Interview mit Sebastian Külps, Head of Business Development, Germany & Northern Europe bei Vanguard
Herr Külps, laut dem Deutschen Aktieninstitut war die Zahl der Aktionäre 2022 in Deutschland auf einem Rekordhoch. Hat sich Vanguards Geschäft analog dazu entwickelt?
Wir haben 2018 unser Büro in Frankfurt eröffnet und hatten insgesamt sehr guten Rückenwind. Zum einen, weil wir eine Marke haben, die auch schon bekannt war, und weil wir mit passiven Bausteinen wie beispielsweise ETFs hierhergekommen sind, die in den letzten Jahren immer beliebter werden. Der passive Anteil der Angebote am Kapitalmarkt nimmt zu, und das kommt uns natürlich zugute. Zusätzlich haben wir sehr viel Vertrauen bei vielen Anlegerinnen und Anlegern gewinnen können und daher freuen wir uns über ein sehr gutes Momentum. Es ist natürlich schön, dass immer mehr Deutsche ihren Weg an den Kapitalmarkt finden und diesen nutzen, um sich für die langfristige Vorsorge Kapital anzusparen. Das ist unserer Ansicht nach eine positive Entwicklung.
Glauben Sie, dass ETFs sich langfristig gegen die aktiven Fonds vollständig durchsetzen werden?
Wenn wir über ETFs sprechen, sprechen wir eigentlich über einen gewissen Mantel, in den immer wieder neue Strukturen hineinfinden. Inzwischen gibt es zum Beispiel auch aktiv gemanagte ETFs. Was macht den ETF denn so beliebt? Er ist leicht handelbar, auf verschiedenen Ebenen einkaufbar, kostengünstig und hat eine gute Transparenz. Aber aktive Fonds bzw. die traditionellen Fonds haben genauso ihren Platz. Es gibt auch gewisse Asset-Klassen und Produkte, die sich durch ETFs nicht so leicht abbilden lassen und die im klassischen Fonds besser gelebt werden können. Ich glaube, wir werden weiter einen Zuwachs in klassischen ETFs haben und der ETF wird seinen Anteil im Gesamtanlagevermögen erhöhen, aber er wird die klassischen aktiven Fonds nie vollständig ersetzen. Was natürlich das Beste von beiden Welten kombiniert, sind Multi-Asset-Lösungen wie unsere LifeStrategy-ETF-Reihe.
Welche ETFs laufen denn aktuell gut?
Aktuell sind Anleihen wieder merklich mehr gefragt. Üblicherweise investieren Endanleger in Deutschland deutlich mehr in Aktien-ETFs, aber über die Situation an den Rentenmärkten sehen wir dieses Jahr wieder ein großes Interesse an Renten-ETFs. Bei uns am beliebtesten sind aber bei Weitem breite globale Portfolio-Bausteine, zum Beispiel der FTSE All-Word, der etwa 4.000 Aktien abdeckt, sehr breit diversifizert ist und die gesamte Weltwirtschaft samt Entwicklungsländern und Industrieländern beinhaltet. Wir merken, dass Anleger simple, breite Bausteine bevorzugen, weil sie wissen, dass sie damit alles abdecken können und sich nicht um Rebalancing oder Umschichtung kümmern müssen.
Welche Rolle spielen denn für Sie die unabhängigen Finanzberater?
Eine wichtige Rolle. Finanzberater sind für Vanguard weltweit der wichtigste Investorenstamm, mit dem wir auch in jeder Region sehr eng zusammenarbeiten. Für uns ist essenziell, dass Endanleger ein besseres Anlageergebnis bekommen. Wir wissen, dass Beratung Mehrwert schafft, und versuchen so auch, Beratern zu helfen, diesen Mehrwert zu maximieren, zum Beispiel über unser „360-Beraterprogramm“, das dem Berater dabei helfen soll, einen optimalen Kundenservice zu bieten.
Was sind denn die am meisten vermittelten Produkte?
Im Wesentlichen sind das unsere Kern-Aktien- und Rentenbausteine – eben die großen globalen Bausteine, die essenziell für die langfristige Altersvorsorge sind. Unserer Ansicht nach aber schaffen Anlageberater einen größeren Mehrwert, wenn sie das Portfoliomanagement „outsourcen“ und sich auf ganzheitliche Beratung konzentrieren – also aushelfen bei der Frage, wie man am besten die Steuern optimiert – oder sich als Behavioral Coach bei der Anlage einsetzen. Über ein gutes, ganzheitliches Anlagekonzept können Berater stärkeren Mehrwert bieten, als wenn versucht wird, Portfoliomanager zu spielen.
