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6. Februar 2023
Wie nachhaltig kann ein ETF sein?
Wie nachhaltig kann ein ETF sein?

Wie nachhaltig kann ein ETF sein?

Nachhaltige ETFs orientieren sich an ökologisch und sozial ausgerichteten Indizes. Niedrige Gebühren in Kombination mit hohem Anspruch lautet das Versprechen. Anleger sollten genau prüfen, welche Unternehmen sich tatsächlich im Index wiederfinden. Auch andere Aspekte sollten sie im Blick behalten.

Ein Artikel von Dag Rodewald, Head ETF & Index Fund Sales Deutschland & Österreich bei UBS Asset Management

Bei der Frage, wie „nachhaltig“ ETFs überhaupt sein können, steht diese Anlageklasse vor dem gleichen Problem wie jede andere auch: Dem Mangel an einer einheitlichen und klaren Definition des Begriffs Nachhaltigkeit. Das Beispiel Atomenergie veranschaulicht dies sehr gut. Während sie in Deutschland schon seit vielen Jahren unter anderem vor dem Hintergrund der ungeklärten Endlagerthematik als nicht nachhaltig gilt, haben unsere Nachbarn in Frankreich und Polen durchaus einen wohlwollenderen Blick auf Kernenergie. Auch die EU-Kommission hat im vergangenen Jahr Atomkraft und Erdgas als unter bestimmten Bedingungen klimafreundlich eingestuft.

ETF-Investoren haben unterschiedliche Ansprüche

Hinzu kommen unterschiedliche Ansprüche auf Investorenseite. Beispielsweise möchten manche Anleger unter keinen Umständen in Unternehmen aus dem Bereich fossiler Brennstoffe investieren. Andere wiederum sehen im „Engagement“ eine Chance zur Verbesserung der Situation und investieren in Unternehmen, die sich dazu verpflichten, ihren Kohlenstoffverbrauch im ersten Schritt zu reduzieren. Daher wird eine breite Diversifizierung von Indizes immer wichtiger. Sie unterscheiden sich vermehrt durch verschiedene Ausschluss- und Filterprinzipien, um die differenzierten Ansprüche abbilden zu können.

Institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen hingegen unterliegen oftmals strikten Vorgaben, vor allem im Hinblick auf die Abweichung vom Mutterindex. So darf oft der Trackingerror zum Mutterindex für diese Investorengruppen aus Rendite-Risiko-Abwägungen nicht zu hoch sein, was wiederum besonders strenge Auswahlkriterien, wie sie beispielsweise bei SRI-Indizes (Socially Responsible Investing) angewendet werden, ausschließen kann. Für die Vermögensverwaltungen wiederum kann ein ETF auf SRI-Grund­lage jedoch genau die richtige Nachhaltigkeitslösung darstellen, aber am Ende nur noch ein Viertel des ursprünglichen Anlageuniversums widerspiegeln.

Auf das G in ESG achten

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeits-ETFs sollten Anleger besonders die Unternehmensführung, das heißt das „G“, das in ESG-Investitionen (Environment, Social, Governance) steckt, immer im Blick haben. Analysen zeigen, dass Unternehmen, die in allen Bereichen gut und nachhaltig geführt werden, deutlich seltener in Unternehmensskandale verwickelt sind als Unternehmen, die hier weniger gut bewertet werden. Daher steht die Bewertung von „Governance“ bei vielen Nachhaltigkeitsanalysen an erster Stelle.

Für Anbieter von ETFs heißt das alles: Den „einen“ nachhaltigen ETF kann es nicht geben. Die Frage, was „nachhaltige“ Investitionen eigentlich sind, ist stark vom individuellen Anleger abhängig. Deshalb sind diese mit in der Verantwortung. Sie selbst müssen sich zuallererst fragen: Welche nachhaltigen Aspekte sind für mich bei meinen Investitionen am wichtigsten? Die ETF-Industrie ist mittlerweile so flexibel und breit aufgestellt, dass sie durch die Entwicklung unterschiedlichster Indizes eine große Bandbreite an Anlegerbedürfnissen abdeckt.

