3. Der Zeitpunkt der Prospektübergabe ist nicht oder falsch dokumentiert.
Die Frage, ob bzw. wann der Prospekt übergeben wurde, ist in den meisten Haftungsprozessen streitig. Dem Anleger obliegt zwar der Beweis, dass er den Prospekt nicht rechtzeitig erhalten hat. Allerdings kann er hierfür häufig einen Zeugen benennen (z. B. den Ehegatten), während der Berater nicht über einen Gegenzeugen verfügt, weil er die Beratung alleine durchgeführt hat. Glaubt das Gericht dem Zeugen des Anlegers, ist die Gefahr groß, dass der Berater wegen unzureichender Risikoaufklärung verurteilt wird. Dem lässt sich begegnen, indem man den Zeitpunkt der Prospektübergabe in der Beratungsdokumentation festhält. Dann hat man trotz fehlendem Zeugen einen Gegenbeweis, den das Gericht in den meisten Fällen für „glaubhafter“ hält als den Ehegatten des Anlegers (nach dem Motto: Papier lügt nicht). Einen überzeugenden Beweiswert erhält die Beratungsdokumentation aber nur, wenn sie vom Anleger gegengezeichnet wurde.
Das Ganze gilt aber nur, wenn man den Prospekt tatsächlich rechtzeitig übergeben und das zutreffende Datum dokumentiert hat. Andernfalls kehrt sich der Vorteil schnell in einen Nachteil um. Denn dann liefert man dem Anleger sogar ein Beweismittel für seine Version, dass der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben wurde.
Praxistipp
Der konkrete Zeitpunkt der Prospektübergabe sollte dokumentiert und vom Anleger unterschriftlich bestätigt werden. Hierzu reicht eine kurze Erklärung: „Der Anleger bestätigt, den Prospekt am ... erhalten zu haben.“ Sofern in der Beratungsdokumentation ein solcher Text vorformuliert enthalten ist, sollte unbedingt auch ein Datum eingetragen werden. Andernfalls kann die fehlende Datumsangabe vom Gericht als Indiz dafür gewertet werden, dass der Prospekt nicht ausgehändigt wurde. Besondere Sorgfalt sollte dabei dem richtigen Datum gewidmet werden. In der Regel wird die Beratungsdokumentation erst am Zeichnungstag erstellt, hierbei ist zu vermeiden, dass durch die Formulierungen der Eindruck entstehen könnte, auch der Prospekt sei an diesem Tag überlassen worden.
4. Es werden Risikohinweise im Beratungsgespräch verharmlost oder Risiken bewertet und z. B. als unwahrscheinlich dargestellt.
Nach der Rechtsprechung reicht zwar die rechtzeitige Prospektübergabe aus, um eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung durchzuführen. Gleichwohl stellt dies nach der Rechtsprechung keinen Freibrief für den Vermittler dar, im Beratungsgespräch hiervon abweichende Aussagen zu treffen oder Risikohinweise zu verharmlosen. Häufig behaupten Anleger im Gerichtsverfahren, der Berater habe im mündlichen Gespräch die im Prospekt oder auch in der Beratungsdokumentation dargestellten Risiken verharmlost und als unwahrscheinlich dargestellt. Zwar trifft den Anleger auch für diese Behauptung wiederum die Darlegungs- und Beweislast. Häufig hängt die Entscheidung des Gerichtes in diesen Fällen aber von einer Beweisaufnahme ab, deren Ausgang regelmäßig unwägbar ist.
Praxistipp
Es ist darauf zu achten, dass auch in der Beratungsdokumentation keine vom Prospekt abweichenden Aussagen getroffen werden. An dieser Stelle gilt der Grundsatz, lieber weniger als etwas Falsches oder Missverständliches zu dokumentieren. Außerdem sollte in der Beratungsdokumentation ebenfalls festgehalten werden, welche Personen an den einzelnen Beratungsgesprächen tatsächlich teilgenommen haben, um auszuschließen, dass der Anleger später einen Zeugen benennen kann, der seine Behauptungen der abweichenden mündlichen Aufklärung vor Gericht bestätigt, obwohl er in Wahrheit an der Beratung gar nicht teilgenommen hat.
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