Ein Provisionsdeckel im Bereich der Lebensversicherung ist sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich unzulässig. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuell vorgelegte Gutachten der Rechtsexperten Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski.
Provisionsdeckel verstößt gegen Berufsausübungsfreiheit
Kritik an der Zulässigkeit eines Provisionsdeckels, wie ihn der Evaluierungsbericht des Bundesfinanzministeriums zum Lebensversicherungsreformgesetz vorsieht, gibt es seit der Veröffentlichung des Berichts Mitte 2018. Die von den Verbänden in Auftrag gegegebenen Rechtsgutachten der branchenbekannten Rechtsexperten untermauern diese Kritik. Ein gesetzlicher Provisionsdeckel würde sowohl gegen die Berufsausübungs- als auch gegen die Dienstleistungsfreiheit, die in den Grundrechten sowie im Europarecht verankert ist, verstoßen, lautet die Kernaussage.
Schwintowski: „IDD würde einen Provisionsdeckel verbieten“
Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski nimmt in seinem Gutachten den Provisionsdeckel auch vor dem Hintergrund der Vermittlerrichtlinie IDD unter die Lupe. Er stellt dabei nicht nur fest, dass die IDD keinerlei Regelungen enthält, die die Deckelung von Vertriebsentgelten rechtfertigen würden, sondern kommt auch zu dem Schluss, die IDD würde einen Provisionsdeckel sogar verbieten, „weil damit die Informationsintransparenz auf Versicherungs- und Vermittlermärkte zunehmen würde.“ Damit würde die Qualität insgesamt leiden. Dies sei „verbraucherschädlich“.
Provisionsdeckel schränkt Produktgestaltungsfreiheit der Versicherer ein
Weiterhin vertritt er in seinem Gutachten die These, ein Provisionsdeckel sei nicht mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Es gibt in seinen Augen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Allgemeininteresse für einen Provisionsdeckel so groß wäre, dass eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sei. Vielmehr würde der Provisionsdeckel „gegen zwingende Allgemeininteressen verstoßen, da er in die Produktgestaltungsfreiheit der Versicherer ohne Sachgrund eingreifen (…) und zugleich eine Qualitätsabwärtsspirale (…) auch bei den Vermittlern auslösen würde“.
Schwintowski sieht hier auch das System des freien unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt gefährdet: „Durch einen solchen Provisionsdeckel würde der Wettbewerb zwischen den Lebensversicherungsunternehmen im Binnenmarkt erheblich eingeschränkt und der Wettbewerb auf den Vermittlermärkten in der Lebensversicherung quasi zum Erliegen kommen. Einen wie auch immer gearteten Sachgrund für eine solche massive Preisregulierung, wie sie etwa in den Märkten für Energie- oder Wassernetze üblich ist, ist nicht erkennbar.“
Provisionsdeckel verfassungswidrig?
Staatsrechtswissenschaftler und ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier untersucht den geplanten Provisionsdeckel unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Er konstatiert, dass er „einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Versicherungsunternehmer und der Versicherungsvermittler aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz darstellen“ würde. Ähnlich wie in Schwintowskis Argumentation gibt es nach seinem Dafürhalten keine „verfassungslegitimen Gründe des gemeinen Wohls“, die einen solchen Eingriff rechtfertigen würden. Papier folgert im Gutachten: „Der Gesetzgeber überschritte seinen von der Verfassung eingeräumten Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielraum, wenn er solche Gründe und deren Voraussetzungen ohne jede tatsächliche Fundierung unterstellte.“
Weiter bemängelt er mit Blick auf die ungleichen Beratungs- und Vertriebswege sowie den unterschiedlichen Beratungsaufwand bei bestimmten Produkten, dass diese durch den Provisionsdeckel undifferenziert in einen Topf geworfen würden.
Papier: Provisionsdeckel ist willkürlicher Aktionismus des Gesetzgebers
Papier berücksichtigt in seinem Gutachten auch die Stellungnahmen der Bundesregierung zur Finanzstabilität der Lebensversicherungsgesellschaften. Er folgert: „Bei dieser Sachlage erscheint ein gesetzlich eingeführter Provisionsdeckel unabhängig von der letztlich gewählten Höhe als willkürlicher gesetzgeberischer Aktionismus. Das gesetzgeberische Ziel einer weiteren Senkung der Vertriebskosten kann somit einen normativen Provisionsdeckel und den damit verbundenen Eingriff in die berufsspezifische Vertragsfreiheit der Vermittler nicht legitimieren.“
LVRG: Vermittlerverbände wollen Ergebnisse politisch einbringen
Die Gutachten wurden auf Veranlassung der Vermittler-Berufsverbände Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V. und VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V. sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler BFV erstellt. Die Ergebnisse wollen die Verbände bei politischen Gesprächen im Zusammenhang mit dem LVRG einbringen. Die Vorstände Norman Wirth, Martin Klein und Erwin Hausen erklärten, der vom Bundesfinanzministerium angedachte Provisionsdeckel gefährde den Berufsstand der Versicherungsvermittler, führe zu weniger Beratung und erschwere Verbrauchern den Zugang zur notwendigen Versicherungs- und Finanzberatung. (tos)
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