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7. April 2023
Drohendes Provisionsverbot: Mehr Sachlichkeit, bitte

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Drohendes Provisionsverbot: Mehr Sachlichkeit, bitte

Drohendes Provisionsverbot: Mehr Sachlichkeit, bitte

Argumente auf dem Prüfstand

Werfen wir einen Blick auf einige ausgesuchte, öffentlich vorgebrachte Argumente. Da wird zum Beispiel für den Fall der Einführung eines Provisionsverbots ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden prognostiziert, ohne dies mit Fakten zu unterlegen. Demgegenüber schätzte die vom damaligen Verbraucherschutzminister in Auftrag gegebene Studie über die Qualität der Finanzvermittlung in Deutschland den durch Fehlleistungen in der Finanzvermittlung entstehenden jährlichen Schaden auf 20–30 Mrd. Euro. Dabei wurde als erheblicher Verur­sachungsfaktor der durch die Zillmerung von Vertriebsprovisionen erzeugte Verkaufsdruck ausgemacht. Wer hat nun recht? Die Bundesregierung weiß es offenbar auch nicht.

Wenn es heißt, die Branche bekomme den Stecker gezogen und Existenzen würden vernichtet, kann dies allenfalls Vertriebe betreffen, die ihr Geschäftsmodell in hohem Maße auf gezillmerte Abschlussprovisionen aufgesetzt haben. Dabei ist nach der Kenntnis der Unionsfrak­tion im Bundestag noch keineswegs klar, ob Versicherungsanlageprodukte (VAP) überhaupt von dem möglichen Provisionsverbot betroffen wären.

Interessenkonflikte bestehen in beiden Vergütungssystemen

Vielfach wird befürchtet, dass Verbraucher finanziell gar nicht in der Lage seien, vorab dreistellige Honorare zu zahlen und Kleinanleger deshalb keine Beratung mehr bekommen und auf Absicherung verzichten. Machen wir uns mal ehrlich und vergleichen die Systeme anhand einer Einmalanlage in Höhe von 5.000 Euro und einem VAP mit einem Monatsbeitrag in Höhe von 100 Euro und einer Laufzeit von 30 Jahren (ausweislich der kleinen Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag bewegt sich etwa die Hälfte aller Investitionen auf diesem Niveau).

Bei der Vermittlung einer Einmalanlage von 5.000 Euro fallen beispielsweise einmalig Provisionen in Höhe von 4% und laufend jährlich in Höhe von 1% an. Das sind einmalig 200 Euro und jedes Jahr 50 Euro. Dafür kann ein Berater mit einem Stundenverrechnungssatz von 100 Euro ohne zusätzliche Kosten zwei Stunden beraten. Bei fünf Beratungsstunden pro Tag und 20 Arbeitstagen im Monat kann der Berater selbst auf diesem Niveau im Monat 10.000 Euro Umsatz erzielen.

Bei der Vermittlung eines VAP fallen beispielsweise einmalig Abschlussprovisionen in Höhe von 4% der Beitragssumme (36.000 Euro) und laufend 2% des Beitrags an. Das sind einmalig 1.440 Euro und laufend 24 Euro p. a. In unserem Beispiel kann der Berater (Stundenverrechnungssatz von 100 Euro) 14,4 Stunden beraten oder seinen Stundensatz um 100% erhöhen und dafür immer noch 7,2 Stunden beraten. Das sind Kosten, die beim Verbraucher derzeit – in manchen Fällen deutlich höher – sowieso anfallen. Dafür kann er sich auch eine Beratung leisten.

Wenn ein Berater auf Stundenhonorare setzt, besteht natürlich die Gefahr, dass er die Beratungszeit unnötig über Gebühr verlängert, um so höhere Umsätze zu erzielen. Nur verhält er sich ebenso unrechtmäßig wie ein Vermittler, der seine Interessenkonflikte im eigenen Interesse auflöst. Wer sich nicht an Regeln halten will, dem ist es egal, ob er im Lager der Provisions- oder der Honorarbefürworter steht.

Conclusio: Ideologische Positionen beiseiteschieben

Es ging hier darum, an einigen Beispielen aufzuzeigen, wie interessengetrieben und unsachlich die augenblickliche Diskussion ist. Vielleicht besteht eine Chance, die ideologischen Positionen beiseitezuschieben, Vorurteile über Bord zu werfen und sachlich miteinander zu reden, wie dem Verbraucher wirklich geholfen werden kann. Das Ergebnis kann wahrscheinlich nur zu einer Gleichwertigkeit der Systeme führen. Beratung und Bezahlung gleichwertig – unabhängig von Honorar und Provision. Unabdingbar dabei: Angemessenheit und Üblichkeit der Bezahlung. Gerade Makler und Verbraucherschützer sind gar nicht so weit auseinander. Es gab mal eine Zeit, in der der Referent für Versicherungen beim Verbraucherzentrale Bundesverband davon überzeugt war, dass ihr Berufsbild ausfüllende Versicherungsmakler gleichzeitig Verbraucherschützer sind. Also.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 98 f., und in unserem ePaper.

Bild: © oatawa – stock.adobe.com