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4. August 2015
„Ohne eine Versicherung wie Gold durch solche Zeiten zu gehen, ist unverantwortlich“

„Ohne eine Versicherung wie Gold durch solche Zeiten zu gehen, ist unverantwortlich“

Der Goldpreis ist in den vergangenen Tagen noch einmal massiv unter Druck geraten. Zahlreiche Experten haben daraufhin den Abgesang auf das Edelmetall angestimmt. Sind die goldenen Zeiten wirklich vorbei? Oder war der Kursrutsch doch eher auf Manipulationen zurückzuführen? Nachgefragt bei Robert Hartmann, Geschäftsführer von pro aurum.

Herr Hartmann, Analysten und Medien haben derzeit den Abgesang auf Gold eingeläutet. Zu Recht?

Wenn man sich die Preisentwicklung anschaut, ist die Reaktion der Medien ganz normal. Die Kurse machen nun mal die Nachrichten und nicht umgekehrt. 2010 und 2011 lauteten die Schlagzeilen „Goldrun“ und „Goldrush“ – und jetzt passiert genau das Gegenteil. Interessanterweise treten solche extremen Stimmungsausbrüche oft an besonderen Wendepunkten auf. Viel schlechter als jetzt kann die Stimmung aber nicht mehr werden. Eine derartige Kapitulation ist eine gute Voraussetzung für eine Bodenbildung. Eine ähnliche Stimmung herrschte zum Beispiel auch 2009 an den Aktienmärkten. Und schauen Sie sich an, was seit 2009 bei den wichtigsten Aktienindizes passiert ist.

Bei Privatanlegern sehen wir eine solche Kapitulation allerdings nicht. Einen dramatischen Abverkauf von physischem Gold wie Ende der Neunzigerjahre können wir mitnichten feststellen. 80 bis 85% unserer Kunden kommen zu uns, weil sie angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre ein mulmiges Gefühl haben. Sie wollen einen Teil ihrer Ersparnisse in einem unabhängigen Investment platzieren, das nicht beliebig vermehrbar ist, wie das zum Beispiel bei Anleihen oder Papiergeld der Fall ist. In der Regel investieren sie zwischen 15 und 20% ihres liquiden Anlagevermögens. Daran ändert der Kursrückgang nichts.

Einige Experten vermuten hinter dem Kurssturz eine erneute Marktmanipulation. Wie ist Ihre Meinung?

In einer Marktphase der Kapitulation ist das vermutlich normal. Es wird ein Vielfaches an Futures, Optionen oder auch ETFs am Markt gehandelt als an Barren oder Münzen. Das Papier dominiert aktuell das Physische. Große Marktteilnehmer sehen zudem das Orderbuch und welche Chartmarken wichtig sind. Dank ihrer Finanzstärke können sie gerade an umsatzschwachen Tageszeiten den Preis dahin drücken, wo sie ihn haben wollen. Das ist aber nichts Neues, das gibt es an anderen Märkten genauso. Früher oder später wird der Markt das wieder richten. Geht der Preis zu weit nach unten, verstärkt sich die physische Nachfrage und es kommt zum Mangel. Die Notierung steigt und die Leerverkäufer müssen ihre Shortpositionen wieder eindecken.

Wo läge in einem normalen Markt der faire Wert des Goldes?

Ich orientiere mich dabei unter anderem an den Produktionskosten. Ein Gros des Goldes wird zwischen 950 und 1.100 US-Dollar je Feinunze produziert. Natürlich kann der Preis temporär auch unter dieses Niveau fallen, aber nicht nachhaltig. Würde das passieren, müssten die Minen ihre Kosten weiter drücken, was kurzfristig nur ganz schwer möglich ist. Also würden sie in diesem Fall die Förderung reduzieren und damit das Angebot senken, was wiederum zu steigenden Preisen führt.

Experten verweisen darauf, dass sich die Rahmenbedingungen insgesamt verschlechtert haben. Sehen Sie das auch so?

