Wenn ein Geschädigter sein Auto nach einem von ihm unverschuldeten Unfall in die Werkstatt zur Reparatur gibt, muss regelmäßig der Unfallverursacher die Rechnung begleichen. Doch was passiert, wenn der Unfallverursacher einwendet, dass die von der Werkstatt gestellte Rechnung überhöht sei? Darüber entschied nun der BGH gleich in fünf Revisionen und präzisierte bestehende Rechtsprechung.
Schon nach bisheriger Rechtsprechung liegt das sogenannte Werkstattrisiko grundsätzlich beim Schädiger. Demnach sind Reparaturkosten auch dann von diesem zu zahlen, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind.
Werkstattrisiko greift auch bei nicht durchgeführten Leistungen
In einem der fünf Fälle hat der BGH nun beispielsweise klargestellt (Az.: VI ZR 253/22), dass das Werkstattrisiko nicht nur für solche Rechnungspositionen greift, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Ansätze von Material oder Arbeitszeit überhöht sind. Ersatzfähig sind vielmehr auch solche Rechnungspositionen, die sich auf tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen. Argumentiert wird, dass der Geschädigte keinen Einfluss auf und keine Kontrolle über die Schadensbeseitigung habe.
Kein Vorab-Gutachten notwendig
Das BGH hat ferner in einem anderen Urteil entschieden (Az.: VI ZR 51/23), dass der Geschädigte bei Beauftragung einer Fachwerkstatt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt. Von daher muss er auch vor Beauftragung der Fachwerkstatt kein Sachverständigengutachten einholen, auf dessen Basis dann der Auftrag erteilt wird.
Teilbezahlte Rechnung
Die Anwendung der Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt zudem nicht voraus, teilt der BGH mit, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der Geschädigte die Reparaturrechnung nicht beglichen hat, kann er – will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen – die Zahlung der Reparaturkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen (Az.: VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23).
Im Falle einer Abtretung
Und schließlich hat der mit den Fällen beschäftigte Senat des BGH entschieden (Az.: VI ZR 38/22, VI ZR 239/22), dass sich die Option des Geschädigten, sich auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen lässt (Rechtsgedanke des § 399 BGB). Denn der Schädiger hat insoweit ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Allein im Verhältnis zu diesem ist nämlich die Durchführung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich, weil der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und die im Wege des Vorteilsausgleichs abzutretenden (etwaigen) Ansprüche gegen die Werkstatt in einer Hand (beim Geschädigten) liegen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko.
Die Urteile liegen noch nicht in gedruckter Form vor. Die Beschlüsse sind in einer Pressemitteilung des BGH samt der dahinter liegenden Fälle nachzulesen.
BGH, Urteile vom 16.01.2024, Az.: VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22 und VI ZR 51/23
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