Nach dem Urteil des Münchener OLG gegen Check24 musste das Vergleichsportal einige Änderungen auf seinen Webseiten vornehmen, die nun im Umkehrschluss auch die gesamte Branche betreffen. Die Urteilsbegründung fiel damals recht ausführlich aus. Worum geht es ganz konkret?
Bei dem Check24-Urteil ging es zum einen um die nicht erfolgte persönliche Beratung des Verbrauchers im Zuge des digitalen Vertragsabschlusses und zum anderen darum, dass auf der Plattform die Erstinformation nur in sehr rudimentärem Maße bereitgestellt wurde. Diese zwei Dinge haben dem Gericht nicht ausgereicht. In der Urteilsbegründung wurden dann auch klare Regeln geschaffen, nach denen ein digitaler Vermittlungsprozess abzulaufen hat, und wie sich ein digitaler Makler wie Check24 gegenüber Kunden im Internet darstellen muss.
Ist das Urteil in gewisser Hinsicht auch ein Boomerang für die Branche?
Das kann man sicherlich so sehen. Aus rechtlicher Sicht teile ich die Auffassung des Gerichts, dass es bei Check24 Nachbesserungsbedarf gegeben hat. Vor den Anpassungen auf der Website war es sicherlich nicht jedem Kunden klar, dass er seinen Vertragsabschluss mit einem Online-Makler tätigte und für diese Dienstleistung auch eine Provision an Check24 geflossen ist. Auch das nachträgliche Übersenden der Erstinformation per E-Mail nach Vertragsabschluss reichte nicht aus. Viele Kunden werden vermutet haben, dass es sich um ein reines Vergleichsportal gehandelt habe.
Das ist nun durch die Nachbesserungen für die Kunden deutlich transparenter geworden. Ob es aber aus der Sicht des Einzelmaklers positiv war, diese Auseinandersetzung mit Check24 so publik und vor Gericht durchzuführen, das kann man sicher kritisch sehen. Hier hätte man sich vermutlich auch außergerichtlich am runden Tisch einigen können.
Spielt in dem Kontext auch die IDD eine Rolle?
Nur mittelbar. Das Check24-Urteil ist zunächst einmal ein Einzelurteil und wurde noch auf der Grundlage des „alten Rechts“ gesprochen, also vor Inkrafttreten der IDD. Aus der IDD und der Versicherungsvermittlungsverordnung, die in diesem Jahr ja noch novelliert wird, ergibt sich allerdings ein gewisser Anpassungsbedarf für die Erstinformation. Mit dem Urteil hat das jedoch nichts zu tun und ist ohnehin rechtlich bindend.
Entsteht aus Ihrer Sicht für den Verbraucher durch diese neue Regulierung überhaupt ein Mehrwert?
In Sachen Transparenz absolut. Indem Check24 und im Nachgang auch andere digitale Makler ihren rechtlichen Status und das Vergütungsmodell dem Kunden auch prozessual verdeutlichen müssen, wird dem Kunden hier klar kommuniziert, was mit seinen Beiträgen geschieht und wie sein Vertragspartner davon profitiert. Diese Gleichstellung eines digitalen Maklers gegenüber dem analogen Kollegen ist in jedem Fall zu begrüßen.
Eine Frage, die in der Diskussion immer wieder auftaucht, betrifft den faktischen Beginn des Beratungs- bzw. Vermittlungsprozesses im digitalen Umfeld. Wann oder besser womit beginnt denn aus Ihrer Sicht auf einer Maklerwebsite die Beratung?
Mit Sicherheit nicht zwingend auf der Startseite des Webauftrittes. Ein Beratungsprozess startet zum Beispiel immer dann, wenn auf die Anfrage oder die Produktauswahl eines Kunden eine Produktempfehlung gegeben wird. Ob das auf manuellem Wege, in einem Beratungsgespräch oder, wie bei Digitalmaklern üblich, in einem Vergleichsrechner geschieht, ist aus rechtlicher Sicht identisch.
Was muss die Erstinformation mindestens enthalten, und in welcher Form muss sie einem Besucher auf der Website angezeigt werden?
Der Inhalt der Erstinformation ist in § 11 der Versicherungsvermittlungsverordnung klar geregelt. Den Wortlaut zeigt das folgende Bild.
Zu beachten ist dabei auch, dass nach der Novellierung der Verordnung aus dem §11 der §15 werden wird. Als kleinen Anhalt haben wir ein Muster einer Erstinformation für einen Versicherungsmakler mit der Zulassung nach § 34d und 34f zusammengestellt (Download hier).
