Ein Artikel von Walter Hatak, Head of Responsible Investment bei der Erste Asset Management
ESG-Investments sind nachgefragter denn je. Immer mehr grüne (Finanz-)Produkte finden daher ihren Weg auf den Markt. Doch der Trend birgt auch Risiken, etwa Greenwashing: die Nutzung des Nachhaltigkeitsversprechens zu Verkaufs- und Marketingzwecken, ohne das Thema Nachhaltigkeit wirklich ernsthaft zu berücksichtigen. Leider ist es auf den ersten Blick gar nicht so einfach, vermeintlich grüne und tatsächlich grüne Anlagen voneinander zu unterscheiden. Vor allem Anleger, die gerne einen Impact mit ihrem Investment schaffen möchten, stellt das vor Herausforderungen. Es gibt jedoch ein paar Faktoren, die jeder überprüfen kann – orientieren kann man sich dabei am Erdbeerjoghurt im Supermarkt.
Wer Greenwashing betreibt, wird in der Regel früher oder später ertappt. Im letzten Jahr gingen mehrere Skandale bekannter Unternehmen durch die Medien. Sei es das Möbelhaus, das mit nachhaltig zertifiziertem Holz wirbt und illegale Abholzungen aus Rumänien einkauft. Oder der Energieversorger, der sich Grün groß auf die Fahnen schreibt, aber nur 2% nachhaltig erzeugt. Fälle wie diese werfen die Frage auf: Wie kann ich mich vor einer Täuschung schützen und woran erkenne ich ein wirklich nachhaltiges Produkt?
Greenwashing im Bereich der Geldanlage zu identifizieren, ist sehr komplex. Das beginnt damit, dass in der Finanzindustrie keine einheitliche Definition dafür existiert. Konzepte wie ESG dienen als Orientierungsrahmen zur Einordnung und doch gibt es keine 100%-ige Garantie dafür, dass das Geld wirklich im Sinn von Environment, Social und Governance investiert wird.
Hilfe durch die Politik
Die Europäische Union hat das erkannt und im Jahr 2020 mit Taxonomie-Regeln für die Finanzindustrie eine erste Hilfestellung gegeben. Sie schreibt die Offenlegung für die Produkte vor, die in einem ESG-Fonds enthalten sind. Wer also grün lediglich im Namen trägt, den wird der Markt schon bestrafen, so das Kalkül. Aber welcher Anleger liest wirklich das Kleingedruckte im Prospekt und versteht alles, was dort in Juristensprache verklausuliert steht? In der Quintessenz geht es bei Fonds nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung darum, dass ESG beworben wird. Welche Qualität das nachhaltige Bestreben tatsächlich aufweist, ist nicht relevant. So kann man auch offenlegen, dass man nichts tut, und hat den Vorschriften von Artikel 8 Genüge getan. Greenwashing ist allerdings de facto ausgeschlossen, weil nach exakten Parametern offengelegt werden muss, was der grüne Fonds tatsächlich macht.
Bei Artikel-9-Fonds ist das wiederum strenger: Mit einer nachhaltigen Investition muss ein ökologisches oder nachhaltiges Ziel angestrebt werden. Wer primär einen positiven ökologischen und/oder sozialen Impact mit seiner Anlage erzielen will, sollte im ersten Schritt eher auf Artikel 9 statt Artikel 8 setzen. Als weiteren Tipp hilft es, darauf zu achten, ob es in der jüngeren Vergangenheit durch die jeweilige Fondsgesellschaft eine größere Anzahl an Rückstufungen von Nachhaltigkeitsfonds gegeben hat. Das wäre ein Hinweis, dass in Anbetracht der nun vorgeschriebenen Transparenz der Glaube an die eigene Nachhaltigkeit plötzlich verloren gegangen ist, und spricht nicht für das jeweilige Fondshaus.
Alles eine Sache der Definition
Auf Artikel 8 und Artikel 9 zu schauen, ist allerdings ebenfalls keine Garantie für eine verifizierte Nachhaltigkeit. Ein gutes Beispiel ist der Vergleich mit einem Erdbeerjoghurt: Aufgrund gesetzlicher Vorgaben werden dort sämtliche Zutaten ausgewiesen. Damit wird einerseits Transparenz ähnlich wie bei den Vorgaben für Nachhaltigkeitsfonds geschaffen, allerdings verursacht es für den Konsumenten einen enormen Aufwand, sämtliche Zutatenlisten zu lesen und miteinander zu vergleichen.
Externe Zertifizierung ist Key
Wer keine Zeit für diese Selbstrecherche hat, kann dies den Auditoren von Nachhaltigkeitssiegeln überlassen. So können Fondsgesellschaften wie beim TÜV ihre Fonds für eine Nachhaltigkeitsanalyse beim Österreichischen Umweltzeichen oder dem deutschen FNG-Siegel einreichen und erhalten bei positiver Prüfung als Plakette das Umweltzeichen bzw. das FNG-Siegel mit bis zu drei Sternen, abhängig vom Ergebnis der Nachhaltigkeitsqualität.
Auch hier kommt der Erdbeerjoghurt als Vergleich zum Einsatz: Mittlerweile wird auf Lebensmitteln der „NutriScore“ abgebildet, der die Lebensmittelqualität in Bezug auf die Gesundheit bewertet. Zwar hat auch dieses Siegel Defizite, doch hilft es in den meisten Fällen auf einen Blick, Produkte einzuordnen.
Eine Frage des Vertrauens
Für Fondsgesellschaften steht selbst viel auf dem Spiel, wenn sie nachhaltige Produkte vertreiben, nämlich ihre eigene Reputation. Dies wiegt umso schwerer, je länger das Fondshaus im Bereich nachhaltiger Anlage schon unterwegs ist.
Zusätzlich gilt es zu beachten, dass nicht nur über das Investment selbst im jeweiligen Fonds ein Impact erzielt werden kann, sondern noch mehr über den Dialog mit den jeweiligen Unternehmen sowie die Stimmrechtsausübung bei der Hauptversammlung. Dadurch kann Einfluss auf das Management ausgeübt werden, um ESG zu thematisieren und voranzutreiben. Nachhaltige Fondsgesellschaften stellen diesbezüglich entsprechende Informationen auf ihrer Homepage transparent zur Verfügung.
Diese Beiträge lesen Sie auch in AssCompact 02/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Ralf Kabelitz – stock.adobe.com
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