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17. Juni 2024
Die wichtigsten Fehler bei der Anlageberatung
Die wichtigsten Fehler bei der Anlageberatung und wie man sie vermeidet

Die wichtigsten Fehler bei der Anlageberatung

Kunden zur richtigen Entscheidung über ihre Geldanlage zu verhelfen, ist zunächst ein sinnvolles Unterfangen – aber bietet eben auch Potenzial für schwerwiegende Fehler. Rechtsanwalt und AfW-Vorstand Norman Wirth klärt über einige typische Beratungsfehler auf und gibt Tipps, wie man sie am besten vermeidet.

Ein Artikel von Norman Wirth, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte

Vor Fehlern sind auch Anlageberater nicht gefeit. Wie in anderen Berufen gilt der Grundsatz: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Allerdings wirken sich Pflichtverstöße gegenüber dem Kunden für Anlageberater häufig signifikanter aus als in anderen Berufen. In der Regel führt der Pflichtverstoß dazu, dass der Berater den gesamten Verlust des Anlegers zu ersetzen hat, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Verlust auf der Pflichtverletzung beruht oder aus anderen Gründen eingetreten ist. Dabei gibt es bestimmte Pflichtverletzungen, die in der anwaltlichen Beratung immer wieder auftreten. Diesen typischen Beratungsfehlern widmet sich der Beitrag und gibt Tipps, wie sie sich vermeiden lassen.

1. In der Beratungsdokumentation werden sich widersprechende Anlageziele dokumentiert.

Der Anlageberater ist verpflichtet, den Anleger anlegergerecht zu beraten. Dabei muss sich seine Beratung an den Wünschen und Anlagezielen des Anlegers orientieren. Wenn der Anleger beispielsweise als Anlageziel zunächst eine sichere Altersvorsorge nennt, sich während der Beratung jedoch herausstellt, dass ihm die damit zu erzielende Rendite zu gering ist und er später im Interesse einer höheren Rendite auch bereit ist, ein größeres Risiko einzugehen, ist es wichtig, dass auch der Wechsel der Anlageziele dokumentiert wird. Der Beratungsdokumentation muss sich entnehmen lassen, dass der Anleger das ursprünglich genannte Anlageziel (sichere Altersvorsorge) aufgegeben hat und eine höhere Rendite erzielen möchte. Anderenfalls kann der Anleger eine Falschberatung darauf stützen, dass die Empfehlung einer Anlage mit Verlustrisiken nicht zu dem zuerst genannten Anlageziel der sicheren Altersvorsorge passt. Wenn die Änderung der Anlageziele nicht dokumentiert ist, spricht die Beratungsdokumentation in diesen Fällen für eine fehlerhafte Beratung.

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Wenn der Anleger sich widersprechende Anlageziele nennt, z. B. eine sichere Altersvorsorge und eine hohe Rendite, ist er darauf hinzuweisen, dass beide sich ausschließen und eine Empfehlung nicht möglich ist. Dieser Hinweis sollte auch im Beratungsprotokoll dokumentiert werden. Die in der Beratungsdokumentation genannten Anlageziele müssen immer der empfohlenen Anlage entsprechen.

2. Der Prospekt wird nicht oder nicht rechtzeitig übergeben.

Der Prospekt ist faktisch das wichtigste Instrument, um eine Haftung zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung genügt der Berater seiner Pflicht zur Risikoaufklärung durch bloße Überlassung des Prospektes, sofern dort die Risiken der Anlage zutreffend beschrieben werden (was heutzutage fast immer der Fall ist). Dies gilt aber nur, wenn der Prospekt dem Anleger so rechtzeitig übergeben wird, dass er vor der Zeichnung noch zur Kenntnis genommen werden kann. Eine unterlassene oder verspätete Prospektübergabe führt zwar nicht automatisch zu einer Haftung, jedoch wird das Haftungsrisiko erheblich erhöht. Denn dann muss der Berater mündlich über alle wesentlichen Risiken aufklären. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich später im Prozess herausstellt, dass zumindest ein Risiko verschwiegen wurde (dies genügt im Regelfall für eine volle Haftung), ist naturgemäß sehr hoch. Dieses Problem stellt sich hingegen nicht, wenn der Anleger den Prospekt rechtzeitig erhalten hat, weil dort in der Regel alle Risiken beschrieben sind. Der Gefahr, dass der Berater bei seinen mündlichen Ausführungen ein Risiko vergisst, wird so begegnet.

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Der Berater sollte es sich zur goldenen Regel machen, dass die Zeichnung nie am Tag der Prospektübergabe erfolgt, sondern auf einen späteren Termin vertagt wird. Zwischen beiden Terminen sollte ein Zeitraum von ein bis zwei Wochen liegen, je nach Komplexität der Anlage und Umfang des Prospektes. Von übereilten Abschlüssen ist dringend abzuraten.

