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7. März 2018
MiFID II: K.-o.-Schlag oder Sprungbrett für gute Berater?

MiFID II: K.-o.-Schlag oder Sprungbrett für gute Berater?

Banken und Versicherer unterliegen seit Kurzem zusätzlichen regulatorischen Anforderungen durch MiFID II und IDD. Am Beispiel der Vertriebsgesellschaft der Deutschen Bank skizziert ihr Geschäftsführer Mathias Lüdtke-Handjery, wie sich eine große Handelsvertreterorganisation auf das neue Umfeld eingestellt hat.

Leitplanken am Straßenrand haben schon viele Autofahrer vor größeren Karambolagen bewahrt. Vielleicht schwebt dieses Bild auch manchen Regulatoren vor Augen. Die Finanzmarktrichtlinie MiFID II will jedenfalls künftig für noch mehr Rechtssicherheit unter anderem bei Wertpapiergeschäften sorgen. Die Deutsche Bank begrüßt die neuen Regeln, denn deren Hauptziele Transparenz und Anlegerschutz haben auch für die Bank einen hohen Stellenwert. Wichtige Neuerungen sind etwa die verpflichtende Aufzeichnung aller telefonischen Beratungsgespräche mit einer Archivierungsdauer von regelmäßig fünf Jahren, die sogenannte Geeignetheitserklärung, die das Beratungsprotokoll ersetzt, sowie eine detailliertere Offenlegung von Kosten, zum Beispiel bei Wertpapierkäufen.

Digitales Handwerkszeug unterstützt Berater

Die Deutsche Bank hat vor ca. drei Jahren mit der Vorbereitung auf MiFID II begonnen. Von der Arbeit Hunderter Mitarbeiter aus allen Geschäftsbereichen profitieren auch die rund 1.400 selbstständigen Finanzberater der Deutschen Bank. Für sie wird deshalb die praktische Umsetzung der neuen Regeln keineswegs zu einem „K.-o.-Schlag“ führen. Die Umstellungen von Prozessen und Arbeitsabläufen als Folge von MiFID II sind gut angelaufen. Die Beratungsangebote wurden in jeder Hinsicht mit den neuen Vorgaben konform gestaltet. Wesentlicher Baustein ist neben anderen Anwendungen der „Deutsche Bank Anlagekompass“ – eine von der Bank entwickelte digitale Anwendung. Dieser wird flächendeckend im gesamten Privatkundengeschäft eingesetzt, also im Filialvertrieb der Bank mit bundesweit 535 Filialen, ebenso in den über 120 Finanzagenturen des „Mobilen Vertriebs“. Der hierdurch vorgegebene Handlungsrahmen dient in Kombination mit umfangreichen Qualifizierungsmaßnahmen einer durchgängig hohen Beratungsqualität und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben.

Drei Thesen zum Effekt von MiFID II auf den Wettbewerb

Wie sehen die ersten Erfahrungen mit MiFID II aus? Aus Sicht des Mobilen Vertriebs der Deutschen Bank lassen sich folgende Beobachtungen festhalten:

Am Markt differenzieren sich die Beratungsangebote zunehmend

MiFID II wirkt direkt auf die Geschäftsmodelle von Banken und anderen Finanzdienstleistungsunternehmen. So werden sich einzelne Häuser voraussichtlich aus der aufwendiger gewordenen individuellen Wertpapierberatung zurückziehen und auf ein reines Mandatsgeschäft beschränken. Hiervon profitieren Anbieter, die weiterhin ein umfassendes Angebot bieten. Denn auf Kundenseite nimmt der Bedarf an individueller Beratung weiter zu, hier seien nur die Stichworte Niedrigzinsumfeld und Altersvorsorge genannt. Die Deutsche Bank und mit ihr der Mobile Vertrieb werden auch künftig in das Vorsorge- und Anlagegeschäft als wesentlicher Teil des Geschäftsmodells investieren.

