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27. Juni 2024
So beugt man Pflichtverstößen bei der Anlageberatung vor

So beugt man Pflichtverstößen bei der Anlageberatung vor

Kunden zur richtigen Entscheidung über ihre Geldanlage zu verhelfen, ist zunächst ein sinnvolles Unterfangen – aber bietet eben auch Potenzial für schwerwiegende Fehler. Rechtsanwalt und AfW-Vorstand Norman Wirth erläutert weitere typische Beratungsfehler und gibt Tipps, wie man sie am besten vermeidet.

Ein Artikel von Norman Wirth, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte

Vor Fehlern sind auch Anlageberater nicht gefeit. Wie in anderen Berufen gilt der Grundsatz: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Allerdings wirken sich Pflichtverstöße gegenüber dem Kunden für Anlageberater häufig signifikanter aus als in anderen Berufen. In der Regel führt der Pflichtverstoß dazu, dass der Berater den gesamten Verlust des Anlegers zu ersetzen hat, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Verlust auf der Pflichtverletzung beruht oder aus anderen Gründen eingetreten ist. Dabei gibt es bestimmte Pflichtverletzungen, die in der anwaltlichen Beratung immer wieder auftreten. Einigen dieser Fehler wurde sich bereits in Teil 1 dieses Beitrags gewidmet. Im Folgenden möchte ich drei weitere typische Anlageberaterfehler beleuchten und aufzeigen, wie man ihnen am besten aus dem Weg geht.

In der Beratungsdokumentation werden nur einzelne Risiken genannt, zu denen eine Aufklärung erfolgt ist.

Es ist praktisch nicht möglich, alle bestehenden Risiken einer Anlage umfassend und erschöpfend in einer Beratungsdokumentation darzustellen. Es besteht immer die Gefahr, dass der Anleger in einem späteren Schadensersatzverfahren vor Gericht behauptet, dass eine Aufklärung nur über die in der Beratungsdokumentation genannten Risiken erfolgt sei, und dass weitere Risikohinweise nicht erfolgt seien. Mit dieser Argumentation kann er insbesondere dann Erfolg haben, wenn die Beratungsdokumentation den Eindruck erweckt, bestehende Risiken abschließend darzustellen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn einzelne Risikohinweise sehr detailliert erfolgen oder sehr viele Risiken genannt werden.

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Es ist darauf zu achten, dass der Eindruck vermieden wird, das Beratungsprotokoll sei hinsichtlich der darin genannten Risiken abschließend. Die wesentlichen Risiken können durchaus genannt werden, allerdings sollte ein klarstellender Zusatz (z.B. „u. a.“ oder „insbesondere“) oder noch besser ein Hinweis erfolgen, dass weitere Risiken bestehen, welche besprochen wurden bzw. dem Prospekt zu entnehmen sind.

Der Anlageberater empfiehlt eine Anlage, die er selbst nicht verstanden hat

Die häufig in Börsenratgebern verwendete Regel, nur Aktien zu kaufen, bei denen man das Unternehmenskonzept verstanden hat, gilt auch bei der Anlageberatung. Anlageberater haften auch dann, wenn das vermittelte Produkt nicht plausibel ist, z.B. wenn die prognostizierten Renditen mit dem beabsichtigten Anlagemodell realistisch nicht erzielt werden können oder wenn das geplante Anlagemodell aus anderen Gründen nicht durchführbar ist. Dieser Vorwurf wird von Anlegern sehr häufig in Schadensersatzverfahren erhoben, wenn die Anlage wirtschaftlich gescheitert ist. Zwar haftet der Anlageberater nicht für kriminelle Handlungen der geschäftsführenden Personen und auch nur dann, wenn er die fehlende Plausibilität erkennen konnte. Gleichwohl hat der Anlageberater nach der Rechtsprechung das empfohlene Produkt kritisch zu prüfen und den Anleger auf bestehende Plausibilitätszweifel hinzuweisen. Dabei reicht es nach der Rechtsprechung nicht aus, sich auf die Aussagen des Produktanbieters zu verlassen. Außerdem muss der Anlageberater sich auch anhand unabhängiger Quellen über das Produkt informieren. Wenn er das nicht tut, und das Produkt stellt sich später als unplausibel dar, haftet er, wenn er den Anleger nicht darauf hingewiesen hat und er dies bei Prüfung hätte erkennen können.

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Der Anlageberater sollte grundsätzlich nur solche Produkte vermitteln, die er auch selbst inhaltlich nachvollziehen kann und versteht, und über die er sich sowohl auf Produktschulungen als auch anhand unabhängiger Quellen (Finanzzeitschriften) informiert hat. Wenn es ihm nicht möglich ist, sich anhand unabhängiger Quellen über das Produkt zu informieren, sollte er eine Empfehlung unterlassen, zumindest aber den Anleger klar und deutlich auf diesen Umstand und seine begrenzte Prüfung hinweisen. Dieser Hinweis sollte auch schriftlich dokumentiert werden.

Der Anlageberater vermittelt ein Produkt, für das er gar keine Zulassung hat

Dieser Fehler kommt gar nicht allzu selten vor. Anlegerberater dürfen nur Anlageprodukte vermitteln, soweit ihnen hierfür eine Zulassung erteilt. Im Falle einer Gewerbeerlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) sind dies – je nach Erlaubnisumfang –

  • offene Aktien-/Rentenfonds (§ 34f Abs. 1 Nr. 1, sogenannte OGAW-Fonds),
  • AIFs (§ 34f Abs. 1 Nr. 2 GewO, darunter fallen auch offene Immobilienfonds) und/oder
  • Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes (§ 34f Abs. 1 Nr. 3 GewO).

Von vorneherein nicht vermitteln dürfen 34f-ler z. B. Aktien, Anleihen, Zertifikate und Optionsscheine. Das gleiche gilt, wenn die Gewerbeerlaubnis sich nicht auf das vermittelte Produkt erstreckt, z.B. ein AIF vermittelt wird, der Berater aber nur eine Zulassung nach § 34f Abs. 1 Nr. 1 verfügt.

Eine Vermittlung ohne entsprechende Zulassung ist für den Berater fatal. Sie führt zu einer automatischen Haftung. Im Gerichtsprozess muss der Anleger im Grunde nur vortragen, der Berater habe ihm die Anlage empfohlen bzw. vermittelt, ohne eine entsprechende Zulassung zu haben. Dies genügt für eine Verurteilung, ohne dass es auf Fragen der Risikoaufklärung, der anlegergerechten Beratung oder die Plausibilität der Anlage ankommt. Zudem gefährdet der Berater seinen Versicherungsschutz. Die gute Nachricht ist: Dieser Fehler lässt sich einfach vermeiden. Ein kurzer Blick in den Verkaufsprospekt genügt. Dort findet sich eigentlich immer ein Hinweis, um welche Anlageart es sich handelt. Handelt es sich um einen OGAW-Fonds nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), einen AIF nach KAGB oder eine Vermögensanlage nach Vermögensanlagengesetz, ist alles im grünen Bereich. Wurde der Prospekt hingegen nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) erstellt oder steht dort gar nichts, sollte der Berater lieber die Finger von der Anlage lassen.

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Es ist wichtig, dass der Anlageberater vor der Vermittlung einzelner Produkte prüft, ob hierfür eine besondere Erlaubnispflicht besteht. Diese Frage lässt sich in der Regel durch den Verkaufsprospekt klären, bei verbleibenden Zweifel sollte, wenn ein Vertrieb des Produkts dennoch gewollt ist, hierzu vorab eine Anfrage bei der BaFin oder dem zuständigen Gewerbeamt gestellt werden.

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