander Ströhl mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg, und Dr. Hans-Georg Jenssen, Rechtsanwalt und ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V., darüber, welche rechtlichen Fallstricke beim Bestandsverkauf drohen und wie diese handzuhaben sind.

So sind rechtliche Fallstricke zu meistern

#01:22: Verlauf von Bestand oder Unternehmen?

#04:57: Die Verschwiegenheitserklärung

#08:39: Wie wichtig ist die Analyse des eigenen Maklerhauses?

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Haftet Versicherer für Fehlverhalten des Mehrfachvertreters?

Ein Mehrfachvertreter vermittelt wie ein Versicherungsmakler an verschiedene Versicherer, ist aber nicht vom Kunden beauftragt, sondern von den Versicherern, mit denen er Agenturverträge im Sinne einer Handelsvertretung unterhält. Was bedeutet diese rechtliche Sonderstellung im Falle eines Fehlverhaltens beim Mehrfachagenten?

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Ein Versicherungsnehmer ließ sich durch Mitarbeiter eines Mehrfachvertreters beraten, um seine Beitragslast zu reduzieren. Unter anderem verfügte er über zwei Berufsunfähigkeitsversicherungen, wobei die eine bereits seit längerer Zeit lief, während bezüglich der anderen kurz vorher abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung eine Sondervereinbarung abgeschlossen war, die einen Ausschluss für Allergien und daraus resultierenden obstruktiven Erkrankungen und Funktionsstörungen der Atemwege beinhaltete.

Der Inhalt der geführten Beratungsgespräche war streitig. Unstreitig war aber, dass sich die Mitarbeiter des Mehrfachvertreters nicht die Sondervereinbarung zeigen ließen und insoweit auch keine Informationen bei dem Versicherer anforderten. Unter ebenfalls streitigen Umständen wurde die nicht durch einen Risikoausschluss eingeschränkte ältere Berufsunfähigkeitsversicherung gekündigt und dafür eine Grundfähigkeitsversicherung mit dem Versicherer A abgeschlossen.

Der Kläger nahm vor dem Landgericht Leipzig sowohl den Mehrfachvertreter als auch den Versicherer A auf Schadensersatz in Anspruch und vertrat hierzu die Rechtsauffassung, die Mitarbeiter des Mehrfachvertreters hätten ihm nicht raten dürfen, die ältere Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen, weil diese nicht durch einen Risikoausschluss eingeschränkt gewesen sei. Da er unter allergischen Erkrankungen leide, bestehe in seinem Beruf die durchaus naheliegende Möglichkeit einer darauf beruhenden Berufsunfähigkeit. Eine neue Berufsunfähigkeitsversicherung ohne Risikoausschluss könne er nicht mehr abschließen. Auch wenn die Grundfähigkeitsversicherung für ihn günstiger sei, laufe er Gefahr, dass er nicht in den Genuss vormals versicherter Leistungen komme, wenn er aufgrund einer allergischen Erkrankung berufsunfähig werde. Der Versicherer A müsse sich das Fehlverhalten seines Mehrfachvertreters zurechnen lassen.

Phase des Beratungsprozesses ist entscheidend

Das Landgericht Leipzig gab dem Kläger recht. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung des Versicherers A war erfolgreich, denn das Oberlandesgericht Dresden änderte das Urteil des Landgerichts Leipzig ab und wies die gegen den Versicherer gerichtete Klage ab. Damit hat das Oberlandesgericht Dresden durch Urteil vom 07.11.2023 (Az. 4U54/23) entschieden, dass sich ein Versicherer einen Verstoß des Mehrfachvertreters gegen § 61 Versicherungsvertragsgesetz nicht stets zurechnen lassen muss.