Sie haben sich kürzlich klar für ein Provisionsverbot in der Anlageberatung ausgesprochen. Warum?
Also vorweg: Anleger brauchen eine gute Beratung. Sie haben, um den optimalen Anlageerfolg zu erreichen, oft nicht das notwendige Verständnis von den Märkten, und gerade daher ist eine Anlageberatung sehr wichtig. Wir wollen Berater aktiv begleiten und auch coachen, gerade im Hinblick auf potenzielle Interessenkonflikte. Ein Provisionsverbot würde mehr Transparenz schaffen, sodass der Kunde weiß, wofür und wie viel er zahlt, und gleichzeitig den Anreiz auf Interessenkonflikte minimieren. Die MiFID-II-Maßnahmen waren ein guter Start, jedoch besteht hier weiterer Bedarf nach mehr Transparenz. Wir wollen Beratern dabei helfen, sich auf Änderungen vorzubereiten, und aktiv dabei unterstützen, diese umzusetzen, zum Beispiel durch spezifische Module in unserer „360 Beraterakademie“. In den USA erkannten Berater schon vor Jahren, ohne jegliche Regulierung, dass die ganzheitliche Beratung der Weg nach vorne ist.
Sie haben kürzlich mit Vanguard Invest Direkt einen eigenen Online-Broker gestartet. Geht mit diesem nun eine Abkehr vom Vermittlergeschäft einher?
Nein, das wird so weitergeführt werden. Wir haben insgesamt ein großes Ziel, und das ist, mehr Deutsche an die Kapitalmärkte zu bringen. Viele Menschen wollen weiter mit Menschen arbeiten und die persönliche Beratung ist auch für uns ganz, ganz wichtig. Aber der digitale Weg bildet natürlich auch, gerade in einer sich stetig verändernden Welt, einen Zugang an den Markt, der sehr sinnvoll sein kann. Und über diese beiden Wege wollen wir schlichtweg dem Endanleger die beste Chance auf Anlageerfolg bieten.
Bei dem Broker wird gelegentlich kritisiert, dass nur knapp 90 ETFs und Fonds, alle aus dem eigenen Haus angeboten werden. Bei anderen Brokern gibt es über 1.000 Produkte. An wen wendet sich das Angebot?
Es kommt darauf an, was man als Anleger möchte. Wir versuchen, dem Kunden ein übersichtliches, simples und mit guten Produkten bestücktes Angebot mitzugeben – wo der Endanleger weiß, wer hinter dem Produkt steht und sich mit uns als Anbieter und unserer Produktphilosophie auseinandersetzt. Das sind die, die wir mit Vanguard Invest Direkt ansprechen wollen.
Wie wird sich der ETF-Markt mittel- und langfristig weiterentwickeln?
Das passive Investieren wird weiterhin an Marktanteil gewinnen. Das sehen wir schon deutlich in den USA, in Deutschland ist es noch geringer. Da werden wir einen weiteren Trend der passiven Marktanteile nach oben sehen. Das liegt daran, dass nach Kosten viele aktive Ansätze es nicht schaffen, die Benchmark zu schlagen. Passive Ansätze sind dagegen transparent und kostengünstig und werden dementsprechend viele weitere Anleger anlocken.
Wie wird Vanguard diese Zukunft bestreiten? Und welche Position werden dabei Finanzberater einnehmen?
Wir wollen diese Bewegung zu mehr passivem Investieren begleiten und dabei Finanzberatern helfen, dem Endanleger weiterhin eine gute Beratung zu bieten, indem er unsere Produkte gut vermitteln und sich damit auf die erwähnte ganzheitliche Beratung fokussieren kann. So können wir und die Berater dazu beitragen, dass der Endanleger die beste Chance auf Anlageerfolg hat. Wenn wir es schaffen, dass Kunden einen Partner für ihren langfristigen Vermögensaufbau finden, dem sie vertrauen, dann sind wir auf einem guten Weg. Und da müssen wir alle an einem Strang ziehen.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 56 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Vanguard

- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können