Warum sollten sich Frauen für eine Tätigkeit oder eine Karriere bei einem Industrieversicherer oder -maklerunternehmen entscheiden?
AB Allein über diese Frage könnten wir ein eigenes Interview führen. Wie eingangs erwähnt, sind wir im Industriebereich eng mit den Herausforderungen der Wirtschaft verknüpft. Das erfordert, täglich die Wirtschaftspresse zu studieren, um die Herausforderungen der Industrieunternehmen zu verstehen. So ist ein tiefgehendes Verständnis der weltweiten Lieferketten notwendig, um unsere Kunden verantwortungsvoll zu betreuen. Wir untersuchen eingehend die Herausforderungen, berücksichtigen Innovationen und identifizieren die daraus resultierenden Risiken, um Lösungsansätze zu erarbeiten, die Unternehmen im globalen Wirtschaftsgeflecht resilienter machen. Diese facettenreiche Tätigkeit bietet eine Bandbreite an Möglichkeiten, mitzugestalten und sich selbst zu entwickeln – ich kann mir nichts Spannenderes vorstellen. Bei fidi sind auch viele Risk-Managerinnen von Unternehmen vertreten. Ist man einmal dem Charme der Industrieversicherung erlegen, hat man auf allen Seiten des Geschäftsmodells die Möglichkeit, sich einzubringen.
Die Industrieversicherung ist seit ein paar Jahren für einen harten Markt bekannt. Es wird oder wurde viel saniert, auch weil von roten Zahlen die Rede ist. Ist das abschreckend?
DP Aus der Sicht der Versicherer ganz und gar nicht. Für diese war die Preisfindung in den vergangenen Jahren oft nicht nachvollziehbar. Man hat sich einem Dumpingpreiskampf hingegeben, der zu defizitären Geschäftsergebnissen geführt hat. In der harten Marktphase kann man sein ganzes Know-how und seine Expertise demonstrieren. Das fängt mit der technischen Prämienberechnung an und geht hin bis zum argumentativen Verkaufsgespräch. Ein „schwieriges“ Gespräch, das dann erfolgreich zum Abschluss gebracht wird, kann demnach als größerer Erfolg verbucht werden als Gespräche, in denen alles nur „durchgewunken“ wird.
JD Aus Maklerperspektive – und damit als verlängerter Arm des Kunden – ist der anhaltend harte Markt nicht immer leicht zu vermitteln, wenngleich die Prämienerhöhungen in vielen Fällen nachvollziehbar sind. Am Beispiel vieler Spediteure und Frachtführer wird dieser Teufelskreis deutlich: Sprit und Maut werden teurer, gut ausgebildete Fahrer fehlen. Infolgedessen passieren Schäden, deren Kosten inflationsbedingt immer höher werden und schließlich die Prämien steigen lassen. Auch wenn es die logische Konsequenz ist: Dies zu vermitteln und gleichzeitig von den Zielen Stabilität und Nachhaltigkeit zu sprechen, erscheint für viele Kunden erst einmal grotesk. Hier sind Kundenkenntnis, ein umfangreiches Wissen und Spezialisierung sowie innovative Ansätze gefragt wie zum Beispiel ein auf den Kunden zugeschnittenes Riskmanagement zur Prävention und langfristigen Kostenstabilisierung.
Frauen gelten außerdem in vielen Branchen als weniger sichtbar und vernetzt. Wer oder was muss sich Ihrer Meinung nach hier ändern?
AB Der Impuls muss von uns Frauen kommen. Wir können nicht darauf warten, dass andere für uns tätig werden. Daher vielen Dank für dieses Interview, das eine Möglichkeit bietet, mehr Sichtbarkeit zu erlangen.
Mit dem fidi-Komitee wollen wir sowohl die Sichtbarkeit als auch das Vernetzen fördern. Wir setzen allerdings nur die Impulse und eröffnen mögliche Wege. Getragen wird das Model durch die Mitglieder von fidi und den gemeinsamen Willen, etwas zu verändern. Unsere persönlichen Netzwerktreffen stellen hierfür den Raum, sich auszutauschen und Initiativen ins Leben zu rufen.
Frauen tendieren dazu, ihre Leistungen als „nicht erwähnenswert“ zu beurteilen oder befürchten, als „Powerfrau“ noch mehr leisten zu müssen. Das ist absoluter Quatsch. Einer meiner Lieblingssätze lautet: „Tue Gutes und rede darüber!“ – daran können wir Frauen noch arbeiten. Mittlerweile habe ich zudem eine Aversion gegen Begriffe wie „Powerfrau“ oder „Frauenpower“. Wir müssen uns nicht vergleichen und die Beste sein, um etwas sichtbar zu machen. Lasst uns einfach unseren Job gut machen – im besten Fall mit Freude – und dann darüber sprechen!
Was die Vernetzung angeht, beweisen Sie mit Ihrer Initiative ja aber gerade das Gegenteil. Welche Events gehören denn zu Ihrer Initiative, was geschieht dort neben Networking? Und natürlich: Was steht als Nächstes an?
ST Das viel zitierte „Nasengeschäft“ ist immer noch nicht out. Netzwerken ist ein zentraler Bestandteil unserer Branche und die männlichen Kollegen haben sich über Jahrzehnte ein enges Geflecht von Kontakten aufgebaut – wir haben also viel nachzuholen. Unser Kick-off-Meeting fand im März 2023 statt. Wir haben diese Pilotveranstaltung dazu genutzt, ein Gefühl für den Bedarf und die zur Diskussion stehenden Themen zu bekommen. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg, deshalb haben wir uns entschieden, halbjährliche Events abzuhalten, die jeweils von einem Unternehmen unserer Branche gesponsert werden. Im August fand dann bereits die Folgeveranstaltung statt. Hier haben wir in den bereits etablierten Arbeitsgruppen Mentoring, Nachwuchskräfteförderung und flexible Bedürfnisse weitergearbeitet. Das nächste Meeting ist für März 2024 geplant. Der Termin wird rechtzeitig in unsere LinkedIn-Gruppe gestellt und über die Website kommuniziert. Da es nur begrenzte Plätze gibt, lohnt es sich, schnell zu sein.
Über fidi
Seit 2022 setzt sich fidi für mehr Frauen in der Industrieversicherung ein, und zwar über alle Hierarchieebenen hinweg. Die Brancheninitiative hat sich zum Ziel gesetzt, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen, den Austausch untereinander sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und last, but not least das Know-how und Selbstbewusstsein der fidi-Mitglieder zu stärken. Die Mitglieder treffen sich in einer LinkedIn-Gruppe, auf Network-Events vor Ort und auch in digitalen Austauschformaten. Außerdem gibt es z. B. auch Mentoring-Angebote. Mehr Infos finden sich unter befidi.de
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2023 und in unserem ePaper.
Bild: © fidi; v. l. n. r.: Andrea Brock, Janine-Stefanie Desch, Daniela Peeters, Sara Thofern
Seite 1 „Der Impuls muss von uns Frauen kommen“
Seite 2 Eines Ihrer Ziele ist, den Anteil an Kolleginnen über alle Hierarchieebenen hinweg zu erhöhen. Wie wollen Sie das erreichen? Können Quoten helfen?
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