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6. Juli 2024
Asien: Der Kontinent der großen Zahlen

Asien: Der Kontinent der großen Zahlen

Die aktuellen politischen Geschehnisse rücken auch im Investment immer mehr in den Fokus – gerade in Zeiten des Superwahljahres. Auch in Asien tut sich dieses Jahr so einiges. Ein ETF-Experte beim Vermögensverwalter Franklin Templeton gibt einen Einblick, worauf Berater und Anleger achten sollten.

Interview mit Martin Bechtloff, ETF Distribution, Germany andAustria bei Franklin Templeton
Herr Bechtloff, zum Einstieg eine kurze Einschätzung zur aktuellen Lage in der Region Asien?

Sehr gerne, und vielen Dank für die Einladung zum Interview! Die aktuelle Lage am Asienmarkt hängt von vielen Faktoren ab wie geopolitischen Entwicklungen, von wirtschaftlichen Entwicklungen und auch von politischen Entscheidungen. Im Allgemeinen lässt sich aber sagen, dass wir mit Asien einen extrem vielfältigen und heterogenen Kontinent haben, der sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt hat. Wir finden dort die mit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften überhaupt, wenn sie auf China oder Indien blicken, in den kommenden Jahren aber auch Länder wie Indonesien. Auch wird Asien, wie schon im letzten Jahr, in diesem Jahr über die Hälfte zum globalen Wirtschaftswachstum beisteuern. Daher ist der Kontinent für mich persönlich immer eine Region der großen Zahlen. An den Aktienmärkten finden wir extrem heterogene Entwicklungen, sodass man z. B. Indien mit China oder Japan nur schlecht vergleichen kann. Wichtig für uns im Westen ist: Die Region Asien, genau wie Europa oder Amerika, ist extrem vielfältig, und das sieht man dann zum Beispiel auch an geopolitischen Entwicklungen und den wirtschaftlichen Entwicklungen.

Gefühlt ging der Fokus in den letzten Jahren etwas weg von Asien – wohl auch aufgrund einer etwas schwächeren Performance aus der Weltmacht China. Wie geht es hier weiter?

Sie sprechen vom chinesischen Bärenmarkt, den wir am Aktienmarkt insbesondere 2023 gesehen haben. China ist aber nicht gleich Asien und nicht gleich Emerging Markets, wenngleich ein wichtiger Baustein. Ja, taktisch kam der chinesische Aktienmarkt unter Druck. Wir bei Franklin Templeton sind jedoch der Überzeugung, dass es langfristig immer noch sehr gute Gründe gibt, ihn nicht aus dem Blick zu verlieren, wie beispielsweise die günstigen Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Man darf auch nicht vergessen, dass China in den Portfolios der Anleger auch in den letzten Jahren immer beliebter wurde, gerade weil es sich vorher ziemlich stark dynamisch entwickelt hatte. Die Frage nach der Einschätzung des chinesischen Marktes aber muss jeder Investor einzeln für sich beantworten.

Apropos China: Indien macht hier in vielerlei Hinsicht Konkurrenz und erlebt gerade einen Aufschwung. Spüren Sie dies auch bei Ihren Produkten?

In der Tat, ja, sowohl bei passiven als auch bei aktiven Investments. Die Gründe dafür sind vielfältig. Indische Aktien werden aus gutem Grund mit einer Prämie gegenüber den Schwellenländer-Aktien gehandelt. Die indische Wirtschaft entwickelt sich sehr dynamisch – bereits jetzt ist sie die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und wird laut dem Internationalen Währungsfonds bis Ende des Jahrzehnts zur drittgrößten aufsteigen. Dieser wirtschaftliche Aufschwung hat sich auch an den Aktienmärkten bemerkbar gemacht, wodurch er in den letzten 20 Jahren zu einem der attraktivsten Märkte geworden ist. Und auch geopolitisch findet man in Indien verhältnismäßig stabile Rahmenbedingungen mit einer gegenüber ausländischen Investoren offenen Regierung und immer mehr global operierenden Konzernen, die ihre Produktion nach Indien verlagern.

Dann gibt es da noch Taiwan und Südkorea, die gerade durch die Tech-Branche einen regelrechten Boom erleben – Stichwort Halbleiterindustrie. Wie beurteilen Sie hier den aktuellen Hype?

Über 90% der modernsten Halbleiter (mit Blick auf KI) werden in Taiwan hergestellt und Südkorea dominiert inzwischen den Markt für Hochleistungschips mit einem Anteil von fast zwei Dritteln an der weltweiten Produktion. Beide Nationen sind also im Tech-Bereich auch aus globaler Perspektive sehr wichtig und dürften volkswirtschaftlich von dem Aufschwung in der Halbleiterindustrie profitieren. Infolgedessen liegen die Wachstumsprognosen beider Länder für 2024 deutlich über den Werten aus 2023.