In der Anbahnungsphase scheide die Zurechnung eines Fehlver­haltens des Mehrfachvertreters zulasten des Versicherers aus. Erfolge die Pflichtverletzung des Mehrfachvertreters in der Anbahnungsphase, das heißt vor Beginn der Beratung über die von dem Versicherer tatsächlich angebotene Versicherung – hier die Grundfähigkeitsversicherung –, so müsse sich der Versicherer ein Fehlverhalten des Mehrfachvertreters noch nicht zurechnen lassen, weil ein Mehrfachvertreter eben nicht verpflichtet sei, für die mit ihm vertraglich verbundenen Versicherer tätig zu werden. Wenn sich der Mehrfachvertreter in der Anbahnungsphase noch nicht für einen Versicherer entschieden habe, so müsse sich derjenige Versicherer, mit dem dann später ein Versicherungsvertrag abgeschlossen worden sei, ein in dieser Anbahnungsphase verursachtes Fehlverhalten noch nicht zurechnen lassen.

Schlussfolgerungen des Urteils

Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden hat weitreichende Auswirkungen für die Haftung eines Versicherers für das Fehlverhalten eines Mehrfachvertreters, mit dem der Versicherer kooperiert. Während nämlich der Versicherungsmakler treuhänderähnlicher Sachwalter seines Kunden ist, dessen Interessen er wahrzunehmen hat, muss sich der Versicherer grundsätzlich ein Fehlverhalten des von ihm eingesetzten Versicherungsvertreters gem. § 278 Bürgerliches Gesetzbuch zurechnen lassen.

Bei einem Ausschließlichkeitsvertreter, der keine Versicherungsprodukte anderer Versicherer anbietet, ist dies grundsätzlich nachvollziehbar. Etwas anderes gilt aber für das Verhältnis zwischen einem Mehrfachvertreter und den Versicherern, mit denen der Mehrfachvertreter zusammenarbeitet. In der Phase der Risikoerfassung wird sich der Mehrfachvertreter meist noch gar nicht für ein konkretes Versicherungsprodukt entschieden haben. In dieser frühen Phase der Tätigkeit eines Mehrfachvertreters, die das Oberlandesgericht Dresden als „Anbahnungsphase“ bezeichnet, muss sich ein Versicherer das Fehlverhalten eines Mehrfachvertreters in der Tat noch nicht zurechnen lassen, da in dieser frühen Phase der Tätigkeit auch für den Kunden noch gar nicht erkennbar ist, für welchen Versicherer der Mehrfachvertreter tätig werden will. Häufig und so auch im konkreten Fall unterscheidet sich das Tätigwerden des Mehrfachvertreters in der Anbahnungsphase nicht sehr viel von der Tätigkeit eines Versicherungsmaklers, dessen Fehlverhalten sich ein Versicherer ebenfalls nicht zurechnen lassen muss.

Anders sieht es natürlich dann aus, wenn sich die Entscheidung des Mehrfachvertreters schon auf das Versicherungsprodukt eines konkreten Versicherers konkretisiert hat. Das war im konkreten Fall allerdings nicht so, sodass die gegen den Versicherer gerichtete Klage zu Recht abgewiesen wurde. Das aktuelle Urteil des Oberlandesgerichts Dresden zeigt, wie wichtig es ist, bei der Vermittlung eines Versicherungsvertrags durch einen Mehrfachvertreter genau zu klären, worin die behauptete Pflichtverletzung besteht und in welcher Phase des Vermittlungsprozesses sich die Pflichtverletzung ereignet haben soll.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2024 und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann

Wie Makler die Bestandsübertragung meistern: Der Marktplatztest

Im AssCompact Online-Talk unterhält sich das Fachmagazin AssCompact mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht, und Dr. Hans-Georg Jenssen, ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim BDVM, über erfolgreiche Strategien bei der Bestandsübertragung. Im Fokus: der Marktplatztest.

Viele Makler stehen vor der Herausforderung, einen geeigneten Käufer für ihren Bestand zu finden, ohne dabei lokale Wettbewerber auf ihre Verkaufsabsichten aufmerksam zu machen. Eine Schlüsselstrategie in diesem Prozess ist der sogenannte Marktplatztest.

