Ein Artikel von Andreas Wollermann, Berater und Trainer für Versicherer und Finanzdienstleister unter der Wortmarke GENsurance® gensurance.de, und Toygar Cinar, RHEINWEST HR Solutions Experte im Bereich HR
Die Versicherungswirtschaft steht vor herausfordernden Jahren, die von drei Megatrends geprägt werden: Demografie, Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI). Diese Entwicklungen beeinflussen nicht nur die Art und Weise, wie Versicherungen zukünftig angeboten und vertrieben werden, sondern auch die Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden. Die zentralen Fragen lauten: Wie wird sich die Branche in dieser dynamischen Landschaft positionieren, und welche Strategien sind notwendig, um erfolgreich zu sein?
Der Wandel der Kundenstruktur
Die demografischen Verschiebungen in Deutschland stellen die Versicherungswirtschaft vor besondere Herausforderungen. Die Gesellschaft altert, und damit verändern sich die Bedürfnisse und Anforderungen an Versicherungsprodukte. Gleichzeitig wächst die Generation Z heran, die ganz andere Erwartungen an Dienstleistungen und Produkte hat als frühere Generationen.
Ältere Menschen legen zunehmend Wert auf Altersvorsorge, Gesundheitsabsicherung und Pflege. Sie suchen nach unkomplizierten und verständlichen Produkten. Junge Menschen hingegen sind technikaffin und erwarten digitale, flexible und vor allem transparente Lösungen. Beide Gruppen fordern personalisierte Angebote, die über traditionelle Konzepte hinausgehen.
Digitalisierung und KI als Treiber des Wandels
Die Digitalisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz revolutionieren die Versicherungsbranche. Automatisierte Prozesse wie Schadenbearbeitung und Risikobewertung erhöhen die Effizienz und senken Kosten. Zudem ermöglicht KI eine tiefere Analyse von Kundendaten, was zu personalisierten Versicherungslösungen führt. Algorithmen treffen präzise Vorhersagen und bewerten individuelle Risiken genauer, was maßgeschneiderte Produkte ermöglicht.
Doch mit diesen Vorteilen kommen auch Herausforderungen: Der Datenschutz muss gewahrt bleiben, und Entscheidungen, die KI trifft, müssen transparent und nachvollziehbar sein. Das Vertrauen der Kunden in KI-basierte Lösungen ist entscheidend. Eine Studie des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen zeigt, dass Kunden offen für KI-gestützte Beratung sind, gleichzeitig aber Transparenz und Sicherheit bei der Datennutzung fordern.
Beratung der Zukunft: Persönlich, digital oder hybrid?
Die Beratung der Zukunft wird hybrid sein: Eine Mischung aus digitaler und persönlicher Betreuung wird zum neuen Standard. Der Kunde will selbst entscheiden, wie er mit seiner Versicherung kommuniziert – sei es über eine App, per Video-Chat oder im persönlichen Gespräch. Die persönliche Beratung wird sich nicht auflösen, sondern sich verändern. Berater agieren mehr und mehr als Coaches und Vertrauenspersonen, die ihre Kunden durch die komplexe Versicherungswelt führen.
Ein Beispiel ist der Einsatz von Chatbots und virtuellen Assistenten, die einfache Anfragen rund um die Uhr bearbeiten. In komplexen Fällen, die emotionale Intelligenz erfordern, bleibt jedoch der menschliche Berater unersetzlich. Laut einer Studie von Capgemini bevorzugen 75% der Kunden weiterhin persönlichen Kontakt, wenn es um komplexe Fragen geht, auch wenn sie digitale Kanäle nutzen.
Die Rolle von TikTok und Social Media
TikTok und andere soziale Medien werden immer wichtiger für die Kommunikation und das Marketing von Versicherungen. Junge Menschen lassen sich über traditionelle Kanäle kaum noch erreichen. Sie wollen auf den Plattformen abgeholt werden, auf denen sie sich ohnehin aufhalten, und suchen nach authentischen Inhalten.
Unternehmen, die auf TikTok und Co. präsent sind, können das Image der „verstaubten Branche“ aufpolieren und eine neue Zielgruppe ansprechen. Hier geht es nicht um klassische Werbung, sondern um kreative und humorvolle Inhalte. Eine erfolgreiche Social-Media-Strategie setzt auf Interaktion und Dialog und berücksichtigt die spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Plattform.
Nachhaltigkeit: Megatrend mit Einfluss auf Produkte
Nachhaltigkeit ist längst mehr als nur ein Schlagwort. Der Klimawandel und das wachsende Umweltbewusstsein der Verbraucher treiben die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Versicherer müssen nicht nur den Kunden, sondern auch der Umwelt etwas bieten. Bis 2023 wurde diese Erwartung stark spürbar.
Beispiele sind Versicherungen, die nachhaltige Investments fördern, Prämienrabatte für umweltfreundliches Verhalten gewähren oder Policen für erneuerbare Energien anbieten. Eine Studie von KPMG zeigt, dass für 70% der Versicherer Nachhaltigkeit bereits ein zentrales Thema in der Produktentwicklung ist. Kunden erwarten, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen und das auch in ihren Angeboten widerspiegeln.
Der Vertrieb der Zukunft
Der Vertrieb in der Versicherungswirtschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Eine Untersuchung von PwC prognostiziert, dass bis 2025 mehr als 60% der Versicherungsverträge digital abgeschlossen werden. Das bedeutet nicht das Ende des klassischen Vertriebs, sondern seine Transformation. Vertriebsmitarbeiter werden verstärkt als Berater und Coaches gefragt sein, die nicht nur Produkte verkaufen, sondern umfassende Finanzberatung anbieten. Der persönliche Kontakt bleibt bei komplexen und beratungsintensiven Produkten weiterhin wichtig. Vertriebsmitarbeiter der Zukunft müssen nicht nur digital versiert sein, sondern auch in der Lage, persönliche Beziehungen aufzubauen.
Das denken Makler über KI
Die Studie „AssCompact TRENDS II/2024“ hat sich mit der Relevanz von KI im Vermittlergeschäft beschäftigt. Spannend zu sehen ist, dass 46% der Befragten einem Einsatz von künstlichen Intelligenzen grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Im Vermittlerbetrieb an sich sehen rund 55% eine Relevanz, gefragt nach der Bedeutung für den eigenen Betrieb ist das aber lediglich bei noch 32% der Fall.
45% der Befragten planen gegenwärtig keinen Einsatz von künstlichen Intelligenzen in ihrem Vermittlerbetrieb. Im Maklermarkt also liegt die Stimmung nach wie vor zwischen Skepsis und Neugier, die Befragten sind gespalten. Doch die Zukunft wird digital. Wird auch der Vermittler grundsätzlich eine Offenheit dafür entwickeln?
Zur Studie AssCompact TRENDS II/2024
Die Online-Befragung zur Studie „AssCompact TRENDS II/2024“ wurde vom 03.04.2024 bis 16.04.2024 durchgeführt. Nach einer Qualitätsprüfung flossen die Stimmen von 413 Vermittlerinnen und Vermittlern aus der Finanz- und Versicherungsbranche in die Stichprobe ein, die ein sehr gutes Abbild der Assekuranz- und Finanzvermittler hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsstruktur darstellt. Die Studie kann hier kostenpflichtig erworben werden.
Ansprechpartner
Dr. Mario Kaiser, kaiser@bbg-gruppe.de, 0921 75758–33
Informationen zu allen weiteren AssCompact Studien finden Sie unter asscompact-studien.de.
Bild: © Song_about_summer – stock.adobe.com; Grafiken: © Studie „AssCompact TRENDS II/2024“
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