Politik, Wirtschaft und die Märkte – wie sich diese drei Phänomene entwickeln, lässt sich nur schwer vorhersagen. Aber dass sie irgendwie zusammen- und auch voneinander abhängen, ist wohl klar ersichtlich. Da ist ein Jahr wie dieses mit zahlreichen Wahlen ein besonders spannendes. Das wissen auch die Experten und äußern sich dementsprechend mit an die Anleger gerichteten Prognosen.
U. a. dabei sind an der Stelle Janus Henderson Investors, Principal Asset Management, Amundi und auch, in einem Handelsblatt-Interview, die Präsidentin der European Securities and Markets Authority (ESMA), Verena Ross.
Märkte werden nervös
In dem Interview vermeldet die ESMA-Chefin Unruhen an den Anleihe- und Aktienmärkten, die seit der Europawahl zugenommen hätten. Die politische Lage in Europa sei neben den geopolitischen Konflikten und der Zinswende nun also wieder Thema bei den Investoren. Für Nervosität sorgen Ross zufolge dementsprechend die anstehenden Wahlen in Frankreich, anderen EU-Staaten, aber auch den USA im November.
Trotzdem aber, so Ross, seien die Risiken durch die Zinswende und durch geopolitische Konflikte weiter da. Ein relativ kleines Ereignis könne ausreichen, um eine Marktkorrektur auszulösen.
Doch sollten sie das?
Seema Shah, Global Chief Strategist bei Principal Asset Management, warnt seinerseits in einem Marktkommentar, sich in irgendeiner Weise auf Prognosen zu Wahlen einzulassen und diese als Anlass zu Portfoliokorrekturen herzunehmen. Die jüngsten Wahlüberraschungen in Mexiko, Indien und der EU hätten die Volatilität deutlich gemacht, die durch unvorhergesehene politische Ergebnisse verursacht werden kann. Diese Ereignisse würden die Risiken verdeutlichen, die entstehen, wenn man sich bei Anlageentscheidungen auf Umfragen vor den Wahlen verlässt, da unerwartete Ergebnisse die Aktienmärkte und Währungen schnell erschüttern könnten. Angesichts der bevorstehenden kritischen Wahlen in Frankreich, Großbritannien, Japan und den USA sollten Anleger also Resilienz priorisieren und es vermeiden, übereilt Portfolioanpassungen auf Grundlage prognostizierter Wahlergebnisse vorzunehmen.
Viel auf dem Spiel
Auch Mahmood Pradhan, Head of Global Macro Economics, Anna Rosenberg, Head of Geopolitics, und Paresh Upadhyaya, Director of Fixed Income and Currency Strategies am Amundi Investment Institute haben sich vor allem mit Fokus auf die US-Wahlen im November geäußert. Das Team hat die aktuellen Aussagen der beiden Kandidaten Donald Trump und Joe Biden analysiert. Eine Fortsetzung der Politik der letzten vier Jahre könnte demnach auf den Anleihemärkten zu höheren langfristigen Renditen führen, insbesondere angesichts der Verschlechterung der US-Finanzlage, die keine der beiden Parteien in Angriff nehmen will. Eine Trump-Regierung hingegen dürfte wesentlich höhere Zölle einführen, die Abschiebung von Einwanderern ohne Papiere vorantreiben und versuchen, den Inflation Reduction Act (IRA) zu verwässern. Solche Maßnahmen könnten laut Amundi Inflation und Renditen in die Höhe treiben.
Und wie lief es sonst?
Mark Pinto, Head of Americas Equities, und Chris Benway, Director of Research bei Janus Henderson Investors, haben sich ihrerseits u. a. die Frage gestellt, wie die Kurse in vergangenen Wahljahren, vornehmlich in US-Wahljahren, verliefen. Und die gute Nachricht hierbei: Aktien hätten historisch gesehen trotz Wahlsorgen zugelegt. Die Experten untersuchten die Marktrenditen in US-Präsidentschaftswahljahren von 1937 bis 2024 und haben festgestellt, dass auch in diesen die Marktrenditen durchschnittlich um 10,1% gewachsen seien. Bislang spiegle der Markt 2024 diesen Trend auch wider, denn der S&P 500 ist im bisherigen Jahresverlauf bis zum 13.06.2024 um 14,6% gewachsen. Hauptverantwortlich dafür seien starke Unternehmensgewinne und langfristige Wachstumstrends.
Ein Risiko für die Märkte in Wahljahren allerdings sei ein angefochtenes und/oder verzögertes Wahlergebnis. Denn schließlich hasst der Markt Unsicherheit. Jeder Kommentar, der darauf hindeutet, dass diese Gefahr tatsächlich besteht, könnte also in den kommenden Monaten für Volatilität sorgen – und zwar bis ein Wahlsieger bekannt gegeben wird.
Tatsache sei laut Janus Henderson, vielleicht beruhigenderweise, aber auch: Abgesehen von der Gefahr eines umstrittenen Ergebnisses dürfte die Wahlrhetorik die Stimmung an den Märkten kaum belasten, da beide Hauptkandidaten bekannte politische Konzepte anbieten und in diesem Jahr andere wichtige Trends im Vordergrund stehen. Diese Markttreiber sind u. a. die Zinsentwicklung, das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Unternehmensgewinne, aber auch starke säkulare Trends wie die Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz und der wachsende Markt für Medikamente gegen Fettleibigkeit. Diese Faktoren und nicht das politische Rennen selbst würden laut Janus Henderson wahrscheinlich eine größere Rolle dabei spielen, ob Anleger in den kommenden Monaten weiter in Aktien investieren oder eine defensive Haltung einnehmen. (mki)
Bild: © melody_a_m – stock.adobe.com
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