Als Hauptargumente für weiter fallende Goldpreise hören wir jetzt vor allem die bevorstehenden Zinsanhebungen in den USA und den steigenden US-Dollar. Das alles hatten wir in den Jahren 1999 bis 2011 auch. Trotzdem ist der Goldpreis in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen. Die aktuelle Malaise muss also andere Gründe haben. Ich denke, der Hauptgrund ist einfach das schier unerschütterliche Vertrauen der Anleger in die Verantwortlichen bei den Notenbanken. Sobald der Markt begreift, dass die Zentralbanker am langen Ende auch nicht zaubern können und die Gewissheit eintritt, dass der Aufschwung der letzten Jahre vor allem mit neuen Schulden bezahlt wurde, werden die Investoren wieder in Edelmetalle umschichten.

Leidet Gold als potenzieller Inflationsschutz darunter, dass Inflation derzeit gefühlt kein Thema ist?

Die entscheidende Frage ist zunächst, ob man Gold eher als Rohstoff oder als Währung sieht. Wir sehen Gold als Währung. Wenn immer mehr Dollar, Euro, Yen oder Renminbi gedruckt werden, wäre es daher logisch, dass der Goldpreis das in Form von steigenden Preisen auffängt. Der Markt jedoch sieht Gold aktuell eher als Rohstoff, was sich aber schnell ändern kann.

Welche Rolle spielen die Zentralbanken?

Das Experiment der Zentralbanken haben wir so bisher noch nie gesehen. Sollte das Gelddrucken anhalten, wird auch die Inflation irgendwann kommen. Auch die Notenbanken wollen Inflation. Ich bezweifle aber, dass sie in der Lage sein werden, die Inflation exakt beim angestrebten Ziel von 2% zu halten, wenn diese wieder anzieht. Sie tun sich ja jetzt schon schwer mit der Zinswende, in den USA wurde sie bereits ein paar Mal verschoben. Auch dass Sparer auf klassischen Konten real – also nach Abzug der Inflation – Geld verlieren, ist kein Zustand, der sehr lange anhalten kann. Ohne eine Versicherung, wie es bei Gold der Fall ist, durch solche Zeiten zu gehen, halte ich für unverantwortlich. Es geht ausdrücklich nicht darum, das gesamte liquide Vermögen in Edelmetalle umzuschichten. Nur wer streut, rutscht nicht. Wer 15 bis 20% in Gold investiert, hat schließlich immer noch 80 bis 85% in anderen Anlagen.

Ist es nicht so, dass Goldkäufer aktuell ins fallende Messer greifen?

In Phasen, in denen in den Medien über eine Anlageklasse nur negativ berichtet wird, schaffen es nur die allerwenigsten, zuzugreifen. Das ist ganz klassische Marktpsychologie, die in der Regel von Angst und Gier bestimmt wird. Dabei bekommt man durch den Preisrückgang von über 40% heute deutlich mehr Edelmetalle als noch 2011. Tritt der „Versicherungsfall“ ein, dann ist es aber nicht sehr relevant, ob man bei 1.000, 1.100 oder 1.200 Dollar gekauft hat. Edelmetalle sind eine langfristige Versicherung.

Wie sollte man in Gold anlegen. Physisch oder in Papierform?

Sowohl als auch. Einen Grundstock würde ich mit Barren oder Münzen aufbauen. Wenn man physisches Gold nur aus kurzfristigen Performancegründen mit einem Anlagehorizont unter einem Jahr kauft, ist man falsch gewickelt. Für die kurzfristige Spekulation gibt es börsennotierte Papiere. Hier sind die Nebenkosten beim Erwerb geringer. Eines gilt es aber in jedem Fall zu bedenken: Ein ETF im Portfolio nützt mir wenig, wenn – wie zuletzt in Griechenland oder nach den Terroranschlägen in New York – die Börsen geraume Zeit geschlossen sind und somit ein Handel dieser Papiere nicht möglich ist. Physisches Gold ist dagegen immer liquide und daher bestens als eiserne Notfallreserve geeignet. (mh)