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28. August 2024
Lebensversicherer – BaFin legt Finger in die Wunde

Lebensversicherer – BaFin legt Finger in die Wunde

Die Versicherungsaufseherin Julia Wiens ist unzufrieden mit den Lebensversicherern. Es geht um das Merkblatt zu den Wohlverhaltenspflichten. Versicherer würden den Kundennutzen ihrer Produkte nicht im Fokus haben. Mehrere Versicherer müssen nachbessern. Der GDV wehrt sich.

Die BaFin veröffentlichte im Mai letzten Jahres ein Merkblatt zu aufsichtsrechtlichen Verhaltensanforderungen bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten. Darin legte die Versicherungsaufsicht dar, welche Erwartungen sie an die Unternehmen stellt. Gleichzeitig untersuchte die BaFin verschiedene Aspekte dieser Produkte, wie die Effektivkosten, die Abschlussprovisionen und die Stornoquote, und identifizierte dabei Ausreißer.

13 Lebensversicherer, die besonders auffällig geworden waren, hat die BaFin mittlerweile einer wohlverhaltensaufsichtlichen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis teilt die BaFin nun mit: Neben formalen Defiziten genügten manche Versicherer bei Weitem nicht den Vorgaben des BaFin-Merkblatts. „Was wir bislang herausgefunden haben, entspricht nicht unseren Erwartungen“, sagte BaFin-Exekutivdirektorin Julia Wiens beim diesjährigen Strategiemeeting Lebensversicherung des Handelsblatts. Insbesondere an zwei Aspekten stört sich die BaFin.

Effektivkosten und die vorzeitige Vertragskündigung

Bei ihrer Prüfung stellte die BaFin fest, dass bei den Produkten mehrerer Versicherer die Effektivkosten zum Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Versicherten ihre Verträge vorzeitig gekündigt hatte, 4% oder mehr betragen. Die Unternehmen müssten also eine Rendite mindestens in derselben Höhe erwirtschaften, damit die Kunden profitierten. „Wenn die Effektivkosten so hoch sind, müssen die Versicherer prüfen, ob zumindest für diejenigen Kundinnen und Kunden das Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird, die ihren Vertrag ab dem genannten Zeitpunkt kündigen“, sagte Wiens. Nur dann könne von einem angemessenen Kundennutzen des Produkts die Rede sein.

Der Zielmarkt und ein hohes Frühstorno

Einige Lebensversicherungsprodukte sind der Bafin zudem mit sehr hohen Stornoquoten aufgefallen. Dabei geht es insbesondere um die Stornierung von Verträgen, die speziell in den ersten Jahren nach Vertragsabschluss, in denen ein großer Teil der Kosten anfällt, gekündigt werden. Auch hier spricht Wiens den Produkten einen Kundennutzen ab. Die BaFin vermutet, dass die betreffenden Produkte außerhalb des für sie bestimmten Zielmarktes vertrieben wurden. Einen Missstand nennt dies die Aufseherin.

Was die BaFin unternehmen will

Die BaFin will nicht weiter tatenlos zusehen. „Wir können beispielsweise den Vertrieb von Produkten untersagen oder Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen in Frage steht“, erläuterte Wiens. Am liebsten wäre es ihr aber, wenn die Anbieter den Kundennutzen klar in den Fokus nehmen würden und keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen nötig wären.

Der GDV wehrt sich

Auf die deutlichen Worte von Wiens folgte denn auch direkt der Einwand der Versicherer. Das Fachportal VWheute zitiert den GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen wie folgt: „Abschläge für eine frühe Kündigung bewahren das Versichertenkollektiv davor, die Rechnung dafür zu zahlen.“ Moritz Schumann, der als stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim GDV tätig ist, spricht bei der Veranstaltung des Handelsblatts ebenfalls davon, dass die Kritik etwas unfair sei, denn es ginge eben auch darum, dass Kollektiv zu schützen. Schließlich habe die Beratung ja auch stattgefunden. Zudem dürfe man die „Value for Money“-Debatte nicht nur auf den Preis reduzieren. Da die Argumente der Versicherer auch bisher schon bekannt waren, dürfte sich die BaFin von den Einwänden wohl eher nicht beeindruckt zeigen. (bh)

Mehr zur Ansicht der BaFin gibt es in einem aktuellen Beitrag des BaFinJournals.

 

Bild: Julia Wiens, seit Januar 2024 Exekutivdirektorin für den Bereich Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); © BaFin