Wir raten jedoch an, diese Erstinformation nach dem Inkrafttreten der neuen VersVermV auf die neuen Informationspflichten anwaltlich so dann anpassen zu lassen. Zur Frage der Anzeigepflicht: Nach unserer Einschätzung genügt es, wenn der Vermittler seine Erstinformation als verpflichtenden Download in dem Moment bereitstellt, in dem der Kunde in einen Beratungsprozess einsteigt. Also zum Beispiel vor der Nutzung eines Online-Rechners.
Ein rechtlicher Graubereich sind interaktive Funktionen auf der Internetseite wie etwa Kontaktformulare, Chatfenster, Chatbots oder geschlossene Kundenbereiche. Auch hier würden wir empfehlen, um Haftungsrisiken auszuschließen, die Erstinformation vor dem Einstieg des Kunden in solche Bereiche und Funktionen bereitzustellen. Gleiches gilt zudem für direkte Produktempfehlungen, sofern solche auf der Webseite bereitgestellt werden.
Viele Vermittler betreiben neben der Website auch andere digitale Kanäle wie etwa Newsletter, Social Media-Kanäle oder auch WhatsApp. Gilt hier nicht prinzipiell das Gleiche wie auf der Website?
Aus rechtlicher Perspektive: ja. Allerdings stellen sich hier auch datenschutzrechtliche und prozessuale Fragen. Um eine spätere Haftung auszuschließen, empfehlen wir Vermittlern, in sozialen Medien oder Messenger-Diensten besser keine Beratung oder Produktempfehlung durchzuführen. Denn diese Dienste nutzen zum einen vielfach eine Serverinfrastruktur, die den geltenden Datenschutzregularien nicht entspricht, zum anderen fällt es bei solchen Diensten und Medien schwer, die Dokumentationspflichten in der Beratung zu erfüllen. Der Vermittler hat hier meist keinen Einfluss darauf, inwieweit, wo und wie lange sein Beratungsdialog gespeichert wird.
Daher wäre hier der rechtlich einwandfreie Weg der, in dem der Vermittler den Dialog vor dem Einstieg in die Beratung in rechtlich „saubere“ Kanäle wie zum Beispiel das Telefon, das persönliche Gespräch und im digitalen Umfeld die eigene Website oder rechtlich einwandfreie Online-Beratungstools überführt.
In Sachen Online-Beratung: Viele Vermittler nutzen hier Drittanbieter und teils auch semiprofessionelle Werkzeuge wie Skype oder GoToMeeting. Was ist hier aus rechtlicher Sicht zu beachten?
Hier gilt das Gleiche wie auf der Website: Der Vermittler muss bei der Nutzung dieser Dienste sicherstellen, dass er zum einen den Datenschutzbestimmungen genüge tut, zum anderen aber auch hier vor der Beratung seinen Informationspflichten entspricht. Insoweit wäre auch hier von der Nutzung von Werkzeugen wie Skype eher abzuraten.
Internetmarketer kritisieren die neuen Regelungen als „Conversion-Killer“, also als einen echten wirtschaftlichen Schaden für den Online-Vertrieb von Finanzdienstleistungen. Teilen Sie diese Ansicht?
In gewisser Hinsicht natürlich. Jeder zusätzliche Klick kostet bekanntlich Quote. Daher kann ich jedem Vermittler auch nur empfehlen, die Prozesse auf der Website so zu gestalten, dass sie zwar rechtlich einwandfrei sind, aber den Besucher möglichst nicht abschrecken.
Die „Holzhammermethode“, die bei einigen Vermittler-Webseiten heute bereits zum Einsatz kommt, indem der Zwangsdownload der Erstinformation bereits auf der Startseite erfolgt, halte ich daher nicht für zwingend notwendig, darüber hinaus auch für ökonomisch bedenklich. Die meisten Vermittler, insbesondere Einzelmakler, nutzen ihre Website ja primär zur Information über ihr Unternehmen und ihre Dienstleistung. Hier ist die Erstinformation aus unserer Sicht noch nicht erforderlich.
Insoweit wäre auch zu empfehlen, bei hybriden Beratungsmodellen den Einstieg in Vergleichsrechner oder eine Online-Beratung erst auf speziellen Unterseiten des Webauftritts zu integrieren und dann die Erstformation dort zur Verfügung zu stellen. Alles in allem muss man natürlich im Einzelfall die Webseite des Vermittlers betrachten und prüfen, wie und ab wann der Vermittler tatsächlich „Beratung“ anbietet – und folglich auch ein erster Geschäftskontakt möglich ist.
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