Interessant beim Thema Taiwan und Südkorea ist auch, dass wir die Entwicklung dort in Zyklen beobachten: Seit etwa 2000 folgen diese einem relativ vorhersehbaren Muster von etwa sechs Quartalen vom Höhepunkt zum Tiefpunkt. Demzufolge befinden wir uns aktuell in der Halbleiter-Branche in einer Phase der Expansion. Ein interessanter Zeitpunkt, einen Blick auf beide Märkte zu werfen.

Zudem sind die Einstiegsbarrieren in der Halbleiterindustrie hoch. Denn neue Produktionsanlagen erfordern erhebliche Investitionen und lange Planungs- und Bauzeiten.

2024 ist Superwahljahr – auch in Asien. Inwiefern spielt das für uns im Westen als Anleger bzw. als Berater eine Rolle?

Wir haben sehr wichtige Wahlen in Asien schon gesehen und es kommen noch weitere wichtige. Diese Wahlen können aus Sicht der Anleger mit politischen Unsicherheiten verbunden sein, insbesondere natürlich, wenn es dort Machtverschiebungen gibt, aber auch bei Themen wie der Wirtschaftspolitik, Steuerpolitik, Regulierung und Handelspolitik. Das kann zu kurzfristigen Volatilitäten im Markt beitragen, auf die Investoren potenziell reagieren.

Wo, würden Sie anhand ihrer Anlageprodukte sagen, liegt derzeit der Investitionsschwerpunkt bei Asien? Was wären gute Ansätze?

Wir beobachten seit letztem Jahr, dass die Investoren in den Schwellenländern und in Asien immer granularer vorgehen. Vor allem beliebter werden Aktieninvestments in Schwellenländern und Asien „ex Japan“, und neuerdings eben auch „ex China“.

Auch stellen wir seit etwa eineinhalb Jahren eine sehr starke Nachfrage nach indischen Aktienlösungen fest – und zwar anhaltend. Derart durchweg positives Investoreninteresse ist für einen Aktienmarkt durchaus bemerkenswert.

Vergessen werden sollte aber auch nicht, dass auch China in jüngster Zeit wieder mehr nachgefragt wird. Peking hatte vor einigen Wochen ein größeres Stützungspaket zur Stärkung und Stabilisierung des heimischen Aktienmarkts veröffentlich, und das war auch im Interesse der Anleger reflektiert.

Wie sieht das in den Fondspolicen aus?

Ursprünglich war das Interesse an asiatischen Anlageprodukten gestartet durch Aktienfonds mit Schwerpunkt auf „Asian Growth“, also das asiatische Wachstum, welches eben langfristig mit hohen Wachstumszahlen, auch verglichen mit denen in Europa, überzeugt. Daher möchten die Anleger gerne auch dort investiert sein, wo künftig das Wachstum stattfindet, gerade wenn sie in ihren Fondspolicen so einen langen Anlagehorizont haben.

Wir merken aber gleichzeitig, dass die Anleger die Asien-Investments noch nicht so griffig finden, weil die Märkte der Anlegerschaft weniger vertraut sind. Deswegen ist dann bei Versicherungsnehmern und Investoren auch im Fondspolicen-Bereich und bei Beratern der Informationsbedarf groß. Wir als Asset-Manager betreiben da gerne Aufklärung.

Eine Frage an den ETF-Experten: Vor welchem Hintergrund sind ETFs mittlerweile in Fondspolicen so stark vertreten?

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen sind die Fondspolicen-Anbieter durch die deutsche Aufsicht gefragt, den Kunden „Value for Money“ zu liefern, wodurch natürlich die Kosten in den Vordergrund gerückt sind. ETFs bieten davon tendenziell geringere.

Gleichzeitig sollen die Kunden breit aufgestellt sein, und diese breite Diversifizierung bieten ETFs. Auch bei den Versicherern bemerken wir eine steigende Nachfrage nach kompletten ETF-Modellportfolios, die dann von Anlegern auch in Fondspolicen genutzt werden können.

Als dritter Aspekt ist hier die steigende Nachfrage bei Versicherungsnehmern und Maklerinnen und Maklern zu nennen. Diese fragen immer öfter explizit ETF-Lösungen nach.

Sollte man Asien zukünftig stärker im Auge behalten?

Wichtig ist, Asien als heterogenen Kontinent wahrzunehmen und dementsprechend die Länder stärker einzeln zu bewerten. So können Anleger auch immer granularer in Asien investieren.

In Zukunft sollten wir in Asien auch weiterhin ein enormes Wirtschaftswachstum sehen. Und wenn wir Marktentwicklung eng ans Wirtschaftswachstum gekoppelt betrachten, dann wird an Asien kein Weg vorbeiführen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Martin Bechtloff, Franklin Templeton

 
Ein Interview mit
Martin Bechtloff