Orientierung für Anleger

Eine Orientierung schafft dabei die bisher vorhandene Regulatorik. Rahmenwerke wie die Offen­legungsverordnung oder das BVI-Verbändekonzept bieten einen ersten und guten Leitfaden – und dies sowohl für Investoren als auch für Produktanbieter. Eine Herausforderung für Produktanbieter ist allerdings, dass zahlreiche europäische Länder darüber hinaus zusätzliche, in einigen Fällen voneinander abweichende Nachhaltigkeitskriterien definiert haben. Daher kann es passieren, dass manche Produkte nicht in allen europäischen Ländern als nachhaltig gelten. Hier wäre eine länderübergreifende Harmonisierung sicherlich wünschenswert.

Nicht zu unterschätzen ist neben den bekannten Regelwerken auch die eigene Einflussnahme, die Investoren beim Kauf von ETFs auch zu Anteilseignern machen. ETF-Anbieter mussten sich in der Vergangenheit den Vorwurf gefallen lassen, dass sie von ihren Stimmrechten auf Hauptversammlungen nicht Gebrauch machen, obwohl sie aufgrund ihrer Größe ein enormes Gewicht hätten. Auch hier sehen wir in den letzten Jahren eine erfreuliche Umkehr. Viele ETF-Häuser entwickeln mittlerweile umfangreiche Stewardship-Richtlinien und setzen diese um. Anleger können die erreichten Ziele in regelmäßig veröffentlichten Stewardship Reports nachverfolgen. Auch gehen ETF-­Anbieter vermehrt in den Dialog mit Indexanbietern, um bestimmte Kriterien zusätzlich zum bereits bestehenden Regelwerk in die Indizes aufzunehmen.

Neben Regelwerken und Stewardship Reports gibt es noch einen weiteren Aspekt, der für Anleger von nachhaltigen ETFs wichtig sein kann. Es geht um die Frage, ob ein ETF physisch oder synthetisch repliziert sein sollte. Mit der zunehmenden Wichtigkeit für Engagement beantwortet sich diese Frage aber beinahe von selbst. Denn einen Zugang zu den Unternehmen bekommen Anleger nur, wenn sie tatsächlich Anteile am Unternehmen halten. Das heißt, physisch replizierte ETFs sind hier im Vorteil. Ein weiteres Selektionskriterium kann für einen Anleger sein, ob in einem Nachhaltigkeits-ETF Wertpapierleihe eingesetzt wird. Zahlreiche Anleger präferieren hier Lösungen, die die Wertpapierleihe per Prospekt ausschließen.

Der ETF der Zukunft

Für UBS Asset Management als ETF-Anbieter ist das Thema Nachhaltigkeit ein Aspekt, der sich in den letzten zehn Jahren zu einem festen Bestandteil des Produktangebots entwickelt hat. Seit 2011 wird auf Kundenseite ein steigendes Interesse beobachtet, was seit 2015 noch mal einen zusätzlichen Schwung bekommen hat – und nun, insbesondere durch den spürbaren Klimawandel, auch im täglichen öffentlichen Diskurs angekommen ist. Nachhaltige Investments bilden mittlerweile bei nahezu allen Kundensegmenten den Kern der jeweiligen Investments. Sie haben sich als das „New Normal“ etabliert.

Im Jahr 2023 werden Umweltkriterien und der Kampf gegen den Klimawandel sicherlich den Hauptfokus bei neuen ETFs darstellen. UBS geht sogar davon aus, dass wir in naher Zukunft keine Unterscheidung mehr zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen ETFs haben werden und dass dann wahrscheinlich nur noch nach Artikel 8 und Artikel 9 eingestufte Produkte gemäß der Offenlegungsverordnung angeboten werden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 56 f., und in unserem ePaper.

Bild: © William W. Potter – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dag Rodewald