Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Dienstag ein potenziell milliardenschweres Urteil gefällt. Es ging um die Etablierung eines Referenzzinses bei Prämiensparverträgen. Die rechtlichen und gerichtlichen Geschehnisse rund um das Thema zogen sich nun schon lange hin – teilweise 20 Jahre. Doch mit den Urteilen vom 09.07.2024 scheint die Geschichte für den Moment einmal ein Ende gefunden zu haben.
Auch AssCompact berichtete in der Vergangenheit mehrfach über Fälle, in denen Verbraucher bzw. Verbraucherschützer vor Gericht gegen Banken klagten, die ihren Kunden nach Ansicht der Kläger zu niedrige Zinsen in den genannten Prämiensparverträgen geboten hatten – oft mit Erfolg. In den 90er- und 2000er-Jahren wurde eine Vielzahl derartiger Verträge abgeschlossen, bei denen über einen langfristigen Zeitraum die Anlagen verzinst wurden – und zwar mit einem variablen Zinssatz, je nach Marktlage. Bestimmt wurde der Zinssatz dabei von den Volks- und Raiffeisenbanken. Das Problem: In den Vertragsbedingungen wurde die Verzinsung auch entsprechend schwammig geregelt mit eben der Formulierung „variabel verzinst“. In Zeiten der Niedrigzinsphase regulierten die Banken dann den Zins entsprechend stark nach unten, denn sie bestimmten ja den Zinssatz.
Es folgten diverse Urteile, die den Kreditinstituten entsprechend verdeutlichten: Ganz freie Hand haben sie gewiss nicht, eine derartige Klausel im Vertrag ist also unwirksam. Fraglich bei der Sache blieb dann jedoch: Woran hätten sich die Banken bei der Festlegung des Zinssatzes orientieren sollen – und wie hoch ist der entstandene Schaden, den die Verbraucher nun einklagen können?
Was ist der richtige Referenzzins?
Damit hat sich das aktuelle Verfahren des BGH beschäftigt, zu dem am Dienstag geurteilt wurde. Der Journalist und Rechtsexperte Wolfgang Janisch hat die Entscheidungen des BGH für die Süddeutsche Zeitung (SZ) entschlüsselt. Konkret sollte, so hatte der BGH bereits 2021 entschieden, ein Referenzzinssatz für die Prämiensparverträge gelten, an dem sich der Sparzins orientieren soll – aber wo solle dieser liegen? Ein starrer Wert sollte es nicht sein, denn der würde bei einem niedrigen Referenzzins den Sparzins „gegen null drücken“, so Janisch in der SZ.
Das BGH hat sich mit dem Urteil nun auf eine bestimmte Bezugsgröße festgelegt, die von den beiden Oberlandesgerichten Dresden und Naumburg vorgeschlagen wurde: die Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 8 bis 15 Jahren. Hintergrund: Der Bezug auf die Bundesanleihen bilde sehr gut die sehr vorsichtige Haltung des Prämiensparers nach. Janisch zitiert in seinem Artikel den BGH-Senatsvorsitzenden Jürgen Ellenberger von der Urteilsverkündung: „Der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, zeigt keinerlei Risikobereitschaft.“ Und die Umlaufrenditen von Bundesanleihen enthielten keinen Risikoaufschlag – das passende Pendant zum Sparer also.
Dass andere Gerichte eine eigene Bezugsgröße wählen können, sei hierdurch nicht völlig ausgeschlossen, da der BGH den unteren Instanzen einen gewissen Spielraum gebe und diesen respektiere. Für die Berechnung der Ansprüche der geschädigten Kunden sei es aber wahrscheinlich, dass man sich auf die Bundesanleihen als Referenz einstellen müsse.
Seite 1 BGH legt endgültig Referenzzins für Prämiensparverträge fest
Seite 2 Gleitender Referenzzins?
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