Ein Artikel von Norman Wirth, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte
Vor Fehlern sind auch Anlageberater nicht gefeit. Wie in anderen Berufen gilt der Grundsatz: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Allerdings wirken sich Pflichtverstöße gegenüber dem Kunden für Anlageberater häufig signifikanter aus als in anderen Berufen. In der Regel führt der Pflichtverstoß dazu, dass der Berater den gesamten Verlust des Anlegers zu ersetzen hat, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Verlust auf der Pflichtverletzung beruht oder aus anderen Gründen eingetreten ist. Dabei gibt es bestimmte Pflichtverletzungen, die in der anwaltlichen Beratung immer wieder auftreten. Einigen dieser Fehler wurde sich bereits in Teil 1 dieses Beitrags gewidmet. Im Folgenden möchte ich drei weitere typische Anlageberaterfehler beleuchten und aufzeigen, wie man ihnen am besten aus dem Weg geht.
In der Beratungsdokumentation werden nur einzelne Risiken genannt, zu denen eine Aufklärung erfolgt ist.
Es ist praktisch nicht möglich, alle bestehenden Risiken einer Anlage umfassend und erschöpfend in einer Beratungsdokumentation darzustellen. Es besteht immer die Gefahr, dass der Anleger in einem späteren Schadensersatzverfahren vor Gericht behauptet, dass eine Aufklärung nur über die in der Beratungsdokumentation genannten Risiken erfolgt sei, und dass weitere Risikohinweise nicht erfolgt seien. Mit dieser Argumentation kann er insbesondere dann Erfolg haben, wenn die Beratungsdokumentation den Eindruck erweckt, bestehende Risiken abschließend darzustellen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn einzelne Risikohinweise sehr detailliert erfolgen oder sehr viele Risiken genannt werden.
Praxistipp
Es ist darauf zu achten, dass der Eindruck vermieden wird, das Beratungsprotokoll sei hinsichtlich der darin genannten Risiken abschließend. Die wesentlichen Risiken können durchaus genannt werden, allerdings sollte ein klarstellender Zusatz (z.B. „u. a.“ oder „insbesondere“) oder noch besser ein Hinweis erfolgen, dass weitere Risiken bestehen, welche besprochen wurden bzw. dem Prospekt zu entnehmen sind.
Der Anlageberater empfiehlt eine Anlage, die er selbst nicht verstanden hat
Die häufig in Börsenratgebern verwendete Regel, nur Aktien zu kaufen, bei denen man das Unternehmenskonzept verstanden hat, gilt auch bei der Anlageberatung. Anlageberater haften auch dann, wenn das vermittelte Produkt nicht plausibel ist, z.B. wenn die prognostizierten Renditen mit dem beabsichtigten Anlagemodell realistisch nicht erzielt werden können oder wenn das geplante Anlagemodell aus anderen Gründen nicht durchführbar ist. Dieser Vorwurf wird von Anlegern sehr häufig in Schadensersatzverfahren erhoben, wenn die Anlage wirtschaftlich gescheitert ist. Zwar haftet der Anlageberater nicht für kriminelle Handlungen der geschäftsführenden Personen und auch nur dann, wenn er die fehlende Plausibilität erkennen konnte. Gleichwohl hat der Anlageberater nach der Rechtsprechung das empfohlene Produkt kritisch zu prüfen und den Anleger auf bestehende Plausibilitätszweifel hinzuweisen. Dabei reicht es nach der Rechtsprechung nicht aus, sich auf die Aussagen des Produktanbieters zu verlassen. Außerdem muss der Anlageberater sich auch anhand unabhängiger Quellen über das Produkt informieren. Wenn er das nicht tut, und das Produkt stellt sich später als unplausibel dar, haftet er, wenn er den Anleger nicht darauf hingewiesen hat und er dies bei Prüfung hätte erkennen können.
Praxistipp
Der Anlageberater sollte grundsätzlich nur solche Produkte vermitteln, die er auch selbst inhaltlich nachvollziehen kann und versteht, und über die er sich sowohl auf Produktschulungen als auch anhand unabhängiger Quellen (Finanzzeitschriften) informiert hat. Wenn es ihm nicht möglich ist, sich anhand unabhängiger Quellen über das Produkt zu informieren, sollte er eine Empfehlung unterlassen, zumindest aber den Anleger klar und deutlich auf diesen Umstand und seine begrenzte Prüfung hinweisen. Dieser Hinweis sollte auch schriftlich dokumentiert werden.