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6. August 2024
Absturz der Märkte: Eine notwendige Korrektur?

Absturz der Märkte: Eine notwendige Korrektur?

Seit November letzten Jahres waren die Märkte kaum zu bremsen. Es ging immer und immer mehr bergauf. Doch damit ist nun Schluss – und zwar an praktisch allen Fronten. Was steckt dahinter? Und der Anleger fragt sich natürlich: Was nun?

Ein bisschen Optimismus tut gut. Das dachten sich Investoren wohl in den letzten Monaten. Wenn wir ehrlich sind, dachte man es sich an den Aktienmärkten seit November 2023, als die Jahresendrally einsetzte – und zu Anfang des nun nicht mehr ganz so neuen Jahres bis jetzt so weiter ging. Doch es hat wohl einen Grund, dass unser Kulturschatz zu einem sehr großen Teil in der griechischen Mythologie begründet ist. Denn der Mythos um Ikarus, der zu nahe an der Sonne flog, zeigte beim Absturz der Märkte am vergangenen Freitag und darauffolgenden Montag mal wieder, dass auch in jenen alten Sagen ein wahrer Kern stecken kann.

Der Markt ließ sich bis zu diesem Zeitpunkt kaum bremsen. Anfangs hatte man noch gar keine Zinssenkung in Aussicht, aber das stoppte die Investoren nicht, die Kurse (manch ein Experte würde sagen „unverhältnismäßig“) in die Höhe zu treiben. Potenziell schwierige Wirtschaftsaussichten taten nicht viel, um die Euphorie zu bremsen. Geopolitische Risiken, die wie ein Damoklesschwert über den wirtschaftlichen Entwicklungen und Beziehungen der Länder hingen? Egal… Aber die Zahlen vom Freitag und Montag sprechen eine deutliche Sprache.

Absturz der Aktienmärkte

Die Landung dürfte nicht gerade weich gewesen sein, wenn man auf die Kurven der Aktienindizes blickt. Allein der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor vom vergangenen Mittwoch gut 1.200 Punkte (von 18.508 auf 17.266 am Dienstagnachmittag). Der S&P 500 in den USA ließ ebenfalls ordentlich Federn: 5.522 Punkte am 31.07. zu 5.206 am Dienstagnachmittag um 15:30 Uhr unserer Zeit. Und den wohl stärksten Absturz erlebte der Nikkei-Index in Japan. Er stand am 31.07. noch bei 39.101 Punkten und schloss am Montag, 05.08., bei 31.458 Punkten – ein historischer Verlust, den es wohl so seit 37 Jahren nicht mehr gab. Laut Handelsblatt sei allein an diesen drei Indizes ein Börsenwert von mehr als 3 Bio. Dollar durch die Kursverluste vernichtet worden.

Was ist der Auslöser?

So komplex und vielschichtig der Markt eben ist, so schnell stellt sich in der Situation aber nun mal die Frage: Woran liegt’s denn eigentlich? Diverse Experten tragen derzeit ihre Ansichten und Einschätzungen nach außen, was hinter den nun stark nach unten zeigenden Kurven steckt, darunter z. B. auch Björn Jesch, Global Chief Investment Officer bei der DWS. Dass der Nikkei in Tokio derartig abstürzte, lag seiner Meinung nach an der starken Erholung des Yen, was auch Naoki Kamiyama, Chief Strategist von Nikko AM, bestätigt. Der Nikkei sei seiner Meinung nach im Juli, vor seinem Absturz, auch aufgrund der Stärke des Dollar/Yen-Kurses so stark gewesen, denn man erwartete, dass die die Fed die Zinssätze länger hoch halten wird. Gleichzeitig wurde der Nikkei aber ebenso weiter getrieben, weil Aussichten im Raum standen, dass die USA die Inflation überwinden und schließlich eine geldpolitische Lockerung einleiten könnte – zwei Faktoren, die nicht lange nebeneinander bestehen können. Dies sei, so Kamiyama, deutlich geworden, als der Dollar/Yen im Gefolge der schwachen US-Arbeitsmarktdaten abstürzte.

Die schweren Verluste am S&P 500 in den USA hängen für Björn Jesch damit zusammen, dass der Markt in den USA so gepreist gewesen sei, dass bereits die „kleinsten Kratzer“ tiefe Wunden hinterlassen konnten. Diese geringe Fehlertoleranz im wichtigsten Aktienindex habe sich in einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21,5 widergespiegelt, was deutlich über seinem langfristigen Durchschnitt liege. Die Gewinnsaison sei zwar solide gewesen, doch die Besorgnis über die Fähigkeit, die umfangreichen Investitionsausgaben rund um künstliche Intelligenz in zukünftige Einnahmen zu verwandeln, wachse, so Jesch.

Rezession in den USA?

Apropos USA: Die bereits angesprochenen Arbeitsmarktdaten sorgen auch für ein zunehmendes Rezessionsrisiko, findet Stephen Dover vom Franklin Templeton Institute. Das zeige sich in den starken Schwankungen der Marktpreise. Auch hätten steigende Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, ein schwacher Beschäftigungsbericht für Juli und Anzeichen für einen möglichen Rückgang des verarbeitenden Gewerbes das Bild verändert. Dennoch sei es laut Dover wohl zu früh, um den Schluss zu ziehen, dass die USA auf eine Rezession zusteuern. Doch selbst eine stärkere Verlangsamung könne zu Gewinnenttäuschungen führen, auf die ein „überbewerteter Aktienmarkt“ eben nicht vorbereitet gewesen sei.

Korrekturen gehören dazu

Einen ganz ähnlichen Ton zum US-Markt schlägt auch Börsen-Experte Marcel Fratzscher an. Für ihn seien die aktuellen Bewegungen eine Korrektur, die „notwendig und richtig“ sei. Die Börsen seien trotz Pandemie, Energiekrise und einer schwachen Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren stark gestiegen und hätten sich deutlich von der Entwicklung der Wirtschaft abgekoppelt. Was wir nun sehen, sei eine Korrektur der Überbewertungen vieler Unternehmen an den Aktienmärkten – in erster Linie des Hypes um künstliche Intelligenz. Auch in den kommenden Jahren erwartet Fratzscher größere Korrekturen an den Aktienmärkten, da viele Unternehmen nach wie vor überbewertet seien und viele Investoren mit ihren Spekulationen zu einer Blase beigetragen hätten.

Fazit

Und was macht man nun damit? Fakt ist: Die Situation ist recht unübersichtlich, denn der Absturz ist durch mehrere wirtschaftliche Bewegungen bedingt. Möglichkeiten gibt es viele. Wer noch nicht so lange investiert ist und die Möglichkeit hat, kann, bevor es zu spät ist, noch Gewinne realisieren. Wem es allgemein zu unsicher ist, kann sein Depot in sicherere Anlagen umschichten – vielleicht Staatsanleihen oder gar auf einem verzinsten Bankkonto. Wer jedoch investiert bleiben möchte, dem sollte wohl auch der Berater möglichst deutlich machen: Am besten ist es, Ruhe zu bewahren. (mki)

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