Jörg Asmussen, der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), moderierte am Donnerstagvormittag, 21.11.2024 wieder den alljährlichen Chefökonomen-Talk, bei dem die führenden Ökonomen der deutschen Versicherungswirtschaft ihre Einschätzung zur aktuellen wirtschaftlichen Lage äußerten. Diese wird von vielerlei Faktoren beeinflusst – im Mittelpunkt stand neben den Auswirkungen der US-Wahl und diverser geopolitischer Unsicherheiten auch die weitere Entwicklung im politischen Berlin und was dort unternommen werden müsste, um der deutschen Wirtschaft wieder stärkeren Auftrieb zu geben.
Unsicherheit sorgt für Zurückhaltung
Asmussen betonte, dass die Unsicherheit in Deutschland derzeit sehr groß sei: Sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen hielten sich mehr zurück als zu Zeiten der Corona-Pandemie. Die Sparquote im Privaten sei sehr hoch und auch würden Unternehmen aktuell nicht viele Investitionen tätigen. Konjunkturell warte Deutschland auf eine „konsumgetriebene Erholung“, die die Wirtschaft wieder ankurbelt.
Jérôme Jean Haegeli, Chefökonom der Swiss Re, erläutert, dass man hierfür Vertrauen in der Bevölkerung brauche, doch das politische Umfeld sorge für starke Unsicherheit. Haegeli meint hiermit das bevorstehende Aus der Ampel-Koalition und die Frage, was danach kommt. Es sei zwar eine Erholung zu erwarten, die jedoch von den Geschehnissen im politischen Berlin sehr beeinträchtigt werde. Mit einem Inflationsproblem rechne Haegeli nächstes Jahr in Europa jedoch nicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde es schaffen, die Zinsen auf einem Niveau zu halten, das nachhaltig für den Wunschwert von 2% p. a. bei der Inflation sorgen wird.
Wo sind die Probleme und wie sollte man sie lösen?
Asmussen merkte im Rahmen seiner Moderation an, dass die deutsche Situation jedoch nicht nur von einer schwachen Konjunktur geprägt sei, sondern dass es strukturelle Schwierigkeiten gebe, die auch zeigen, dass das Geschäftsmodell der Bundesrepublik Deutschland „am Ende“ sei. Dr. Michael Menhart, Chefökonom der Munich Re, führt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Deutschland auf jene strukturellen Probleme zurück, die sich auch gegenseitig überlagern und ihre negativen Wirkungen verstärken würden. Dabei handle es sich um langfristige Herausforderungen, die die ganze Welt sehe, wie den demografischen Wandel, technologischen Wandel, die geopolitischen Unsicherheiten und die Deglobalisierung.
Deutschland sei von diesen Problemen teilweise sogar stärker betroffen. Die Alterung sei hierzulande stärker fortgeschritten als in vielen Nachbarländern und auch beim technischen Fortschritt hinke man hinterher.
Ludovic Sobran, Allianz-Chefvolkswirt, machte sich klar und deutlich für eine Aufhebung der Schuldenbremse, denn die sei „von Natur aus dumm“. Es brauche stattdessen eine progressive Reform der Schuldenbremse, wie sie auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung vorgeschlagen habe. Auch solle man Senkungen der Lohnsteuer in Betracht ziehen, um Anreize für Mehrarbeit zu schaffen und so Probleme bei der Arbeiterkapazität zu lösen. Dr. Michael Menhart betonte seinerseits, dass man Unternehmen steuerlich entlasten müsse und außerdem gegen bürokratische Hemmnisse vorgehen müsse. (mki)
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