In der ersten Episode spricht Dr. Alexander Ströhl, Chefredakteur beim Fachmagazin AssCompact, mit Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg, und Dr. Hans-Georg Jenssen, Rechtsanwalt und ehemaliger geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V., darüber, wie der Marktplatztest eine erfolgreiche Bestandsübertragung einleiten kann und worauf es dabei zu achten gilt.

Darum ist der Marktplatztest wichtig

03:23: Wieso ist der Marktplatztest notwendig?

08:20: Wie zentral ist die Kommunikation mit den Kunden?

14:44: Wie wichtig ist fachmännischer Rat?

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Sind Einrichtungen einer Gruppenversicherung Vermittler?

Gruppenversicherungen ermöglichen Firmen und Vereinen unkomplizierten Versicherungsschutz für Mitarbeiter und Mitglieder. Doch nach einem Urteil von EuGH und BGH sind Einrichtungen, die solche Policen abschließen, künftig als Vermittler einzustufen.

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat durch aktuelles Urteil vom 15.12.2022 (Az.: I ZR 8/19) klargestellt, dass ein Unternehmen als Versicherungsvermittler im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) einzustufen ist und deshalb einer vermittlerrechtlichen Erlaubnis der zuständigen IHK bedarf, wenn es

  • als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlandsrückholkostenversicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält und
  • gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen und
  • überdies hierfür von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält.
Rechtsstreit weist ein lange Historie auf

Der vom BGH am 15.12.2022 entschiedene Rechtsstreit weist eine lange Historie auf. Das durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände auf Unterlassung in Anspruch genommene Unternehmen beauftragte Werbeunternehmen, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern den Beitritt zu einer Mitgliedergemeinschaft anzubieten. Dieser berechtigte zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland. Hierzu zählten die Erstattung der Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen und Krankentransporte, die Organisation und Durchführung entsprechender Transporte sowie der Betrieb einer telefonisch erreichbaren Alarmzentrale. Die versprochenen Leistungen wurden entweder aus dem Vermögen des verklagten Unternehmens direkt oder über Ansprüche aus einer Gruppenversicherung erbracht, soweit Versicherungsleistungen in Rede standen.

Das verklagte Unternehmen war mit einem anderen Unternehmen vertraglich verbunden, welches mit seinem medizinischen Personal und seinem Fluggerät für das verklagte Unternehmen einen Teil der Versicherungsleistungen sowie die Organisation der rund um die Uhr besetzten Alarmzentrale erbrachte, wofür es seitens des beklagten Unternehmens eine Vergütung erhielt. Das beklagte Unternehmen selbst unterhielt ferner als Versicherungsnehmer eine Gruppenversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft, durch die für ihre Kunden Versicherungsschutz im Rahmen einer Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlandsrückholkostenversicherung gewährt wurde. Über eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung verfügte das verklagte Unternehmen nicht, weil es der Auffassung war, es vermittle als Versicherungsnehmerin einer Gruppenversicherung keine Versicherungsverträge.

Diese rechtliche Einschätzung teilte das Landgericht Koblenz in seinem Urteil vom 26.06.2018 (Az.: 2 HK O 67/17) nicht und gab dem Unterlassungsantrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände recht. Das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) änderte hingegen durch Urteil vom 19.12.2018 (Az.: 9 U 805/18) das Urteil des Landgerichts Koblenz und wies die Klage ab. Der BGH sah die Frage, ob in Konstellationen der beschriebenen Art eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung benötigt werde, als europarechtlich nicht ausreichend geklärt und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) durch Beschluss vom 15.10.2020 die Beantwortung der Frage zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH bejahte das Erfordernis einer Vermittlererlaubnis durch Urteil vom 29.09.2022 (Az.: C 633/20). Vor diesem Hintergrund hob der BGH das Urteil des OLG vom 19.12.2018 auf und wies die Berufung des verklagten Unternehmens zurück.

