Die Finanzlage der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme bleibt weiterhin angespannt. Bereits für das kommende Jahr 2022 hat noch die alte Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD per Verordnung beschlossen, den Bundeszuschuss in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf insgesamt 28,5 Mrd. Euro aufzustocken – ein neuer Rekordwert in der langen Tradition der GKV. „Was die darauffolgenden Jahre angeht, da muss die Ampel wohl noch nachlegen“, prognostizierte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, nun sogar gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Handelsblatt. Und in der Rentenkasse sieht es auch nicht wirklich besser aus: Allein im Jahr 2021 wird der Zuschuss aus Steuermitteln nach Angaben des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit etwa 92 Mrd. Euro betragen, was einem Anteil am Gesamtetat von 17% entspricht. Und auch hier: Tendenz steigend.
Bundeszuschüsse als bequeme und einfache Lösung
Steigende Steuerzuschüsse zur Sozialversicherung sind von den jeweiligen Regierungen ein bequemes Mittel, die Defizite in den Kassen zu kompensieren. Ihre Abstimmung per Haushaltsplan oder Bundesverordnung gelingt relativ rasch und wenig bürokratisch. Zudem brauchen die Beitragssätze nicht angetastet werden, sodass die Sozialabgaben für Unternehmen und Beschäftigte nicht weiter steigen. Bundeszuschüsse haben damit also vorrangig das Ziel, die viel zitierte Sozialgarantie – die sogenannte 40%-Grenze bei den Sozialabgaben – mit relativ einfachen Mitteln konstant zu halten. Nicht zuletzt stabilisieren üppige, staatliche Zuwendungen in der Sozialversicherung auch die Arbeitskosten, wodurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nicht weiter beeinträchtigt wird. Insgesamt also sind Bundeszuschüsse in den Sozialversicherungen eine vermeintlich einfache Lösung und in der Politik scheint sich genau diese Auffassung zu verfestigen; und an diesem Punkt beginnt das Problem ...
Steuerzuschüsse illusionieren lediglich Beitragsstabilität
Vor dem Hintergrund steigender Steuerfinanzierungsanteile hat nun der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein zuschusskritisches Gutachten veröffentlicht. Darin prangert die Studie unter Leitung der Autoren Prof. Volker Ulrich, Universität Bayreuth, und Prof. Eberhard Wille, Universität Mannheim, an, dass die dynamische Entwicklung bei den zusätzlichen Steuermitteln an die Sozialversicherungen lediglich eine Illusion von Beitragsstabilität vermittelt. Arbeitgeber wie Versicherte profitieren zwar von stabilen Beitragssätzen. Allerdings sind beide Marktteilnehmer stets auch Steuerzahler. Damit werden Arbeitgeber wie Versicherte wiederum mittelbar an der ökonomischen Traglast steuerfinanzierter Sozialversicherungssysteme beteiligt. Steuerfinanzierung bedeutet also keinen automatischen Schutz vor einer steigenden Belastung. Vielmehr besteht die Gefahr, dass im Falle künftiger Beitragserhöhungen und stabiler Bundeszuschüsse die Belastung von Arbeitgebern und Versicherten sogar zusätzlich angehoben wird.
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