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4. Mai 2024
Exklusiv: Sustainable-Finance-Experte Christian Klein im Interview
Exklusiv: Sustainable-Finance-Experte Christian Klein im Interview

Exklusiv: Sustainable-Finance-Experte Christian Klein im Interview

Nachhaltige Geldanlagen sind eine entscheidende Einflusskomponente für die Nachhaltigkeitstransformation. Doch welche Hemmnisse halten Kleinanleger von einem Investment ab? Und zahlen sich nachhaltige Anlagestrategien finanziell aus? Prof. Dr. Christian Klein, Sustainable-Finance-Experte und bekannt aus FAZ und Tagesschau, erläutert die Zusammenhänge.

Interview mit Prof. Dr. Christian Klein, Fachgebietsleiter Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel sowie Mitglied der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance
Herr Klein, welche Herausforderungen sehen Sie für nachhaltige Geldanlagen im aktuellen Marktumfeld?

Mein Eindruck ist, dass nach einer ersten Euphorie eine gewisse Ernüchterung eingetreten ist. Sozusagen der Kater nach der Party. Ich sehe zwei Gründe hierfür: Erstens wird die Regulierung in diesem Zusammenhang von vielen als zu umfangreich empfunden. Zweitens hat sich seit Beginn des Krieges in der Ukraine vieles verschoben: In den letzten zwei Jahren waren große Renditen vor allem mit Öl, Gas und Rüstung möglich, und diese Themen sind in den meisten nachhaltigen Geldanlagen nicht enthalten. Zudem scheinen viele zu denken, dass wir jetzt andere Probleme haben und dass dieses Nachhaltigkeitsdings keine so hohe Priorität mehr hat. Das ist natürlich eine schlimme Schlussfolgerung, wenn man bedenkt, dass dem Klimawandel ziemlich egal ist, was wir gerade sonst noch so für Probleme haben.

Man gewinnt den Eindruck, dass nachhaltige Geldanlagen bei Kleinanlegern in letzter Zeit an Stellenwert verloren haben. Teilen Sie diese Einschätzung?

Jein. Wir haben ja seit dem 02.08.2022 die verpflichtende Nachhaltigkeitspräferenzabfrage bei der Kundenberatung. Die Berater und Beraterinnen müssen also fragen, ob der Kunde bei seiner Investition Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen will. Aus unserer Forschung wissen wir, dass anscheinend diese Frage meistens mit „nein“ beantwortet wird. Das ist erstaunlich, denn wir wissen aus unseren Umfragen auch, dass die meisten Deutschen nach wie vor Nachhaltigkeit als sehr wichtig erachten und sich auch bei der Geldanlage wünschen, dass darauf eingegangen wird.

Woran liegt das?

Wahrscheinlich daran, dass der zweite Schritt, der auf ein „ja“ folgen würde, einfach zu komplex ist. Die Beratung zu nachhaltigen Anlageprodukten, die die Regulierung vorschreibt und definiert, scheint sowohl Kunden als auch Beratern zu umständlich zu sein.

Abgesehen vom allgemeinen Marktumfeld: Welche konkreten Hemmnisse halten Kleinanleger denn von einem Investment in eine grüne Kapitalanlage ab?

Ein Hauptgrund ist immer noch das fehlende Wissen. Immer noch erstaunlich viele Kleinanleger wissen gar nicht, dass es so etwas wie nachhaltige Geldanlagen überhaupt gibt. In einer Umfrage, die wir gerade durchgeführt haben, wusste über die Hälfte der Befragten nicht, was der Begriff „ESG“ bedeutet. Dann kam als nächste Nennung „Environmental and Sustainable Goals“ ...

Und wie können Intermediäre wie Vermittler hier für eine Verbesserung sorgen?

Indem sie Aufklärung betreiben. Viele machen das ja schon sehr gut.

Wie unterscheidet sich denn das Anlageverhalten nachhaltiger Kleinanleger von traditionellen Investoren, insbesondere in Bezug auf Risikobereitschaft und Renditeerwartungen?

