Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg
Das Landgericht München II hatte durch Urteil vom 06.11.2021 (Az.: 10 O 5471/19) über die Folgen einer Überschwemmung zu entscheiden. Ein von einem Überschwemmungsschaden betroffener Versicherungsnehmer unterhielt bei einem Versicherer eine Wohngebäudeversicherung. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Wohngebäudeversicherung Stand: 02/2015 (VGB 2015) zugrunde. § 13 Nr. 1 der VGB 2015 enthielt die folgende Regelung:
„1. Neuwert- und Neuwertversicherung
a) Der Versicherer ersetzt [...]
bb) bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch den Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalls.“
Versicherer reguliert vollumfänglich
Das Haus des Versicherungsnehmers wurde bei einer Überschwemmung erheblich beschädigt. Die Wiederherstellungsarbeiten und Reparaturen konnten abgeschlossen werden. Der Versicherer regulierte die diesbezüglichen Kosten vollumfänglich.
Ausgleich für merkantile Wertminderung?
Hiermit war der Versicherungsnehmer jedoch nicht zufrieden, sondern vertrat die Rechtsauffassung, an dem versicherten Objekt sei aufgrund der Überschwemmung eine Wertminderung in Höhe von 42.000 Euro eingetreten, die selbst bei durchgeführter Reparatur nicht ausgeglichen werde. Der Versicherer vertrat hierzu die Auffassung, nach durchgeführter Reparatur verbleibe keine technische Wertminderung an dem streitgegenständlichen Objekt. Eine etwaige merkantile Wertminderung sei nicht versichert.
Landgericht entscheidet zugunsten des Versicherers
Das Landgericht München II gab dem Versicherer Recht. Schon nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Klausel sei eine merkantile Wertminderung nicht zu ersetzen. Bereits das OLG Düsseldorf habe in seinem Urteil vom 03.08.1993 (AZ: 4 U 243/92) entschieden, dass ein bloßes Affektionsinteresse nicht versichert sei.
Rechtliche Einordnung
Es ist durchaus zweifelhaft, ob sich schon aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Klausel ergibt, dass der Versicherer eine merkantile Wertminderung nicht zu ersetzen hat, differenziert doch die durch das Landgericht München II überprüfte Klausel nicht zwischen einer technischen und merkantilen Wertminderung. Allein die Bezugnahme auf den Halbsatz „[…] zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung“ hilft hier nicht weiter, weil eben durchaus auch Fälle denkbar sind, bei denen zwar eine fachgerechte Reparatur des Überschwemmungsschadens vorliegt, aber gleichwohl eine merkantile Wertminderung verbleibt. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist, ob der Versicherer, wenn er wie hier den vollen Neuwert ersetzt, darüber hinaus eine merkantile Wertminderung zu ersetzen hat. Eine solche Verpflichtung lässt sich jedenfalls der hier geprüften Klausel nicht entnehmen, sodass dem landgerichtlichen Urteil zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zuzustimmen ist.
Bild oben: © Дмитрий Майер – stock.adobe.com
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