3. Der Zeitpunkt der Prospektübergabe ist nicht oder falsch dokumentiert.

Die Frage, ob bzw. wann der Prospekt übergeben wurde, ist in den meisten Haftungsprozessen streitig. Dem Anleger obliegt zwar der Beweis, dass er den Prospekt nicht rechtzeitig erhalten hat. Allerdings kann er hierfür häufig einen Zeugen benennen (z. B. den Ehegatten), während der Berater nicht über einen Gegenzeugen verfügt, weil er die Beratung alleine durchgeführt hat. Glaubt das Gericht dem Zeugen des Anlegers, ist die Gefahr groß, dass der Berater wegen unzureichender Risikoaufklärung verurteilt wird. Dem lässt sich begegnen, indem man den Zeitpunkt der Prospektübergabe in der Beratungsdokumentation festhält. Dann hat man trotz fehlendem Zeugen einen Gegenbeweis, den das Gericht in den meisten Fällen für „glaubhafter“ hält als den Ehegatten des Anlegers (nach dem Motto: Papier lügt nicht). Einen überzeugenden Beweiswert erhält die Beratungsdokumentation aber nur, wenn sie vom Anleger gegengezeichnet wurde.

Das Ganze gilt aber nur, wenn man den Prospekt tatsächlich rechtzeitig übergeben und das zutreffende Datum dokumentiert hat. Andernfalls kehrt sich der Vorteil schnell in einen Nachteil um. Denn dann liefert man dem Anleger sogar ein Beweismittel für seine Version, dass der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben wurde.

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Der konkrete Zeitpunkt der Prospektübergabe sollte dokumentiert und vom Anleger unterschriftlich bestätigt werden. Hierzu reicht eine kurze Erklärung: „Der Anleger bestätigt, den Prospekt am ... erhalten zu haben.“ Sofern in der Beratungsdokumentation ein solcher Text vorformuliert enthalten ist, sollte unbedingt auch ein Datum eingetragen werden. Andernfalls kann die fehlende Datumsangabe vom Gericht als Indiz dafür gewertet werden, dass der Prospekt nicht ausgehändigt wurde. Besondere Sorgfalt sollte dabei dem richtigen Datum gewidmet werden. In der Regel wird die Beratungsdokumentation erst am Zeichnungstag erstellt, hierbei ist zu vermeiden, dass durch die Formulierungen der Eindruck entstehen könnte, auch der Prospekt sei an diesem Tag überlassen worden.

4. Es werden Risikohinweise im Beratungsgespräch verharmlost oder Risiken bewertet und z. B. als unwahrscheinlich dargestellt.

Nach der Rechtsprechung reicht zwar die rechtzeitige Prospektübergabe aus, um eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung durchzuführen. Gleichwohl stellt dies nach der Rechtsprechung keinen Freibrief für den Vermittler dar, im Beratungsgespräch hiervon abweichende Aussagen zu treffen oder Risikohinweise zu verharmlosen. Häufig behaupten Anleger im Gerichtsverfahren, der Berater habe im mündlichen Gespräch die im Prospekt oder auch in der Beratungsdokumentation dargestellten Risiken verharmlost und als unwahrscheinlich dargestellt. Zwar trifft den Anleger auch für diese Behauptung wiederum die Darlegungs- und Beweislast. Häufig hängt die Entscheidung des Gerichtes in diesen Fällen aber von einer Beweisaufnahme ab, deren Ausgang regelmäßig unwägbar ist.

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Es ist darauf zu achten, dass auch in der Beratungsdokumentation keine vom Prospekt abweichenden Aussagen getroffen werden. An dieser Stelle gilt der Grundsatz, lieber weniger als etwas Falsches oder Missverständliches zu dokumentieren. Außerdem sollte in der Beratungsdokumentation ebenfalls festgehalten werden, welche Personen an den einzelnen Beratungsgesprächen tatsächlich teilgenommen haben, um auszuschließen, dass der Anleger später einen Zeugen benennen kann, der seine Behauptungen der abweichenden mündlichen Aufklärung vor Gericht bestätigt, obwohl er in Wahrheit an der Beratung gar nicht teilgenommen hat.

Bild: © Unitas Photography – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Norman Wirth

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 22. Juni 2024 - 09:37

Nach allen Kosten, selbst bei 2% Inflation, wird auch bei steigenden Börsenkursen, auch gefördert, seit über 15 Jahren selten eine positive Realrendite erwirtschaftet. Müssen Versicherer und Berater nicht darauf hinweisen? Es wird auch auf die hohe Förderung hingewiesen, die allein mit den Garantiekosten wie ein Tropfen Wasser in der Wüste, verdunstet. Der ebenfalls immer erwähnte Zinseszinseffekt, der bei Renditen um 0 Prozent nicht stattfindet, kein Beratungsfehler bei konstanten Verlusten?  Keinerlei Risiko, für Vermittler, Betriebsräte, Unternehmer für Stornos ab Beginn?  Vielleicht könnte man im Sinne fairer Beratung im Sinne unserer Kunden, die blind vertrauen und trotz jährlichen Hinweisen, sicher erst zu spät realisieren, dass sie auch mit hohen Beiträgen nicht adäquat vorsorgen konnten, die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise korrekt beleuchten.