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10. Juli 2024
BGH legt endgültig Referenzzins für Prämiensparverträge fest

BGH legt endgültig Referenzzins für Prämiensparverträge fest

Es war ein langer Kampf, der aber nun wohl zu Ende ist: die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Banken und Verbrauchern zum in Prämiensparverträgen beschriebenen „variablen Zinssatz“. Jetzt steht fest, wie der Referenzzins festgelegt wird und welche Verjährungsfrist angewendet wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Dienstag ein potenziell milliardenschweres Urteil gefällt. Es ging um die Etablierung eines Referenzzinses bei Prämiensparverträgen. Die rechtlichen und gerichtlichen Geschehnisse rund um das Thema zogen sich nun schon lange hin – teilweise 20 Jahre. Doch mit den Urteilen vom 09.07.2024 scheint die Geschichte für den Moment einmal ein Ende gefunden zu haben.

Auch AssCompact berichtete in der Vergangenheit mehrfach über Fälle, in denen Verbraucher bzw. Verbraucherschützer vor Gericht gegen Banken klagten, die ihren Kunden nach Ansicht der Kläger zu niedrige Zinsen in den genannten Prämiensparverträgen geboten hatten – oft mit Erfolg. In den 90er- und 2000er-Jahren wurde eine Vielzahl derartiger Verträge abgeschlossen, bei denen über einen langfristigen Zeitraum die Anlagen verzinst wurden – und zwar mit einem variablen Zinssatz, je nach Marktlage. Bestimmt wurde der Zinssatz dabei von den Volks- und Raiffeisenbanken. Das Problem: In den Vertragsbedingungen wurde die Verzinsung auch entsprechend schwammig geregelt mit eben der Formulierung „variabel verzinst“. In Zeiten der Niedrigzinsphase regulierten die Banken dann den Zins entsprechend stark nach unten, denn sie bestimmten ja den Zinssatz.

Es folgten diverse Urteile, die den Kreditinstituten entsprechend verdeutlichten: Ganz freie Hand haben sie gewiss nicht, eine derartige Klausel im Vertrag ist also unwirksam. Fraglich bei der Sache blieb dann jedoch: Woran hätten sich die Banken bei der Festlegung des Zinssatzes orientieren sollen – und wie hoch ist der entstandene Schaden, den die Verbraucher nun einklagen können?

Was ist der richtige Referenzzins?

Damit hat sich das aktuelle Verfahren des BGH beschäftigt, zu dem am Dienstag geurteilt wurde. Der Journalist und Rechtsexperte Wolfgang Janisch hat die Entscheidungen des BGH für die Süddeutsche Zeitung (SZ) entschlüsselt. Konkret sollte, so hatte der BGH bereits 2021 entschieden, ein Referenzzinssatz für die Prämiensparverträge gelten, an dem sich der Sparzins orientieren soll – aber wo solle dieser liegen? Ein starrer Wert sollte es nicht sein, denn der würde bei einem niedrigen Referenzzins den Sparzins „gegen null drücken“, so Janisch in der SZ.

Das BGH hat sich mit dem Urteil nun auf eine bestimmte Bezugsgröße festgelegt, die von den beiden Oberlandesgerichten Dresden und Naumburg vorgeschlagen wurde: die Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 8 bis 15 Jahren. Hintergrund: Der Bezug auf die Bundesanleihen bilde sehr gut die sehr vorsichtige Haltung des Prämiensparers nach. Janisch zitiert in seinem Artikel den BGH-Senatsvorsitzenden Jürgen Ellenberger von der Urteilsverkündung: „Der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, zeigt keinerlei Risikobereitschaft.“ Und die Umlaufrenditen von Bundesanleihen enthielten keinen Risikoaufschlag – das passende Pendant zum Sparer also.

Dass andere Gerichte eine eigene Bezugsgröße wählen können, sei hierdurch nicht völlig ausgeschlossen, da der BGH den unteren Instanzen einen gewissen Spielraum gebe und diesen respektiere. Für die Berechnung der Ansprüche der geschädigten Kunden sei es aber wahrscheinlich, dass man sich auf die Bundesanleihen als Referenz einstellen müsse.

Gleitender Referenzzins?

Auch behandelt wurde die Frage, ob der Sparzins der langjährigen Linie des Referenzzinses „gleitend“ folgt. In dem Fall würde der Sparzins den Referenzzins nur nach und nach abbilden, was zu leicht verzögerten Auswirkungen auf den Sparzins führt. Der BGH hat sich nun jedoch für eine monatsgenaue Anpassung entschieden, wodurch der langjährige Zinsabschwung seit den Nullerjahren sich also monatsgenau auf den Sparzins niederschlägt.

Außerdem: Die Verbraucherschützer hatten auf eine zehnjährige Verjährung der juristischen Ansprüche, die durch die Prämiensparverträge entstanden sind, gehofft. Nach dem Urteil gilt jedoch nun lediglich eine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend im Jahr der Kündigung des Sparvertrags. 2019 und 2020 habe es, so Janisch, große Kündigungswellen gegeben, die mit dieser Regelung nun jedoch verjährt seien. Für eine Rückzahlung brauche man mindestens einen Vertrag, der im Jahr 2021 geendet hatte. Laut BaFin gab es damals bei den Banken noch 1,1 Millionen derartiger Verträge im Bestand.

BaFin äußert sich zu den Urteilen

Apropos BaFin: Diese äußerte sich noch am Dienstag zu den Urteilen des BGH. Bereits 2021 hatte die Aufsicht die Kreditinstitute dazu verpflichtet, Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren und ihnen entweder unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zuzusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anzubieten, der die Rechtsprechung des BGH berücksichtigt.

Mit den neuen Urteilen liegen nun für betroffene Prämiensparverträge alle für die Nachberechnung der Zinsen nötigen Informationen vor, so die BaFin. Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch sieht darin eine wichtige Klarstellung für den kollektiven Verbraucherschutz: „Wir werden jetzt die Urteilsgründe auswerten und prüfen, ob wir als Aufsicht weitere Maßnahmen ergreifen.“ (mki)

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