Ein Interview mit Paul Huelsmann, CEO und Gründer der FINEXITY AG
Herr Huelsmann, wie kam es dazu, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Co-Gründer, Henning Wagner, FINEXITY an den Start gebracht haben?
Henning und ich haben uns damals bei einem großen Konzern kennengelernt, bei dem wir gemeinsam einen globalen Inkubator aufgebaut haben. Das heißt: Wir haben aus dem Unternehmen heraus Start-ups gegründet. Das waren damals 14 Unternehmungen, von denen sechs bereits im Blockchain-Bereich angesiedelt waren. Wir waren also recht früh in der ganzen Thematik Blockchain drin und lernten schnell, wie wir Business Cases schaffen, durch die am Ende auch ein Mehrwert für den Kunden generiert wird. Bei vielen Projekten mussten wir aber feststellen, dass die Transaktionen über die Blockchain zwar effizient gestaltet wurden, der Business Case am Ende aber nicht mehr funktionierte. Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, beides zu vereinen: einerseits schlanke, effiziente Transaktionen über die Blockchain und andererseits für Privatanleger passende Assets, die zum kontinuierlichen Vermögensaufbau beitragen.
Und wie haben Sie die Ihrer Meinung nach passenden Assets identifiziert?
Wir haben uns die Portfoliostruktur von Ultrareichen – also von Personen mit einem freien Vermögen von 30 Mio. US-Dollar oder mehr – angesehen. Diese Ultrareichen allokieren durchschnittlich knapp 50% ihres gesamten Portfolios in alternativen Kapitalanlagen. Daraus ergeben sich aber vier Probleme.
Welche sind das?
Erstens: extrem hohe Eigenkapitalanforderungen. Wer heute eine Immobilie kaufen möchte, braucht mindestens 10% Eigenkapital, selbst bei einer 100%-igen Finanzierung. Immerhin machen die Nebenkosten allein schon 10% aus. Wenn es sich dann noch um eine Immobilie handelt, die in einer Stadt wie Hamburg liegt, kommen bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung schnell 50.000 Euro Eigenkapital zusammen. Diese 50.000 Euro sind dann bereits nötig, um überhaupt die Finanzierung zu erhalten.
Zweitens: Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern. Nehmen wir beispielsweise den Kunstmarkt. Der Kunstmarkt ist ein sehr, sehr intransparenter Markt für Nicht-Experten. Für diejenigen, die aber in der Thematik drin sind, lassen sich gute Deals machen. Das sind zum Beispiel Auktionshäuser, große Galeristen oder auch Kunst-Broker, die am Markt agieren. Als Privatanleger habe ich aber weder die Möglichkeit, tief genug in den Markt einzusteigen, noch verfüge ich über das finanzielle Volumen, ab dem beispielsweise ein Family Office für mich interessant wäre.
Der dritte Punkt ist der Verwaltungsaufwand. Das heißt: Wer sich heute einen Oldtimer kauft, der muss sich morgen um die Wartung kümmern. Weiter geht es mit einem Wirtschaftsplan, dann muss dafür gesorgt werden, dass die Reparaturen ordentlich durchgeführt werden usw. Der Aufwand, das Gut ordentlich zu verwalten, ist also groß.
Und der vierte Punkt, weshalb Privatanleger heute eine ganz andere Portfoliostruktur haben als die Ultrareichen: Privatanleger brauchen die Flexibilität bzw. die Liquidität. Sie müssen in der Lage sein, ihre Vermögenswerte schnell zu verkaufen, falls sie in Geldnot kommen.
Und wie lösen Sie diese Probleme?
Wir machen all diese illiquiden Vermögenswerte für Privatanleger zugänglich. Über unseren Marktplatz hat der Anleger die Möglichkeit, seine digitalen Anteile jederzeit zu verkaufen, und das Ganze kosteneffizient. Dank der Blockchain-Nutzung sparen wir knapp 80% der Gesamtkosten im Vergleich zu einer konventionellen Verbriefung.
Was ist mit einer konventionellen Verbriefung gemeint?
Das hieße, ein Wertpapier aufzusetzen und über die Börse anzubieten. Wir hingegen verbriefen ein digitales Wertpapier mithilfe der Blockchain. Im Vergleich zu offenen Fonds oder Ähnlichem können wir die Kosten sehr niedrig halten. Gleichzeitig ist der Kunde selbst Entscheider und hat somit immer die volle Kontrolle darüber, was er sich in sein Portfolio holt.
Ich kann auf Ihrer Plattform also digitale Anteile eines Oldtimers, eines Diamanten oder einer Immobilie kaufen. Wem gehört der angebotene Wertgegenstand eigentlich zum Zeitpunkt, wenn er auf Ihrer Plattform angeboten wird? Wem kaufe ich die Anteile ab?
