Die Investmentwelt scharrt mit den Hufen. Der Markt wartet auf sie – die erste Senkung des Leitzinses nach zehn Erhöhungen zwischen Sommer 2022 und Herbst 2023. Aktuell liegt der Hauptrefinanzierungssatz, für den sich Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld leihen können, bei 4,50%. Besonders zu vernehmen waren die Erwartungen der Investoren auf Zinssenkungen bei der Jahresendrallye im Dezember 2023, die der Ansicht mancher Experten nach rein von diesen Hoffnungen geschürt worden war.
Wenig verwunderlich also, dass ein zentraler Bestandteil der Amundi Investment Konferenz am Donnerstag, 18.01.2023, die Spekulation über eventuelle Zinssenkungen war – oder vielmehr über den Zeitpunkt dieser.
Amundi: Zinssenkungen im ersten Halbjahr
Traditionell stellt ntv-Börsenexpertin und Moderatorin der Amundi Investment Konferenz Sabrina Marggraf Fragen an die Zuschauer vor den Bildschirmen, die diese dann beantworten können. Bei der ersten wurden die Zuschauer gefragt, wann sie denn mit der ersten Zinssenkung rechnen – im ersten Halbjahr, im zweiten Halbjahr oder dieses Jahr gar nicht. Und siehe da: 71%, also die deutliche Mehrheit, sehen die EZB erst im zweiten Halbjahr einlenken.
Doch Chief Investment Officer von Amundi Deutschland Thomas Kruse ist da anderer Meinung und reiht sich bei der Antwort ein, die 19% der Zuschauer wählten: Zinssenkungen im ersten Halbjahr. Den Grund dafür äußert er in seinem Vortrag zum Ausblick für die kommenden Monate sowie in der anschließenden Diskussionsrunde. Denn die aktuellen konjunkturellen Schwächen und auch die Exportabhängigkeit der EU-Länder dürften die Zentralbanken ein wenig unter Zugzwang bringen und so die erste Zinssenkung von 0,25 Prozentpunkten im Juni 2024 provozieren. Vier weitere würden laut Kruse folgen. Jedoch: Aufgrund der strukturellen Probleme, auch in Deutschland durch bspw. einen höheren Anteil erneuerbarer Energien zu einem aber hohen Preis, dürften die Zinssenkungen der EZB die Wirtschaft nicht so stark beflügeln.
Was, wenn die Zinssenkungen zu früh kommen?
Eine leicht andere Meinung äußert Dr. Jürgen Michels, Chefvolkswirt und Leiter Research bei der Bayerischen Landesbank. Für ihn werde sich die Inflation vor allem zu Beginn des Jahres hartnäckig halten, z. B. durch Preissteigerungen im Service-Bereich. Aus diesem Grund würden seiner Meinung nach die Notenbanken erst gegen Ende des Jahres aktiv, da sie auf eine Stabilisierung hoffen.
Michels weist hierbei darauf hin, dass es für den Markt fatal wäre, wenn die EZB die Zinsen zu früh sänke und es anschließend einen neuen Schwung an erhöhter Inflation gäbe. Dieser Aussage pflichtet Kruse bei, merkt aber ebenfalls an, dass bei einer nur etwas früher als erwarteten Zinssenkung die Märkte sich zwar noch einmal korrigieren würden – doch die Richtung des Marktes sei aufgrund jener Erwartungen vorgegeben. Wann diese schließlich einsetzt, sei zweitrangig. (mki)
Bild: © vadim yerofeyev – stock.adobe.com
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