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20. Februar 2023
Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Finanzanlagenvermittlung
Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Finanzanlagenvermittlung

Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Finanzanlagenvermittlung

Auch Finanzanlagenvermittler müssen nun ihre Kunden nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen fragen. Das ändert einiges in der Beratung und in deren Vorbereitung. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass auch tatsächlich ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit bei Kunde und Vermittler vorliegt.

Ein Artikel von Daniel Krüger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, und Lena Ribbers, LL. M., Juristin bei der AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat einen Referentenentwurf zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverord­- nung (FinVermV) vorgelegt, wonach zukünftig Nachhaltigkeitspräferenzen von Anlegern bei der Vermittlung von Finanzanlageprodukten durch den Berater bzw. Vermittler zwingend zu berücksichtigen sind.

Eine entsprechende Regelung gilt bereits seit August 2022 für Kreditinstitute. Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater mit einer Erlaubnis nach §§ 34f bzw. 34h GewO sind bisher nicht unter diese Regelung gefallen, da die aktuelle Fassung der FinVermV einen starren Verweis auf die entsprechende EU-Verordnung beinhaltet. Die jüngste Erweiterung der EU-Verordnung um eine Nachhaltigkeitspräferenzabfrage hatte demnach nicht zur Folge, dass diese Änderung auch freie Finanzanlagenvermittler betrifft, da diese den Vorgaben der FinVermV unterliegen. Nun soll also die FinVermV so angepasst werden, dass der starre Verweis auf die EU-Verordnung aufgehoben und die EU-Verordnung stattdessen in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung findet.

Der Bundesrat muss der Gesetzesänderung zwar noch zustimmen; eine Zustimmung gilt jedoch als sicher. Die neue Regelung tritt sodann am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

Grundsätzliche Änderungen für Finanzanlagenvermittler

Was also ändert sich für Finanzanlagenvermittler? Knapp zusammengefasst: Die Nachhaltigkeitswünsche von Anlegern sind seitens der Anlagenvermittler bei der Anlageberatung aktiv anzusprechen und zu berücksichtigen. Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ist zwingender Bestandteil der Geeignetheitsprüfung; eine Unterlassung der Abfrage kann dazu führen, dass die Empfehlung eines Anlageprodukts für den Kunden ungeeignet ist und damit der Tatbestand der Falschberatung vorliegt. Neben möglichen Schadensersatzansprüchen, die im Falle einer Falschberatung die Folge sein können, kann auch ein Bußgeld drohen, da es sich bei der vorsätzlichen oder leichtfertigen Empfehlung eines ungeeigneten Produkts um eine Ordnungswidrigkeit handelt.

Vom magischen Dreieck zum magischen Viereck in der Beratung

Im Einzelnen: Durch die angekündigte Gesetzesänderung ist eine Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Anlegern im Beratungsgespräch durch den Finanzanlagenvermittler verpflichtend. Um auf entsprechende Fragen und Wünsche des Kunden eingehen und ein Produkt empfehlen zu können, hat sich also der Anlageberater – sofern bislang nicht geschehen – bereits im Vorfeld mit der Thematik der Nachhaltigkeit in der Finanzbranche zu beschäftigen. Neben einem Grundverständnis für das Thema ist ein Überblick über das Marktangebot notwendig. Aus dem magischen Dreieck „Liquidität, Sicherheit und Rendite“, das den zentralen Ankerpunkt für die Anlageberatung darstellte, wird nun also das magische Viereck „Liquidität, Sicherheit, Rendite und Nachhaltigkeit“.

In einer Anlageberatung bedeutet dies konkret für den Finanzvermittler, die Kunden nicht nur nach deren Präferenzen für das Anlageziel Nachhaltigkeit zu befragen, sondern auch ihren Wissensstand in Bezug auf nachhaltige Geldanlagen zu ermitteln, um so mögliche Missverständnisse zu vermeiden und Wissenslücken schließen zu können. In vielen Fällen wird es bereits aufgrund der medialen Präsenz des Themas Nachhaltigkeit und einer entsprechenden Sensibilisierung vieler Anleger Anknüpfungspunkte für den Austausch zwischen Berater und Anleger geben. Ein solcher Austausch kann sehr hilfreich dabei sein, eine bedarfs- und präferenzengerechte Anlageberatung durchzuführen. Denn bei der nachhaltigkeitsorientierten Beratung ist entscheidend, dass ein gemeinsames Verständnis für die Nachhaltigkeitspräferenzen zwischen Kunde und Anlageberater entsteht. Auch wenn hiermit sicherlich tendenziell ein höherer Zeitaufwand bei der Beratung einhergeht, ergeben sich daraus Chancen für Finanzvermittler, weitere Zielgruppen zu finden sowie auf die Interessen und Wünsche bestehender Kunden noch genauer einzugehen.

Bedeutung für die Produktauswahl

Sorgfalt ist sodann bei der Empfehlung konkreter Produkte geboten. Denn nachhaltige Geldanlagen enthalten in ihren ausgewiesenen Anlagestrategien verschiedene Nachhaltigkeitsfaktoren. Dies können ökologische Aspekte, soziale Aspekte und Kriterien guter und nachhaltiger Unternehmensführung sein. Anlagestrategien können unter anderem die Investition in erneuerbare Energien – als ökologischen Aspekt – oder die Förderung des sozialen Wohnbaus – als sozialen Aspekt – enthalten. Falls keine systemgestützte Hausmeinung durch einen Vertriebspartner vorliegt, kann ein Abgleich zwischen den Kundenpräferenzen und der Anlagestrategie der Geldanlage für das passende Produkt zielführend sein. Die Informationsbereitstellung erfolgt dabei etwa über die Kapitalverwaltungsgesellschaften und Vermögensanlagenanbieter, die diese im Rahmen der Produktinformationen zur Verfügung stellen.

Präferenzen oder keine Präferenzen

Kunden, die Nachhaltigkeitspräferenzen angeben, können zwischen den drei folgenden Aspekten wählen, wobei auch die Auswahl aller Aspekte möglich ist: einem positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit gemäß der Offenlegungsverordnung, einem wesentlichen positiven Beitrag zur Umwelt gemäß der Taxonomieverordnung und der Vermeidung wesentlich negativer Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit (PAI). Geben Anleger „keine Präferenzen“ an, erfolgt keine Einschränkung der Produktauswahl für den Anlageberater. Eine Dokumentation der Abfrage ist dennoch erforderlich. Wird die Anlageberatung mit einem Bevollmächtigten durchgeführt, so kann dieser die Angaben zu den Nachhaltigkeitspräferenzen stellvertretend für den Kontoinhaber abgeben.

Fazit: Eine Chance für die Vermittlung

Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage stellt also einen entscheidenden Einschnitt im Beratungsprozess dar. Neben der Kritik, die hier oftmals mitschwingt – etwa hinsichtlich des größeren Bearbeitungsaufwands oder der möglichen Unsicherheiten aufgrund mitunter noch bestehender Informationsdefizite –, sollte die nachhaltigkeitsorientierte Beratung jedoch auch als Chance betrachtet werden: Denn sie ermöglicht es Finanzanlagenvermittlern nicht nur, noch gezielter auf Kundenwünsche einzugehen und neue Märkte zu erschließen, sondern auch, sich bei entsprechendem Know-how deutlich von der Konkurrenz abzuheben.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 58 f., und in unserem ePaper.

Bild: © obeyleesin – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Daniel Krüger
Lena Ribbers, LL. M.