Wir haben verschiedene Zweckgesellschaften, die Teil der FINEXITY Gruppe sind. Diese Gesellschaften kaufen die einzelnen Assets an.
Sie haben vorher aber die Informationsasymmetrie zwischen Experten und Privatanlegern als Problem genannt. Woher kommt Ihre Expertise?
Wir haben da ein starkes Netzwerk von Partnern, die ihre Expertise einbringen. Das können sowohl strategische Aktionäre der FINEXITY AG sein, aber auch ganz normale Sourcing-Partner, die uns Produkte anbieten. Neue Produkte durchlaufen immer zuerst einen Prüfungsprozess. Nehmen wir mal den angesprochenen Oldtimer. Erstmal brauchen wir ein Gutachten. Wir schauen uns das Auto also vor Ort an, dafür haben wir auch intern erfahrene Experten. Wenn die Zahlen stimmen, die potenzielle Wertentwicklung passt und wir mit den Vorbesitzern zufrieden sind, wandert die Sache zum Investment-Komitee. Gibt das Komitee grünes Licht, kaufen wir das Asset an und haben es dann in den eigenen Büchern.
FINEXITY hat im Endeffekt bis hierhin ein Auto gekauft. Wie wird das jetzt für Ihre Kunden investierbar?
Jetzt kommt die Blockchain ins Spiel. Die zuvor angesprochene Zweckgesellschaft emittiert ein digitales Wertpapier. Dieses Wertpapier wird auf unserer Plattform gelistet und kann dann an Anleger vermittelt werden. Der Anleger wiederum partizipiert an der kompletten Wertentwicklung. Wenn es sich bei dem Asset beispielsweise um eine Immobilie handelt, profitiert man wie ein Eigentümer von allen Faktoren – auch von potenziellen Mieteinnahmen.
Wie ein Eigentümer? Die Anleger erwerben also kein Eigentum?
Eigentümer des Assets und auch Emittent des digitalen Wertpapiers bleibt die gegründete Zweckgesellschaft.
Sie gehen beim Ankauf des Investments also in Vorleistung? Wie häufig sind denn solche Platzierungen auf Ihrer Plattform bisher gescheitert?
Alle Platzierungen sind bisher erfolgreich verlaufen. Und sollte es mal länger dauern, wäre das überhaupt nicht schlimm. Wir glauben an die Assets und ihre Wertentwicklung. Unter diesen Umständen würden wir die Anteile als FINEXITY AG einfach eine Weile selbst halten. Außerdem hätten wir noch einige Anker-Investoren in der Hinterhand, die das Produkt notfalls schließen würden. Eine Rückabwicklung haben Anleger dementsprechend nicht zu befürchten.
Und wie lange dauert so eine Platzierung?
Letztes Jahr haben wir die Platzierung aus dem Immobilienbereich im Wert von 1,5 Mio. Euro innerhalb von fünf Werktagen abgeschlossen. Bei anderen Assets wie Oldtimern kann es aber auch mal zwei, drei Wochen dauern.
Zum Abschluss: Sie behaupten, dass FINEXITY das Zeug dazu hat, das magische Dreieck der Vermögensanlage aufzuheben. Wie ist das gemeint?
Beim magischen Dreieck geht es um Liquidität, Rendite und Risiko bzw. Sicherheit. Sie können üblicherweise aber maximal zwei von drei haben. Das heißt: Die Stiftung der Eliteuniversität Yale hat in den letzten Jahren eine Überperformance im Vergleich zu allen relevanten Indizes hingelegt. Das Kapital der Stiftung ist aber zu um die 90% in alternativen Vermögenswerten investiert. Rendite und Sicherheit sind also gegeben, aber bei der Liquidität muss man signifikante Abstriche machen.
Durch die Tokenisierung des jeweiligen Assets hebeln wir dieses Gesetz aus. Anleger können ihre Anteile stets frei auf dem Sekundärmarkt handeln. Wer sein Investment abstoßen möchte, weil er die Liquidität braucht, muss im Falle eines Kunstwerks im Gegenwert von 100.000 Euro nicht eine Person finden, die ihm 100.000 Euro bietet. 100 Personen mit jeweils 1.000 Euro funktionieren ebenso gut. Die potenzielle Nachfrage wird also erhöht, während das Angebot unverändert bleibt. Langfristig könnte der Marktwert einzelner Güter durch diese Evolution im Finanzmarkt sogar deutlich steigen.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2022, S. 44 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Jo Panuwat D – stock.adobe.com
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