BGH: Hohes Niveau der Vermittlung muss gewahrt bleiben

Der BGH führt in seinem jüngst veröffentlichten Urteil aus, die in § 34d Abs. 1 S. 1 GewO vorgesehene Eintragungspflicht habe das Ziel sicherzustellen, dass als Versicherungsvermittler nur tätig werde, wer die strengen beruflichen Anforderungen in Bezug auf Sachkompetenz, Leumund, Berufshaftpflichtschutz und finanzielle Leistungsfähigkeit erfülle. Es solle zum einen ein hohes berufliches Niveau der Versicherungsvermittlung und zum anderen der Verbraucherschutz verbessert werden. Hiervon ausgehend hat der BGH für den von ihm zu entscheidenden Fall entschieden, dass in derartigen Fällen auch der Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung Versicherungsvermittler im Sinne des § 34d Abs. 1 S. 1 GewO jedenfalls dann ist, wenn jede Mitgliedschaft eines Kunden des Versicherungsnehmers, der den Gruppenversicherungsvertrag mit dem Versicherer abgeschlossen hat und in diesem Rahmen Versicherungsbeiträge an den Versicherer entrichtet, freiwillig ist und der Versicherungsnehmer für die Zuführung des Kunden von dem Versicherer eine Zahlung erhält.

In diesem Fall trage nämlich der Versicherungsnehmer gegen Erhalt einer Vergütung dazu bei, dass seine Kunden den Versicherungsschutz erlangten, der in dem von dem Versicherungsnehmer mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag vorgesehen ist. Die Aussicht auf diese Vergütung stelle für den Versicherungsnehmer ein eigenes wirtschaftliches Interesse dar, welches sich von dem Interesse der Mitglieder unterscheide und geeignet sei, sie zu veranlassen, angesichts der Freiwilligkeit des Beitritts zu diesem Vertrag auf eine große Zahl von Versicherungsbeitritten hinzuwirken, wovon im Übrigen auch der Rückgriff auf Werbeunternehmen zeuge, die den Vertragsbeitritt im Wege der Haustürwerbung angeboten hatten. Für den BGH war bei dieser Konstellation unerheblich, dass es sich bei dem verklagten Unternehmen als Versicherungsnehmer nicht um eine außerhalb des Versicherungsvertrags stehende Person handelte, da ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Beitritt der Kunden auf möglichst breiter Ebene auch bei dieser Konstellation nicht zu leugnen sei, was wiederum eine erhöhte Schutzbedürftigkeit der Kunden indiziere.

Fazit und Schlussfolgerung

Der BGH hat betont, dass in Fällen dieser Art die Tätigkeit des Versicherungsnehmers mit der zu vergütenden Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers oder eines Versicherungsvertrages vergleichbar sei, sodass der Umstand, dass das verklagte Unternehmen selbst Versicherungsnehmerin des Gruppenversicherungsvertrags sei, keine Bedeutung habe. Damit hat der BGH einen jahrelangen Streit entschieden, bei welcher Konstellation auch der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags Versicherungsvermittler ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags stets als Versicherungsvermittler einzustufen ist.

Sowohl die Entscheidung des EuGH als auch das Urteil des BGH waren durch die Besonderheiten des zu entscheidenden Sachverhalts geprägt, bei dem der Versicherungsnehmer der Gruppenversicherung wie ein Versicherungsvermittler agierte, insbesondere für die Vermittlung der Beitrittserklärungen eine Vergütung erhielt und der Beitritt freiwillig erfolgte. Inwieweit somit die oben skizzierten Gedanken des BGH auf andere Fallkonstellationen übertragen werden können, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bleibt es dabei, dass der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags auch nach dem Urteil des BGH nicht per se die Eigenschaft eines Versicherungsvermittlers hat.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 106 f., und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann

Tritt Berufsunfähigkeit infolge einer Arbeitsplatz-Allergie ein?