Haftungsdächer werden nun eine Renaissance erleben

Die Deutsche Bank spannt seit jeher ein Haftungsdach über ihre selbstständigen Finanzberater. Um den von der Bank verfolgten ganzheitlichen Beratungs- und Betreuungsansatz zu gewährleisten, steht den Finanzberatern dieselbe interne Qualifizierung zu wie angestellten Anlageberatern der Bank. Finanzberater, die dieses interne Zertifizierungsverfahren zum Anlageberater gemäß WpHG-Definition erfolgreich durchlaufen haben, dürfen umfassend die Anlageberatung und -vermittlung für die Deutsche Bank ausüben. Diese können sich also voll auf ihr Beratungs- und Vertriebsgeschäft sowie ihre persönliche Weiterqualifizierung konzentrieren. Haftungsdächer sind allerdings nicht selbstverständlich. Einzelne Organisationen tendieren dazu, ihre bisherigen Haftungsdächer für vertraglich gebundene Vermittler einzuschränken oder sogar einzustellen. Es ist aber leicht nachvollziehbar, dass Unternehmen mit Haftungsdach-Zusage im Wettbewerb um qualifizierte Vermittler die Nase vorn haben dürften.

Ohne Digitalisierung ist die Umsetzung von MiFID II kaum zu schaffen

Wir gehen davon aus, dass Anbieter ohne konsequent strukturierte Beratungsprozesse auf Schwierigkeiten bei der fehlerfreien Anwendung von MiFID II stoßen werden. Analog dürfte das auf das Tätigkeitsfeld der Versicherer und ihrer Vermittler mit Blick auf die IDD zutreffen. Eine wichtige Rolle spielt hier die Unterstützung der Berater durch geeignete Tools wie den oben erwähnten Anlagekompass. Auch die mandatorische Aufzeichnung telefonischer Beratungsgespräche kann in völlig unterschiedlicher Qualität umgesetzt werden. Die Finanzberater des Mobilen Vertriebs profitieren hier von der automatischen Verknüpfung der Aufzeichnungen mit dem Beratungsprotokoll sowie der Möglichkeit, auch per Mobiltelefon rechtssicher Wertpapierberatungen mit Aufzeichnung durchführen zu können. Die Möglichkeiten digitaler Anwendungen erschöpfen sich aber nicht darin, ein regulatorisches „Pflichtprogramm“ zu erfüllen. Die Digitalisierung bietet gerade selbstständigen Finanzberatern moderne Kanäle für die Akquise und Beratung der Kunden. Deshalb bietet etwa die Vertriebsgesellschaft der Deutschen Bank ihren Finanzberatern seit 2017 ein umfassendes Qualifizierungskonzept zum digitalen Marketing. Bundesweit mehr als 1.000 selbstständige Finanzberater nutzten diese Chance und können nun beispielsweise über eigene geschäftliche Homepages, in sozialen Netzwerken und auf Bewertungsplattformen wie WhoFinance digital präsent sein.

Chancen nutzen

Es wäre verfrüht, schon heute die praktischen Auswirkungen neuer Richtlinien wie MiFID II oder der IDD bilanzieren zu wollen. Eines scheint jedoch sicher: Regulatorische Vorgaben werden in der Fachöffentlichkeit vorrangig unter dem Aspekt des zweifellos großen Umsetzungsaufwands diskutiert. Doch die neuen Regeln stellen auch eine Chance dar – insbesondere für solche Unternehmen und Berater, die gezielt in die Beratungsqualität ihrer Angebote investieren und dies am Markt überzeugend vermitteln. Sie nutzen das veränderte Marktumfeld für die Gewinnung neuer Marktanteile im Vorsorge- und Wertpapiergeschäft sowie im Wettbewerb um Talente, was sich bereits deutlich in den Bewerbungsgesprächen zeigt.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2018, Seite 70 f.
 
Ein Artikel von
Mathias Lüdtke-Handjery