Ein Artikel von Stephan Kaiser, Diplom-Mathematiker (Univ.) und geschäftsführender Gesellschafter der BU-Expertenservice GmbH
Vor einigen Jahren konnte man bei kniffeligen Fällen in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) noch häufig den folgenden Satz aus den Leistungsabteilungen entgegnet bekommen: „Wir sind doch nicht dazu da, dem Kunden nachzuweisen, dass er berufsunfähig ist.“ Die Aussage zeigt deutlich eine nicht vorhandene Kundenorientierung. Hierzu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die schlechte: Es gibt auch heute noch ein paar Versicherer, deren Credo das zu sein scheint. Nun aber die gute: Diese Versicherer werden weniger. Bei vielen Versicherern hat ein Umdenken eingesetzt, denn eine gute Regulierungspraxis ist ein Aushängeschild. Es scheint, als ob eine neue Generation von Vorständen, Verantwortlichen und Sachbearbeitern langsam ein anderes Denken in die Branche bringt.
Reduzierung der Bearbeitungszeit
Plötzlich sind Bearbeitungszeiten wichtig und wollen reduziert werden. Gut so, es dauert aber immer noch grob um die sechs Monate. So lange in der Luft zu hängen und auf die meist existenziell bedeutende Entscheidung warten zu müssen, zerrt an den Nerven der Versicherten. Aber es ist ein Trend zur Beschleunigung zu erkennen. Viele Versicherer behandeln zumindest einfache Fälle mittlerweile entsprechend vereinfacht, weil nun eine Art Triage am Beginn der Prüfung steht.
Ist ein Leistungsfall aber so komplex, dass eine Begutachtung nötig erscheint, wird aus einem halben Jahr Bearbeitungszeit schnell ein ganzes. Die Ärzteschaft ist überlastet, es gibt lange Wartezeiten. Eine unerträgliche Situation für die Versicherten. Das haben mittlerweile einige Versicherer erkannt und helfen damit, diese Wartezeit mit einer Kulanzleistung finanziell zu überbrücken. Mindestens ein Versicherer hat dies sogar schon in seine allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufgenommen. So lobenswert das ist, es doktert nur an den Symptomen herum und löst nicht das eigentliche Problem: die Begutachtung. Man sollte sich langsam nach Alternativen zur Begutachtung umsehen, zumindest aber – und das wäre sehr gut machbar – diese stark reduzieren.
Hilfe bei der Antragstellung
Einige Versicherer bieten Hilfe beim Ausfüllen der Anträge an, ein sogenanntes Tele-Claiming. Hierbei gehen Sachbearbeiter meist via Telefon den Antragsfragebogen mit dem Versicherten durch, befüllen ihn vor und übersenden ihn dann zur Korrektur und Unterschrift. Nur wird dieses Angebot sehr schlecht angenommen. Möglicherweise deshalb, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht weiß, ob er diesem Angebot trauen kann. Daran gilt es seitens der Branche zu arbeiten.
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