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29. Mai 2024
Trend zum passiven Investieren: Experten sind besorgt

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Trend zum passiven Investieren: Experten sind besorgt

Höheres Marktrisiko?

Infolgedessen sehen 59% ein erhöhtes Gesamtrisiko, d. h. vor allem eine größere Marktvolatilität, insbesondere in Abschwungphasen. Keine bzw. sich gegenseitig ausgleichende Effekte erwartet ein Drittel der Investment Professionals. Eine gewisse Tendenz zur Überbewertung könne allein schon durch stetige Nachfrage passiv verwalteter Fonds entstehen. Und umgekehrt kann durch passive Fonds in Krisenzeiten der bekannte „Drehtüreffekt“ deutlich verstärkt werden, so bei negativen Meldungen, plötzlich gehäuften Anteilsrückgaben respektive Portfolioumschichtungen. Das gelte laut DVFA für auf Spezialthemen gerichtete Indexprodukte. Als während der griechischen Staatsschuldenkrise die Athener Börse Mitte 2015 vorübergehend geschlossen war, warnten auch bekannte Investoren wie Carl Icahn und Bill Gross vehement vor den Folgen der ETFs, insbesondere vor einer „Liquiditätsillusion“ und dem plötzlichen Austrocknen der Märkte.

Deutlich entspannter sehen die Teilnehmer einen möglichen direkten (generischen) Effekt der passiv verwalteten Vermögen auf die Attraktivität von Börsengängen. 59% erkennen hier keine Auswirkungen, eher negativen Folgen für IPOs erwarten indessen 28%, positive Wirkungen nur 13%. Dies ist der DVFA zufolge insofern interessant, als frisch börsennotierte Aktien in der Regel noch in keinem Index enthalten und somit von Indexprodukten ausgeschlossen sind. Insbesondere Small Caps könnten daher bei zunehmend passiv verwalteten Vermögen tendenziell Nachteile haben.

„Unverzichtbar“

Für Ingo R. Mainert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DVFA, sei es zu befürchten gewesen, dass eine Mehrheit der Investment Professionals die Zunahme passiv gemanagter Fonds eher mit negativen Folgen – höhere Konzentration und Volatilität – verbindet. „Das gilt vor allem für schwierige, krisenhafte Marktsituationen, und wenn man die Sache extrem denkt“, kommentiert er die Umfrage. Denn würden sämtliche Anlagegelder in passiven Indexprodukten liegen, gäbe es keine fakten- und datengetriebene mikroökonomische Preisbildung mehr. Die Asset-Preise könnten durch die Zuflüsse immer nur steigen. Für eine funktionierende Marktwirtschaft seien daher Research, Datenanalyse, menschliche Erfahrung und vorausschauendes, aktives und wirkungsorientiertes Fondsmanagement „unverzichtbar“.

Mainerts Fazit: „Der Begriff ‚passiv gemanagtes Produkt‘ ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Natürlich sind diese Instrumente nützliche Elemente des Kapitalmarktes, bringen den Anlegern durch Skalierungseffekte Vorteile hinsichtlich der Kosten und erleichtern die Diversifizierung. Aber ich sehe durch die jetzt erreichten Größenordnungen doch ein paar Risse im Ökosystem der Märkte und auch Gefahren für die Kapitalallokation.“ Mainert verweist außerdem auf mehrere Studien, u. a. kürzlich von der Frankfurter Goethe-Universität, die darauf hindeuten, dass Preise einer Asset-Klasse oder eines Einzelwerts durch den Passivtrend stärker von der Gewichtung in einem Index abhängen. Unternehmensspezifische Fundamentaldaten und dadurch generierte Preissignale würden tendenziell an Bedeutung verlieren, so Mainert, was volkswirtschaftlich problematisch und am Ende „vielleicht sogar nachteilig für die Finanzstabilität“ sei. (mki)

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