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21. Februar 2025
Gebäudeversicherer: Aktuare sehen steigenden Kapitalbedarf
Gebäudeversicherer: Aktuare sehen steigenden Kapitalbedarf

Gebäudeversicherer: Aktuare sehen steigenden Kapitalbedarf

Klimawandel, Regulatorik und eine mögliche Pflicht zur Elementarversicherung führen zu einem stark wachsenden Kapitalbedarf bei Wohngebäude- und Hausratversicherern, so die MSK-Aktuare. Die Experten nennen einige Hebel, um die Ertragskraft zu verbessern. 

Auf Schaden- und Unfallversicherer könnte ein hoher zusätzlicher Kapitalbedarf zukommen, wie die aktuarielle Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) im Rahmen von Berechnungen ermittelt hat. Nach Einschätzung der Aktuare droht den Wohngebäude- und Hausratversicherern hierzulande durch wachsende Anforderungen infolge des Klimawandels, regulatorischer Änderungen und einer möglichen Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ein Anstieg des unter Solvency II erforderlichen Kapitalbedarfs um 30 Mrd. Euro.

Die Hälfte des erhöhten Kapitalbedarfs dürften Klimawandel und Inflation verursachen, die andere Hälfte Regulatorik und Pflichtversicherung. Kfz-Versicherer sollten sich im Bereich der Kaskoversicherung auf einen Anstieg des Brutto-SCR (Solvency Capital Requirement) von 29% einstellen.

Private Sachversicherung bereits jetzt äußerst kapitalintensiv

Schon heute müsse in der privaten Sachversicherung etwa das Doppelte des Prämienvolumens als Kapital vorgehalten werden, so die Aktuare. Bei einer angenommenen Verzinsung des Kapitals von 10% sei MSK zufolge somit eine Combined Ratio von etwa 80% notwendig, von der der Markt aktuell selbst bei ausbleibenden Naturkatastrophen weit entfernt sei.

Die Branche ist im Mittel stark genug, auch große Erhöhungen des Kapitalbedarfs zu stemmen. Nach Ansicht der Aktuare könnte es aber durchaus sein, dass nicht alle Versicherer die Kapitalanforderungen aufbringen können. Und auch ertragsstarke Anbieter müssten mitunter neue Wege gehen.

„Die Solvency-II-Quote der Unternehmen lag 2023 bei durchschnittlich 264%. Soll die Bedeckungsquote bei rund 260% gehalten werden, ist ein zusätzlicher Kapitalbedarf von bis zu 80 Mrd. Euro erforderlich,“ erläutert Tommy Berg, leitender Berater bei MSK.

Wohngebäudeversicherer unter Druck

Wie Onnen Siems auf einem virtuellen Pressegespräch anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse erklärte, sei es deshalb möglich, dass Anbieter im Bereich der Wohngebäudeversicherung fusionieren oder sich ganz aus dem Segment zurückziehen: „Für Unternehmen mit einer niedrigen Solvenzquote wird es zunehmend schwieriger, den erhöhten Kapitalbedarf zu decken. Langfristig müssen sie ihr Angebot im Wohngebäudesegment überdenken. In solchen Fällen kann es zu Rückzügen aus dem Geschäftsbereich oder zu Fusionen kommen.“

Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragskraft

Den Experten von MSK zufolge kann durch eine Erhöhung von Diversifikation der erforderliche Kapitalbedarf sowie dessen Kapitalkosten gesenkt werden. Als Beispiele nennen die Aktuare einen „cleveren Spartenmix“ oder „Risikotransfer in globale und besser diversifizierte Rückversicherungsmärkte“.

Gerade in der Wohngebäudeversicherung führe aber kein Weg an einer Verbesserung der Brutto-Combined-Ratio vorbei. Optionen zur Ertragsverbesserungen sind hier neben allgemeinen Beitragsanpassungen und Preiserhöhungen auch gezielte Bestandsarbeit und differenziertere Tarifierung.

KI-basierte Risikomodelle können unterstützen

Auch künstliche Intelligenz (KI) kann dazu beitragen, die Ertragskraft zu verbessern. Konkret erläuterten die Aktuare, wie eine adressgenaue Tarifierung mithilfe von KI-gestützten Modellen unterstützen kann. Dabei fließen in MSK-Gebäudedaten verschiedene aus der Adresse abgeleitete Merkmale und Indizes ein. Mithilfe einer KI-basierten Berechnungslogik wird die Versicherungssumme eines Gebäudes ermittelt. Zudem werden risikodifferenzierende Merkmale für einzelne Gefahren ausgegeben, wie der Baumbestand in der unmittelbaren Umgebung, der Sturmschäden verursachen kann. Somit lassen sich auch deutlich genauere Versicherungssummen für Gebäude ermitteln. „Bisher nicht erfasste risikodifferenzierende Merkmale werden zusammengefasst und bieten Potenzial zur Verbesserung der Combined Ratio“, so die Aktuare. „Mithilfe künstlicher Intelligenz kann das adressgenaue Pricing eine Verbesserung der Schaden- und Kostenquote um 10% erreichen“, erläutert Florian Bohl, leitender Berater bei MSK. (tik)