Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat durch aktuelles Urteil vom 15.12.2022 (Az.: I ZR 8/19) klargestellt, dass ein Unternehmen als Versicherungsvermittler im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) einzustufen ist und deshalb einer vermittlerrechtlichen Erlaubnis der zuständigen IHK bedarf, wenn es
- als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlandsrückholkostenversicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält und
- gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen und
- überdies hierfür von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält.
Rechtsstreit weist ein lange Historie auf
Der vom BGH am 15.12.2022 entschiedene Rechtsstreit weist eine lange Historie auf. Das durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände auf Unterlassung in Anspruch genommene Unternehmen beauftragte Werbeunternehmen, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern den Beitritt zu einer Mitgliedergemeinschaft anzubieten. Dieser berechtigte zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland. Hierzu zählten die Erstattung der Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen und Krankentransporte, die Organisation und Durchführung entsprechender Transporte sowie der Betrieb einer telefonisch erreichbaren Alarmzentrale. Die versprochenen Leistungen wurden entweder aus dem Vermögen des verklagten Unternehmens direkt oder über Ansprüche aus einer Gruppenversicherung erbracht, soweit Versicherungsleistungen in Rede standen.
Das verklagte Unternehmen war mit einem anderen Unternehmen vertraglich verbunden, welches mit seinem medizinischen Personal und seinem Fluggerät für das verklagte Unternehmen einen Teil der Versicherungsleistungen sowie die Organisation der rund um die Uhr besetzten Alarmzentrale erbrachte, wofür es seitens des beklagten Unternehmens eine Vergütung erhielt. Das beklagte Unternehmen selbst unterhielt ferner als Versicherungsnehmer eine Gruppenversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft, durch die für ihre Kunden Versicherungsschutz im Rahmen einer Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlandsrückholkostenversicherung gewährt wurde. Über eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung verfügte das verklagte Unternehmen nicht, weil es der Auffassung war, es vermittle als Versicherungsnehmerin einer Gruppenversicherung keine Versicherungsverträge.
Diese rechtliche Einschätzung teilte das Landgericht Koblenz in seinem Urteil vom 26.06.2018 (Az.: 2 HK O 67/17) nicht und gab dem Unterlassungsantrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände recht. Das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) änderte hingegen durch Urteil vom 19.12.2018 (Az.: 9 U 805/18) das Urteil des Landgerichts Koblenz und wies die Klage ab. Der BGH sah die Frage, ob in Konstellationen der beschriebenen Art eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung benötigt werde, als europarechtlich nicht ausreichend geklärt und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) durch Beschluss vom 15.10.2020 die Beantwortung der Frage zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH bejahte das Erfordernis einer Vermittlererlaubnis durch Urteil vom 29.09.2022 (Az.: C 633/20). Vor diesem Hintergrund hob der BGH das Urteil des OLG vom 19.12.2018 auf und wies die Berufung des verklagten Unternehmens zurück.
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