Die Wirtschaftslage ist nach wie vor keine einfache: Die Zinswende hat viele Unsicherheiten in den Markt gebracht, aber auch für die Rückkehr der Anleihen gesorgt. 2024 ist Wahljahr in den Vereinigten Staaten, auf deren geopolitische Auswirkungen auch aus Investmentsicht geblickt wird. Und nicht zu vergessen: Nach der Zinserhöhung ist auch (früher oder später) vor der Zinssenkung.
Informiert wurde in 15 Sälen auf drei Stockwerken über viele Themen: Multi-Asset, Anlage in Krisenzeiten, nachhaltige Kapitalanlagen, ETFs und mehr. Doch das Zinsthema war allseits dominant, allem voran die Frage: Wann kommen wie viele Zinssenkungen? Dieser widmete sich auch Axel Weber, der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank und ehemalige Verwaltungsratspräsident der UBS, in seinem Vortrag, mit dem er am Mittwoch um 9 Uhr den Kongress eröffnete.
Niedrigzinsen als Haupttreiber
Zentral verantwortlich für den Verlauf des Kapitalmarkts in den Jahren nach der Finanzkrise war für Weber zweifelsohne die Geldpolitik der Zentralbanken. Insbesondere in den Jahren des Niedrigzinses sei dieser Haupttreiber für die Aktienmärkte gewesen – so sehr, dass es kaum eine Alternative zu Aktien gegeben habe. Durch den starken Anstieg der Inflation sei dieser Antrieb jetzt jedoch nicht mehr vorhanden.
Positiv sei für Weber allerdings zu bewerten – und dies dürfte auch eine relevante Information für alle Finanzberater sein –, dass man aktuell als Anleger „nichts falsch machen“ könne. Aktien und Anleihen koexistieren also derzeit nebeneinander und beide werfen keine schlechten Renditen ab. In den USA lägen die Dividendenrenditen derzeit sogar unter der aktuellen Verzinsung von Bonds und Treasuries.
„Wunschdenken“ bei Zinssenkungserwartungen
In den Markt sind derzeit starke Zinssenkungserwartungen eingepreist, so bestätigt auch Weber. Doch der ehemalige Bundesbank-Präsident lässt an diesen Erwartungen keineswegs ein gutes Haar. Seiner Meinung nach seien diese Erwartungen „Wunschdenken“. Die Notenbanken würden die Zinsen natürlich senken, allerdings nicht „auf“ 1%, sondern „um“ 1%, was ein erheblicher Unterschied sei – diese Aussage löste im Mozartsaal des Congress Centers unter den Besuchern lautes Gelächter aus.
Eine Inflationsrate von 2% p. a. müsse nun wieder dauerhaft etabliert werden. Ein Anheben des Inflationsziels mache keinen Sinn, daher würden die Notenbanken auch keine zu frühen oder zu starken Zinssenkungen vornehmen, auch wenn die Geldpolitik ihren Straffungszyklus beendet habe. Weiterhin seien die Zinsen, so zeige es die Historie, immer dann gesenkt worden, wenn reagiert werden musste – bspw. im Falle einer sich deutlich anbahnenden oder schon eingetretenen Rezession. Doch die Wirtschaft in den USA und in der Eurozone sei derzeit stabil, eine Rezession dürfte also ausbleiben. Dementsprechend gebe es auch keinen Anlass für massive Zinssenkungen, so Weber.
Aktienmärkte im Aufschwung?
Jedoch heiße dies nicht, dass die Aktienmärkte nicht trotzdem wieder stärker nach oben gehen könnten. Denn beim Blick in die Vergangenheit sehe man auch, dass bei einem Ausbleiben von Zinssenkungen die Märkte nicht zwangsläufig verloren haben. Verluste habe es eher dann gegeben, wenn die Zinsen im Rahmen einer Rezession gesenkt wurden.
Jedoch werde ein Aufschwung oder zumindest eine positive Entwicklung am Aktienmarkt eher in der Tiefe sitzen als in der Breite – in erster Linie getrieben von den „Magnificent Seven“, die Tech-Aktien wie Microsoft oder Alphabet. Diese würden die Indizes stark steigen lassen, bedingt durch die Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz.
Mehr Private Equity für den Privatanleger?
Ein weiteres Trendthema in der Investmentbranche ist derzeit der potenzielle Aufschwung des European Long Term Investment Funds, kurz ELTIF. Am 10.01.2024 ist auf EU-Ebene für diese bislang für Privatanleger und Berater nur schwer verfügbare Anlagemöglichkeit eine neue, laxere Regulierung in Kraft getreten, die zum einen weniger restriktive Richtlinien für den Vertrieb solcher Produkte aufweist, und zum anderen weniger Einschränkungen für den Anleger vorgibt.
Ein dediziert an Berater gerichteter Vortrag von Senior Vice President von Neuberger Berman, Stefan Becker, und Dr. Andrea Vathje vom Privatize Private Markets Institute behandelte die Chancen und Risiken von der Anlageklasse Private Equity im Kontext der neuen ELTIF-Regulierung „ELTIF 2.0“. Becker klärte in dem Vortrag über „Co-Investments“ auf, über die auch Privatanleger in Private Equity, also in nicht-börsengelistete Unternehmen, investieren können.
Derartige Investitionen können für die Diversifikation eines Portfolios von Vorteil sein, da man sonst auf einen großen Teil des Marktes verzichte, so Becker. Außerdem habe die Performance von Private Equity in der Vergangenheit teils deutlich über der von bekannten Indizes wie dem MSCI World gelegen. Dennoch gebe es einige Risiken bei Private Equity zu beachten. Becker nannte hierbei u. a. die lange Laufzeit, die oft mindestens acht Jahre beträgt, an die man auch gebunden sei, sowie die Tatsache, dass bei Private-Equity-Fonds in der Regel mehrere Jahre bis zur Ausschüttung vergehen. (mki)
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