Der Pflegebedarf in der Bundesrepublik Deutschland und auch die Kosten für die Betroffenen und Angehörigen steigen – eine Besserung ist nicht in Sicht.
In Zukunft werde die Kostenbelastung in der Pflege aufgrund steigender Eigenanteile immer größer, weiß Frauke Fiegl, Vorsitzende des Vorstands der ERGO Krankenversicherung AG und der DKV Deutsche Krankenversicherung AG sowie Mitglied des Vorstands der ERGO Deutschland AG. Bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim liege im ersten Jahr der durchschnittliche Eigenanteil bei knapp 2.600 Euro pro Monat (Stand Januar 2024). Die letzte Pflegereform entlaste hier nur bedingt, sagt sie. Denn das Grundproblem bleibe: „Die gesetzliche Pflegeversicherung ist nur eine Grundsicherung. Trotz des bekannten Teilkaskocharakters ist die notwendige zusätzliche private Vorsorge immer noch zu wenig verbreitet.“
Der „Pflegefall Pflege“
Der „Pflegefall Pflege“ beschäftigt nicht nur die Betroffenen und deren Familienangehörige, sondern liegt selbstverständlich auch im politischen Berlin auf dem Tisch – zwar nicht erst seit gestern, aber spätestens seitdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Ende Mai in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland von einem „explosionsartigen Anstieg“ der Pflegebedürftigen sprach. Überlegungen zur Problematik gibt es viele, auch gesprochen wird viel. Ob die Finanzreform der Pflege noch in dieser Legislatur stattfindet, ist fraglich. Nötig wäre es: Laut einer Mitteilung des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) von Anfang Juli erwartet die soziale Pflegeversicherung für dieses Jahr ein Defizit von 1,5 Mrd. Euro und fürs kommende Jahr ein Minus von 3,4 Mrd. Euro. Ein Konzept für die Pflege-Finanzreform soll Lauterbach zufolge nach der Sommerpause folgen.
Aber vielleicht gibt es nicht nur von gesetzlicher Ebene Lösungsansätze, sondern auch an anderer Stelle. Einer wäre also eine Pflegeversicherung von betrieblicher Seite – nicht zuletzt, nachdem die betriebliche Krankenversicherung (bKV) bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern immer höher im Kurs steht, ist der Sprung zu einer betrieblichen Pflegeversicherung (bPV) nicht weit. Teilweise wird sie schon umgesetzt, so z. B. bei der Henkel AG, fliegt aber an vielerlei Stelle noch unter dem Radar. Liegen hier Potenziale – sowohl für die Problembekämpfung als auch für Makler? AssCompact hat sich in der Branche umgehört und den Sachstand erfragt.
Was da ist, wird genutzt
Die Firma Henkel bietet bereits seit Januar 2019 als erstes deutsches Unternehmen eine betriebliche Pflegezusatzversicherung (CareFlex) für ambulante, stationäre und teilstationäre Pflege an. Dabei greift der Versicherungsschutz sofort nach Eintritt ins Unternehmen ohne Gesundheitsprüfung und Wartezeit und es gibt auch ein Angebot, um Familienmitglieder zu schützen. Die Resonanz bei den Mitarbeitern für das Angebot sei sehr positiv, die rund 8.500 Henkel-Mitarbeiter in Deutschland seien durch die betriebliche Pflegezusatzversicherung abgesichert, und zusätzlich seien mehr als 4.600 Zusatzverträge für eine Aufstockung der Versicherung oder Familienmitglieder abgeschlossen worden, teilt eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage von AssCompact mit. In den letzten Jahren habe das Thema Pflege immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiter würden sich insbesondere damit beschäftigen, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht.
Direkte Erlebbarkeit vs. nachhaltige Vorsorge
Einen weiteren Aspekt nennt Fiegl: Sie meint, die bPV sei noch nicht so weit verbreitet wie ihre große Schwester, die bKV. „Die Argumentation für die bKV ist anders als für die bPV. Bei der bKV steht die direkte Erlebbarkeit der Mitarbeiter im Fokus, da der Arbeitgeber sich z. B. mit einem Zahnprodukt gleich beim nächsten Zahnarztbesuch des Mitarbeiters an der Rechnung beteiligen kann.“
Und das macht wohl auch für die Beschäftigten einen direkten Unterschied. Denn bei der bPV gehe es hingegen eher um den Vorsorgecharakter, so Fiegl. „Auch wenn Pflege kein reines Thema des Alters ist, kommen die meisten Leistungsfälle erst nach vielen Jahren – oft erst nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus der Firma – zum Tragen.“
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Leserkommentare
Comments
Flaschenhals |
Andreas Hofmann bringt es auf den Punkt: „Es fängt auch immer bei dem Vermittler bzw. Makler an."
Seit Jahren führe ich als Betrieblicher Pflegelotse, mit 13 Jahre Hospizbegleitung und Fachausbilder für Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, Trainings für Versicherer und Banken zur Pflege durch. Die Fachkenntnis ist in dem Bereich Pflege sehr schlecht. Ausnahmen gibt es nur, wenn der Vermittler selber schon in der Pflegesituation war.
Mich wundert: Wer eine BU verkauft, verkauft selten eine Pflegeabsicherung.
Das Vertriebspotential ist gewaltig. Henkel macht es vor.
Ulrich Welzel
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