Es gibt Studien, die Hinweise finden, dass Investoren, die auf Nachhaltigkeit achten, eher langfristig orientiert sind und deswegen auch ihre Geldanlage nicht wieder sofort verkaufen, wenn es einmal nicht so gut läuft. Bei der Renditeerwartung sehen wir auch, dass es durchaus Anleger gibt, die bereit wären, auf etwas Rendite zu verzichten, wenn sie dafür eine ökologische oder soziale Rendite sehen würden.

Es bestehen ja schon Unsicherheiten darüber, inwiefern sich nachhaltige Anlagestrategien für den Kleinanleger finanziell auszahlen. Welche Ergebnisse liefert die Wissenschaft?

Unterschiedliche. Es gibt ältere Metastudien, die gezeigt haben, dass in der Vergangenheit nachhaltige Geldanlagen im Mittel mindestens genauso gut performt haben wie konventionelle. Hier muss man allerdings vorsichtig sein: Erstens dürfte sich das in den letzten zwei Jahren aus den genannten Gründen deutlich geändert haben. Zweitens müssen wir endlich differenzieren, um welche Art von „nachhaltiger Geldanlage“ es sich überhaupt handelt.

Was meinen Sie damit?

Aus meiner Sicht laufen unter der Überschrift „Nachhaltige Geldanlage“ zwei Denkansätze bei der Investition, die beide richtig und wichtig sind – aber eben völlig unterschiedlich. Erster Ansatz: Ich berücksichtige bei der Investition sogenannte Nachhaltigkeitsrisiken. Ich überlege also, was beispielsweise das Pariser Klimaschutzabkommen für Folgen für die Unternehmen hat. Und investiere dann nicht in Öl und Kohle, sondern in Windkraft. Aber auch in Amazon, Meta, Alphabet und Microsoft, da diese Unternehmen nicht wirklich von dem Klimaabkommen betroffen sind. So gehen die meisten „nachhaltigen“ Fonds vor. In diesem Fall wetten Sie auf eine Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens, nicht mehr und nicht weniger. Diese Wette hat sich vor dem Ukraine-Krieg offensichtlich ausgezahlt.

Und was ist der zweite Ansatz?

Hier habe ich den Anspruch, dass meine Investition einen Beitrag dazu leistet, dass unsere Welt ein besserer Ort wird. Dass also beispielsweise weniger CO2 in die Luft gelangt, bedingt durch meine Investition. Wir sprechen von „Impact“. Ein inflationär verwendeter Begriff, obwohl es dann sehr schnell sehr komplex wird, wenn man sich in diesen Bereich hineindenkt.

Wie beurteilen Sie überhaupt die Auswahlmöglich­keiten im Markt für nachhaltige Finanzprodukte? Ist für jedes Anlegerinteresse etwas dabei?

Aus Sicht der Anleger eigentlich ja. Wir haben ja inzwischen alles, vom dunkelgrünen Impactfonds bis zum hellgrünen Girokonto. Aus Sicht der Anbieter, die der Regulierung unterworfen sind, bräuchten wir mehr Produkte, die sich an der EU-Taxonomie – ein Regelwerk, das EU-weit festlegt, was als ökologisch nachhal­tige wirtschaftliche Aktivität gilt – orientieren.

Welche Trends sehen Sie in der nahen Zukunft im Bereich nachhaltiger Geldanlagen?

Drei Dinge: Erstens wird die Differenzierung zwischen Produkten, die Nachhaltigkeitsrisiken beachten, und Produkten, die versuchen, eine Wirkung zu erzeugen, deutlicher werden. Als Folge wird zweitens die Diskussion um „Impact“ zunehmen und wir werden hier völlig neue Innovationen sehen. Aber gleichzeitig wird sich drittens der Fokus ändern: Statt nur „nachhaltige“ Unternehmen zu finanzieren, wird es immer mehr darum gehen, großen Unternehmen die Transformation zu ermöglichen. Konkret: Wir erkennen gerade, dass die Auswirkungen viel größer sind, wenn wir zum Beispiel einem Zementhersteller dabei helfen, seine Produktionstechnik CO2-neutral zu bekommen, als wenn wir einen Windradhersteller mit Geld zuschütten.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Prof. Dr. Christian Klein bzw. LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Prof. Dr. Christian Klein