Die Vorgesetzten einer Auszubildenden reagierten ihrer Meinung nach auf ihr unterlaufene Fehler unangemessen. Dieses Verhalten soll bei der Auszubildenden psychosomatische Beschwerden und Angstattacken ausgelöst haben. Liegt in diesem Fall eine Berufsunfähigkeit vor?

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Im vorliegenden Fall klagte eine Versicherungsnehmerin, die als Auszubildende zur Steuerfachangestellten berufstätig gewesen ist, auf eine Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Hintergrund des Leistungsantrags waren die aus Sicht der Versicherten unangemessenen Reaktionen ihrer Vorgesetzten auf ihr unterlaufene Fehler. Sie gab an, auf die Überfor­derung mit psychosomatischen Beschwerden und Angstattacken reagiert zu haben, die so weit gegangen seien, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Gebäude zu betreten, in dem sich der Ausbildungs­betrieb befunden habe.

LG spricht BU-Anspruch zu

Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht Kiel (LG) beauf­tragte zur Abklärung der behaupteten Berufsunfähigkeit einen medizinischen Sachverständigen, der angab, die Versicherungsnehmerin sei durchaus in der Lage gewesen, die konkret an sie herangetragenen Tätigkeiten zu erledigen. Zweifelsohne sei sie in der Lage, die Ausbildungstätigkeit in einer beliebigen anderen Steuerkanzlei erledigen zu können; bei einer Fortsetzung der Tätigkeit im Ausbildungsbetrieb werde es hingegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem erneuten Aufflackern der Beschwerden kommen. Diese Feststellung reichte dem LG aus, um der Versicherungsnehmerin die geltend gemachten Ansprüche zuzusprechen.

OLG kassiert Einschätzung des LG

Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) hat durch Urteil vom 25.07.2022 (Az. 16 O 165/21) die Ansprüche der Versicherungsnehmerin wegen behaupteter Berufsunfähigkeit aufgrund einer „Arbeitsplatz-Allergie“ allerdings abgelehnt und die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, der wesentliche Grund für die partielle Erkrankung der Versicherungsnehmerin seien nicht die von ihrer Ausbildungstätigkeit herrührenden Anforderungen, sondern die sozialen Umstände am Arbeitsplatz gewesen. Die Klägerin habe sozusagen eine Arbeitsplatz-Allergie entwickelt, welche aber für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht ausreiche.

Das OLG nahm an, dass die Erkrankung der Versicherungsnehmerin in ihrer Ausprägung wesentlich in den Bedingungen am Arbeitsplatz begründet gewesen sei, sodass praktisch auf der Hand liege, dass sich ihr Zustand mit Abstand dazu rasch bessern würde, was tatsächlich auch der Fall war. Eine Kündigung des Arbeitsplatzes und eine Orientierung auf einen anderen Ausbildungsplatz seien in derartigen Fällen die probaten und zumutbaren Mittel für die Wiederherstellung der Berufsfähigkeit.

Das Urteil ist bemerkenswert, weil das OLG zwar einerseits wie regelmäßig üblich auf den konkret zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf bei der Prüfung, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt, abstellt, andererseits aber zwischen den konkreten Anforderungen an den Arbeitnehmer einerseits und persönlichen Verhaltensweisen von Vorgesetzten und Kollegen andererseits differenziert. Das OLG hat eine Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Fazit: In der Sache selbst ist das Urteil des OLG überzeugend

Gegen diese Entscheidung hat die Versicherungsnehmerin Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt, sodass abzuwarten bleibt, ob sich der BGH der Rechtsauffassung des OLG anschließen wird.

