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23. Juli 2021
„Die gleichen Methoden, die auch Wahrsager benutzen“

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„Die gleichen Methoden, die auch Wahrsager benutzen“

Gibt es auch Ähnlichkeiten zu allgemeinen Verschwörungstheorien, die viel Zulauf gewonnen haben?

Ja, ich glaub schon. Wenn Sie Guru werden wollen, dann müssen Sie in allererster Linie laut trommeln. An der Börse sind das spektakuläre Prognosen, in Politik und Gesellschaft die großen Weltverschwörungen. Das ist etwas, worunter seriöse Wissenschaftler leiden. Eine nüchterne und differenzierte Analyse verkauft sich nicht annähernd so gut wie eine spektakuläre Schlagzeile. Das Kunstfertige daran ist, dass Sie nicht einfach irgendetwas verkaufen können. Das Ganze muss dann noch durch eine in sich schlüssige Geschichte untermauert werden.

Was ist rein vom Erzählerischen Ihre Lieblingstheorie?

Meine Lieblingsverschwörungstheorie sind ganz klar die Echsenmenschen. Das ist so skurril, aber erzählerisch auf irgendeine Weise auch genial konstruiert. Man nehme echte, wahre Fakten. Aber nur Teile davon und baut sie in die eigene Erzählung ein und gibt ihnen eine andere Bedeutung. Diese Erzählung vermischen Sie dann mit nicht widerlegbaren Theorien, die durch die Fakten eine gewisse Plausibilität bekommen. Es ist schon eine Kunst, das gescheit hinzubekommen und dann auch noch eloquent, sauber und logisch konsistent umzusetzen.

Was braucht es noch für einen erfolgreichen Guru?

Im letzten Schritt müssen Sie sich noch gegen jegliche logischen und sachlichen Angriffe immunisieren. Zum Beispiel indem man behauptet, dass Kritiker ihre Kritik nur äußern, weil sie von den Reptilienmenschen bezahlt werden. Wichtig ist dabei immer, dass Aussagen nicht falsifizierbar sind. Sie können zum Beispiel nicht falsifizieren, dass es den Weihnachtsmann gibt. Man kann zwar behaupten, ihn auf der ganzen Welt gesucht und nicht gefunden zu haben. Aber haben Sie auch wirklich überall gesucht? Und es ist ja ohnehin klar, dass man ihn nicht findet, denn er ist doch immer da, wo man ihn nicht sucht. Ähnlich gehen Verschwörungstheoretiker und Börsengurus mit ihren Theorien vor. Wenn ihre Theorien nicht falsifizierbar sind, finden sie auf Kritik immer einen argumentativen Ausweg.

Und das verfängt bei den Menschen tatsächlich?

Ja. Hinzu kommt, dass, wenn Sie sich einmal eine Meinung gebildet haben, Sie dazu tendieren, alle weiteren Aussagen im Kontext Ihres Meinungsbildes einzuordnen. Es ist zudem schwer, sich von einer einmal eingenommenen Einstellung zu verabschieden. Dann muss man sich schließlich vor seinem gesamten Umfeld die Blöße geben. Wer will schon seiner Frau und seinen Nachbarn erklären, dass man jahrelang falsch gelegen hat? Eventuell findet man einen argumentativen Ausstieg, zum Beispiel, dass die Echsenmenschen die Welt verlassen haben und deshalb die Welt nun nicht mehr steuern. Auch Anlegern fällt es oft schwer, sich Fehler einzugestehen. Da liegen dann Anlageleichen noch jahrelang im Depot oder es wird sogar nachgekauft, um den durchschnittlichen Kaufkurs zu senken. Hier wie da geht es um menschliche Schwächen. Der erste wichtige Schritt ist, sich dieser Schwächen bewusst zu werden, denn dann kann man besser damit umgehen.