Die Europäische Zentralbank (EZB) ist um die Finanzmarktstabilität in der Eurozone besorgt. Ursachen dafür seien der anhaltende Preisschub infolge des Ukraine-Kriegs und die sich eintrübende Konjunktur. „Menschen und Unternehmen spüren bereits die Auswirkungen der steigenden Inflation und der Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit“, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos bei der Vorlage des Finanzstabilitätsberichts der Europäischen Zentralbank (EZB).
Höher verschuldete Marktteilnehmer geraten unter Druck
Die größte Sorge gehe laut EZB von der sich verschlechternden Wirtschaftsentwicklung aus. So sei für die Währungshüter eine technische Rezession im Euroraum wahrscheinlicher geworden. Von einer technischen Rezession sprechen Volkswirte, wenn die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft. Und im dritten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum nur noch um 0,2% zum Vorquartal gewachsen. Gerade höher verschuldete Staaten, Unternehmen und private Haushalte kämen so unter Druck, ihre Zahlungsverpflichtungen fortlaufend erfüllen zu können. Die Banken könnten sich dadurch mit höheren Kreditausfällen konfrontiert sehen. Allerdings hätten die Vielzahl an politischen Unterstützungsmaßnahmen die Zahlungsausfälle bei Unternehmen und auch die Arbeitslosigkeit gering gehalten. „Dieses Vorgehen seitens der Euromitgliedsstaaten habe die Banken vor Kreditausfällen geschützt“, resümiert der EZB-Bericht.
Inflation und steigende Zinsen schränken Bonität ein
Außerdem belasteten die stark gestiegenen Preise für Erdöl, Erdgas und Strom derweil die Haushalte. Dadurch sinke ihre Kaufkraft und womöglich auch ihre Fähigkeit zur Kreditrückzahlung. Die EZB sieht Preisstabilität mittelfristig bei zwei Prozent Inflation im Euroraum gewährleistet. Davon ist die Teuerung allerdings seit Monaten weit entfernt: Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Oktober um 10,7% über dem Niveau des Vorjahresmonats. In Europas größter Volkswirtschaft Deutschland stieg die Inflationsrate im Oktober auf 10,4% – der höchste Wert seit Herbst 1951. Erschwerend für Kreditnehmer und -geber komme die von der EZB eingeläutete Zinswende im Euroraum hinzu (AssCompact berichtete). Diese verteure die Kredite und steigere so die Anfälligkeit von hoch verschuldeten Unternehmen und Haushalten zusätzlich.
Liquiditätsbereitschaft wird auf die Probe gestellt
Wie die EZB-Währungshüter in ihrem Bericht weiter schreiben, steht auch der Finanzmarkt unter Spannungen. Ursache seien die teils deutlich gesunkenen Preise bei zahlreichen Assetklassen, während die Marktvolatilität gleichzeitig zugenommen habe. Daher sei die Marktliquidität bei einigen Marktteilnehmern, insbesondere bei Investmentfonds, zeitweise recht angespannt gewesen. Denn die Kapitalsammelstellen hätten sich mit unerwartet hohen Nachschussforderungen (sogenannte „margin calls“) konfrontiert gesehen. Dies hätte laut EZB-Angaben deren Liquiditätsbereitschaft auf die Probe gestellt. Insgesamt jedoch hält die Notenbank, die die größten Banken im Euroraum direkt beaufsichtigt, das Bankensystem im Währungsraum der 19 Länder für „gut aufgestellt, um vielen Risiken standzuhalten“. (as)
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