In der Sache selbst ist das Urteil des OLG überzeugend, denn wenn der Auszubildende durch einen schlichten Wechsel des Ausbildungsbetriebs seine volle Einsatzfähigkeit wiederherstellen kann, gibt es an sich keinen Grund, dem Versicherungsnehmer weitere Leistungen zuzusprechen, weil seine Berufsunfähigkeit weniger auf Krankheit, sondern eher auf Untätigkeit, nämlich mangelndem Wechselwillen, beruht. Auch ist stets zu beachten, dass nicht das Mobbing selbst, sondern nur eine dadurch entstehende Gesundheitsbeeinträchtigung eine versicherte Ursache für Berufsunfähigkeit sein kann.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2022, S. 126, und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann

Wohngebäudeversicherung: Welche Obliegenheiten gelten?

Leitungswasserschäden in Wohngebäuden verursachen rasch enorme Folgeschäden. Doch welche Obliegenheiten gelten für einen Versicherungsnehmer bei der Wartung der Wasserleitungen? Und welche Transparenzkriterien in Wohngebäudepolicen gelten wiederum für die Versicherer?

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) hatte durch Beschluss vom 18.05.2017 (Az. 16 U 14/17) unter anderem über die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Versicherungsbedingungen zu entscheiden, die einem Wohngebäudeversicherungsvertrag zugrunde lagen. Die Klausel sah eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers vor, die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu erfüllen. Vergleichbare Klauseln sind in der Wohngebäudeversicherung auch heute noch weit verbreitet.

Regelmäßige Wartung des Rücklaufventils

Nachdem die Versicherungsnehmer aus dem Winterurlaub zurückkehrten, stellten sie einen Leitungswasserschaden im Hauswirtschaftsraum des Erdgeschosses fest. Aus einem Rücklaufventil hinter einer Wasseruhr war Leitungswasser ausgetreten und in den Fußboden und in die Wände eingedrungen. Die Versicherungsnehmer meldeten den Schaden dem Versicherer, der eine vollständige Schadenregulierung mit der Begründung ablehnte, die Kläger hätten Sicherheitsvorschriften nicht erfüllt. Als Gebäudeeigentümer seien sie zur jährlichen Wartung des Rücklaufventils verpflichtet, sodass bei Durchführung der Wartungsarbeiten dessen fehlerhafte Installation ohne einen Trichter für das austretende Wasser aufgefallen wäre. Der Versicherer wendete ein, für die Ableitung des Tropfwassers des sogenannten Systemtrenners sei der Einbau eines Trichters erforderlich gewesen. Denn aus der DIN EN 806–5 folge, dass ein Rückflussverhinderer einer jährlichen Inspektion unterzogen und alle zehn Jahre ausgetauscht werden müsse. Ohnehin habe den Klägern auffallen müssen, dass die Entsorgung des Tropfwassers über den Bodenabfluss des Hauswirtschaftsraums keine fachgerechte Installation gewesen sei. Die Untätigkeit der Versicherungsnehmer stelle ein grob fahrlässiges Verhalten dar, welches eine 30%-ige Leistungskürzung rechtfertige.

LG: Klausel muss wirtschaftliche Belastungen erkennen lassen

Die Versicherungsnehmer verfolgten ihre Ansprüche zunächst vor dem Landgericht Flensburg (LG). Das LG vertrat die Auffassung, die von dem Versicherer in Anspruch genommene Klausel sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unangemessen und damit unwirksam. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 3 BGB sei der Verwender allge­meiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners nach Treu und Glauben möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Bestandteil dieses Transparenzgebots sei auch, dass eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen müsse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Zwar seien Verweise auf andere Rechtsnormen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts Ungewöhnliches und eine Präzisierung der Verweisung auf gesetzliche Vorschriften begründe regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Intransparent sei eine Klausel aber dann, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließen lasse (so schon Bundesgerichtshof (BGH) NJW 2014, 924 und BGH NJW-RR 2010, 99). Dies sei bei der durch den Versicherer in Anspruch genommenen Klausel der Fall, denn diese weise keinen eigenständigen Regelungsgehalt auf, sondern beinhalte lediglich eine dynamische Verweisung auf andere gesetzliche, behördliche und vertraglich vereinbarte Sicherheitsvorschriften, die noch nicht einmal konkret bezeichnet worden seien. In dieser Form sei die Klausel intransparent und daher unwirksam. Das LG Flensburg hat im Rahmen seiner weiteren Ausführungen mit näherer Begründung zusätzlich ausgeführt, dass ohnehin ein Obliegenheitsverstoß der Versicherungsnehmer bei unterstellter Wirksamkeit der Klausel nicht gegeben sei.

