Dass die Wirtschaft weiter und weiter wächst, ist eine gerne getroffene Annahme. Und das Gefühl könnte man tatsächlich bekommen, wenn man die Entwicklung des Deutschen Aktienindex (DAX) in den letzten Monaten betrachtet. Am 28.07.2023 stellte er mit 16.490 Punkten einen neuen Rekord auf – eigentlich ein guter Zeitpunkt zum Durchschnaufen, oder? Zumal der Rekord davor auch nur gut sechs Wochen vorher aufgestellt wurde, nämlich am 16.06. mit 16.427 Punkten, und „normalerweise“ Rekorde etwas länger halten. Aber „normalerweise“ gilt an der Börse wohl aktuell nicht.
Denn direkt zum Monatsende, am vergangenen Montag, 31.07.2023, überwand der DAX gleich die nächste Hürde: 16.527 Punkte. Geschlossen hatte er an diesem Tag übrigens mit stolzen 16.446 Punkten. Aber manchmal kommt der Hochmut eben vor dem Fall, denn der gerne als magische Hürde herangezogene Wert von 16.000 ist am Donnerstag deutlich unterboten worden – Tiefststand am Donnerstag: 15.807 Punkte. Traditionell ist der Sommer nämlich keine so rosige Zeit für den DAX. Aber auch wenn es irgendwo doch nur Kaffeesatzleserei ist, bleibt doch immer die spannende Frage: Wie geht’s weiter? Und vor allem: Warum so viel Optimismus an der Börse, wenn in der Wirtschaft derzeit eher Pessimismus vorherrscht?
Das Sommerloch an der Börse
Bei der Betrachtung der Geschichte des DAX fällt auf, dass gerade August und September zu den schwächsten Monaten zählen. Lediglich 2013 wurde im 21. Jahrhundert in diesen beiden Monaten ein neuer, nachhaltiger Höchststand aufgestellt, nämlich im September 2013. Das letzte Rekordhoch im August liegt noch deutlich länger zurück, nämlich 1997 – abgesehen von den Rekorden in den ersten eineinhalb Jahren nach Etablierung des DAX, wo er nahezu monatlich einen neuen Höchststand erreicht hat.
Dann ist der Fall des DAX unter die 16.000 ja irgendwo passend – und das, wo der August nur wenige Tage alt ist. Einer der Gründe dafür dürfte in den USA zu finden sein. Denn die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit der USA herabgestuft, von der Spitzenbewertung „AAA“ auf „AA+“. Als Grund wurde zum einen die hohe Staatsverschuldung angegeben und auch die Verschlechterung der Haushaltslage, die in den kommenden drei Jahren im Land der Freiheit herrschen soll. Laut Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Börsenmakler RoboMarkets, bräuchten heiß gelaufene Aktienmärkte, in denen die Investoren euphorisch oder geradezu sorglos anlegen, oft ein „Ventil, um etwas Druck aus dem Kessel zu lassen“. Dieses habe die Börse mit der Bonitätsherabstufung der USA gefunden.
Woher diese Euphorie?
Hohe Zinsen, Inflation, eine gefürchtete Rezession – und doch steigende Märkte. Eigentlich ein Widerspruch, sollte man meinen. Doch wie das Handelsblatt darlegt, gibt es mehrere plausible Gründe für die bislang so euphorische Stimmung am DAX. Einerseits habe die in den Augen vieler Wirtschaftsexperten bevorstehende Rezession auf die Börsenlage gar keinen so hohen Einfluss, denn der DAX spiegle mit seinen 40 Unternehmen nicht die deutsche, sondern die Weltwirtschaft wider. Die 40 gelisteten Unternehmen erzielten knapp drei Viertel ihrer Umsätze im Ausland – und da sind die Anteile vor allem in den USA stark gestiegen
Die steigenden Zinsen, die üblicherweise eher zum Nachteil der Börse sind, stören die Anleger laut Handelsblatt ebenfalls nicht, denn am Markt werde die Zukunft gehandelt, nicht die Gegenwart. Dadurch, dass die Inflationsraten langsam sinken, rechnen die Investoren damit, dass der Zinsgipfel bald erreicht sein könnte, wenn er dies nicht ohnehin schon ist.
Und: Öl und Gas sind mittlerweile wieder auf einem deutlich niedrigeren Preisniveau als vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar vergangenen Jahres. Dies treibe die Kurse, so das Handelsblatt, vieler Unternehmen, die auf Energie angewiesen sind, wieder in die Höhe. Und da viele davon auch im DAX angesiedelt sind, profitiert der Index auch hiervon.
Wie geht’s weiter?
Wird das Börsenjahr 2023 ein gutes? Manche Experten rechnen mit einer richtigen Korrektur, also mit einem Rückgang der DAX-Punkte von 10% oder mehr. Das würde dann einen Stand von unter 14.900 Punkten bedeuten. Doch ganz sicher weiß es eben niemand. Sicher ist nur (hoffentlich und zum Wohle der deutschen Wirtschaft): Der nächste Rekord kommt bestimmt. (mki)
Bild: © Mediaparts – stock.adobe.com
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