Interview mit Helen Windischbauer, Head of Multi Asset Solutions bei Amundi Deutschland
Frau Windischbauer, der Dax hat Anfang März die 23.000 Punkte geknackt – und das, obwohl die Lage weltweit aktuell immer unruhiger wird, siehe Trump-Zölle und die Spannungen mit der Ukraine. Woran liegt’s?
Die europäischen Aktienmärkte zeigen seit Jahresanfang eine beachtliche Kursentwicklung, auch im Vergleich zu den US-amerikanischen Märkten. Führend ist der Dax, der die Hoffnung der Investoren auf ein großes europäisches und deutsches Konjunkturprogramm widerspiegelt. Ein starker Impuls, der von diesen Programmen auf das Wirtschaftswachstum und damit auch die Aussicht auf höhere Unternehmensgewinne ausgehen kann, sind hierfür die Gründe. Branchen wie bspw. die Baubranche werden von dem zu erwartenden Fiskalimpuls und Infrastrukturvorhaben profitieren können. Insgesamt ist der Dax aufgrund seiner relativ niedrigen Bewertung sehr interessant. Es besteht noch viel Aufholpotenzial im deutschen Leitindex.
Wie stark treiben die Rüstungsaktien die Kurse nach oben? Und wie schätzen Sie die Entwicklung von Rüstungsaktien mittelfristig ein?
Die Aktien von Verteidigungsunternehmen haben erneut von der geopolitischen Entwicklung profitiert und damit zur Kursentwicklung beigetragen. Es ist davon auszugehen, dass zunächst US-Unternehmen von den steigenden Verteidigungsausgaben profitieren werden. Erst mit zeitlicher Verzögerung werden europäische Unternehmen davon profitieren.
Am US-Markt sieht es aktuell ganz anders aus – dort gehen die Kurse stark nach unten. Sind die von Präsident Trump verhängten Handelszölle dafür hauptverantwortlich?
Das Hin und Her bei den US-amerikanischen Zollplänen belastet den US-Aktienmarkt. Die damit einhergehende Unsicherheit ist nie ein gutes Umfeld für anstehende Investitionen. In der aktuellen Gemengelage erscheinen die Aktienmärkte in Europa und Asien daher interessanter. Neben den Unsicherheiten der US-Zollpolitik belastet auch das Vorgehen der DOGE (Department of Government Efficiency) – Stellungskürzungen im öffentlichen Dienst – sowie die zuletzt schwächeren US-Konjunkturindikatoren den US Wachstumsausblick.
Auch Amazon, Apple und Co. lassen derzeit nach anfänglicher „Trump-Euphorie“ Federn. War’s das mit dem starken Antrieb der „Magnificent Seven“ (Mag7)?
Seit Jahresanfang hat der S&P493 die Mag7 deutlich outperformt. Wir setzen schon seit einer Weile auf eine Beimischung im Portfolio des gleichgewichteten Index. Denn der breite Markt wird hinsichtlich Gewinndynamik langsam an die Mag7 aufschließen. Grundsätzlich sind wir strukturell positiv auf den Megatrend IT-Entwicklung, sind jedoch selektiv bei einzelnen Unternehmen und vorsichtig bei der extrem hohen Bewertung.
Kann man Aussagen über mittel- bis langfristige Folgen der Handelszölle für den (vorwiegend deutschen) Markt treffen?
Da die Dax-Unternehmen einen relativ hohen Exportanteil haben, würden US-Zölle einen großen Teil der Ausfuhren betreffen. Natürlich wäre die angedrohte Verschlechterung der Handelsbeziehungen schwierig für deutsche Unternehmen, vor allem für Branchen, die gerade einen strukturellen Wandel vollziehen müssen. Allerdings ist nach wie vor Deutschlands wichtigster Handelspartner die Europäische Union. Zudem bieten die aufstrebenden Volkswirtschaften weltweit ein großes Handels- und Nachfragepotenzial und damit positive Chancen.
Was würden Sie Anlegern bei ihren Investitionsentscheidungen derzeit raten?
Bei derzeitigen Investitionsentscheidungen ist darauf zu achten, wie sich die schwächeren US-Konjunkturdaten und Handelspolitik weiter entwickeln werden. Europäische Aktien mit niedrigeren Bewertungen und von Binnen- bzw. EU-orientierten Unternehmen erscheinen derzeit interessanter. Angesichts der geopolitischen Entwicklung ist es angeraten, das Portfolio breit in allen Asset-Klassen aufzustellen und natürliche Hedges wie Gold mit aufzunehmen.
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