OLG bestätigt Rechtsauffassung

Diese Rechtsauffassung hat das OLG Schleswig in einem Beschluss vom 18.05.2017 (Az. 16 U 14/17) geteilt und den Versicherer darauf hingewiesen, dass seine gegen das Urteil des LG Flensburg vom 26.01.2017 (Az. 4 O 177/17) eingelegte Berufung offensichtlich unbegründet sei. Das OLG Schleswig betont in seinem Beschluss, dass die hier zu prüfende Klausel keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweise, sondern der Versicherungsnehmer erst durch Nachforschung in Erfahrung bringen müsse, welches Verhalten ihm denn abverlangt werde. Da das LG Flensburg und ihm folgend das OLG Schleswig einen eigenständigen Regelungsgehalt der Klausel verneinten, war diese aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nichtig und folglich unwirksam.

Die Auffassung des OLG Schleswig überzeugt. Wenn ein Versicherungsnehmer den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen nicht entnehmen kann, was er tun muss, um eine Obliegenheit zu erfüllen, so kann aus einem Verstoß gegen eine solche Obliegenheit auch kein Leistungskürzungsrecht hergeleitet werden. Dies gilt insbesondere, wenn zusätzlich berücksichtigt wird, dass sich die auch nur pauschal benannten Sicherheitsvorschriften während der Laufzeit eines Versicherungsvertrags ändern können. Umso erstaunlicher ist es, dass die durch das OLG Schleswig überprüfte Obliegenheit, die in ähnlicher Form Bestandteil vieler Versicherungsverträge ist, weit überwiegend in der Literatur nicht beanstandet worden ist. Leider hat das OLG Schleswig in seinem Beschluss die Chance verpasst, sich kritisch mit der wohl überwiegenden abweichenden Meinung in der Literatur auseinanderzusetzen.

OLG-Beschluss bietet Argumentationshilfe

Der BGH musste sich mit der vom OLG Schleswig entschiedenen Rechtsfrage allerdings nicht mehr beschäftigen, weil der Versicherer die Berufung nach dem Hinweis des OLG Schleswig zurücknahm. Da allerdings in vielen Gebäudeversicherungsverträgen ähnliche Klauseln enthalten sind, gibt der Beschluss des OLG Schleswig bemerkenswerte Argumentationshilfen. So hat der BGH in seinem Urteil vom 14.08.2019 (Az. IV ZR 279/17) die Schadenminderungsklausel des § 17 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. bb der allgemeinen Bedingungen für Rechtsschutzversicherungen 2010 (ARB) für intransparent erklärt, weil der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer nicht erkennen könne, welches konkrete Verhalten von ihm verlangt werde, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Der BGH führt aus, es sei dem Versicherungsnehmer unmöglich zu erkennen, welche Tatbestände Kosten auslösten, wie hoch die Kosten seien und wie er sein Rechtsschutzziel auf kostengünstigere Weise erreiche.

Ferner müsse er in seine Überlegung alternative Vorgehensweisen einbeziehen und deren jeweilige Auswirkung in rechtlicher Hinsicht bewerten und gegeneinander abwägen, um beurteilen zu können, ob sich mit einer kostengünstigeren Vorgehensweise das angestrebte Rechtsschutzziel erreichen lasse oder ob das höhere Kosten auslösende Vorgehen derart gewichtige Vorteile biete, dass ihn der Versicherer ohne unwillige Beeinträchtigung seiner Interessen nicht auf die kostengünstigere Alternative verweisen könne. Diese Gedanken entsprechen den Bewertungen des OLG Schleswig, sodass nicht ausgeschlossen sein dürfte, dass der BGH die Entscheidung des OLG Schleswig bestätigt hätte.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 112 f., und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann

Muss Versicherer merkantile Wertminderung ersetzen?

Ein Versicherer hatte nach einer Überschwemmung sämtliche Wiederherstellungsarbeiten an einem Wohngebäude übernommen. Der Versicherungsnehmer forderte zusätzlich Ausgleich für die merkantile Wertminderung. Wie entschied das Gericht? Und weshalb ist das Urteil umstritten? Das erklärt Dr. Frank Baumann.

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Das Landgericht München II hatte durch Urteil vom 06.11.2021 (Az.: 10 O 5471/19) über die Folgen einer Überschwemmung zu entscheiden. Ein von einem Überschwemmungsschaden betroffener Versicherungsnehmer unterhielt bei einem Versicherer eine Wohngebäudeversicherung. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Wohngebäudeversicherung Stand: 02/2015 (VGB 2015) zugrunde. § 13 Nr. 1 der VGB 2015 enthielt die folgende Regelung:

„1. Neuwert- und Neuwertversicherung

a) Der Versicherer ersetzt [...]

bb) bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch den Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalls.“

Versicherer reguliert vollumfänglich

Das Haus des Versicherungsnehmers wurde bei einer Überschwemmung erheblich beschädigt. Die Wiederherstellungsarbeiten und Reparaturen konnten abgeschlossen werden. Der Versicherer regulierte die diesbezüglichen Kosten vollumfänglich.

Ausgleich für merkantile Wertminderung?

Hiermit war der Versicherungsnehmer jedoch nicht zufrieden, sondern vertrat die Rechtsauffassung, an dem versicherten Objekt sei aufgrund der Überschwemmung eine Wertminderung in Höhe von 42.000 Euro eingetreten, die selbst bei durchgeführter Reparatur nicht ausgeglichen werde. Der Versicherer vertrat hierzu die Auffassung, nach durchgeführter Reparatur verbleibe keine technische Wertminderung an dem streitgegenständlichen Objekt. Eine etwaige merkantile Wertminderung sei nicht versichert.

Landgericht entscheidet zugunsten des Versicherers

Das Landgericht München II gab dem Versicherer Recht. Schon nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Klausel sei eine merkantile Wertminderung nicht zu ersetzen. Bereits das OLG Düsseldorf habe in seinem Urteil vom 03.08.1993 (AZ: 4 U 243/92) entschieden, dass ein bloßes Affektionsinteresse nicht versichert sei.

Rechtliche Einordnung

Es ist durchaus zweifelhaft, ob sich schon aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Klausel ergibt, dass der Versicherer eine merkantile Wertminderung nicht zu ersetzen hat, differenziert doch die durch das Landgericht München II überprüfte Klausel nicht zwischen einer technischen und merkantilen Wertminderung. Allein die Bezugnahme auf den Halbsatz „[…] zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung“ hilft hier nicht weiter, weil eben durchaus auch Fälle denkbar sind, bei denen zwar eine fachgerechte Reparatur des Überschwemmungsschadens vorliegt, aber gleichwohl eine merkantile Wertminderung verbleibt. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist, ob der Versicherer, wenn er wie hier den vollen Neuwert ersetzt, darüber hinaus eine merkantile Wertminderung zu ersetzen hat. Eine solche Verpflichtung lässt sich jedenfalls der hier geprüften Klausel nicht entnehmen, sodass dem landgerichtlichen Urteil zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zuzustimmen ist.

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Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann