Ich erinnere mich an einen Witz, der in meiner Jugend von Zeit zu Zeit erzählt wurde. Dabei ging es um Schnecken. Die Pointe endete mit dem Satz „Husch, husch, weg woans ... (weg waren sie!)“, womit der Protagonist seine große Überraschung zum Ausdruck brachte, dass ganz unerwartet und „plötzlich“ alle Schnecken, die er einsammeln sollte, verschwunden waren. Genau an diese Geschichte musste ich denken, als ich das Ergebnis einer Bestandsübertragung erfahren habe.
Risiko: Zu geringe Übertragungsquote
Wenn Makler ihre Maklerbestände verkaufen, dann sind diese Bestände nach der Übergabe meist stabiler als befürchtet. Das eigentliche Risiko ist oft nicht die spätere Stornoquote, sondern eine zu geringe Übertragungsquote bzw. ein zu hoher Bestandsabrieb bei der Übertragung. Ist die Übertragungsquote gering, ist der Käufer mit der Transaktion unzufrieden – zumindest dann, wenn er einen festen Kaufpreis vereinbart hat. Um sein Risiko abzuschätzen, lässt sich ein Käufer deshalb vorab eine (hoffentlich) anonymisierte Bestandsliste vorlegen.
Wird alternativ ein Kaufpreis vereinbart, der sich nach dem übertragenen Bestand richtet, guckt der Käufer in der Regel nicht ganz so genau hin, denn er muss schließlich nur für den Teilbestand bezahlen, der tatsächlich bei ihm angekommen ist. Das Übertragungsrisiko trägt damit der Bestandsverkäufer.
Bestandstuning kein Kavaliersdelikt
Bei fest vereinbarten Kaufpreisen erleben wir immer wieder den einen oder anderen Bestandsverkäufer, der etwas mehr Bestand vorzugeben versucht, als er wirklich hat, und der hofft, dass dies uns oder dem Käufer nicht auffällt. Doch vor einem solchen vermeintlichen Kavaliersdelikt sei an dieser Stelle ausdrücklich gewarnt. Erkennt der Kaufinteressent vor dem Kauf den Schwindel, platzt der Deal wegen einer Störung des Vertrauensverhältnisses. Ist der Kaufvertrag schon unterschrieben oder der Bestand gar übertragen, endet das Ganze nicht selten mit Betrugsvorwürfen vor Gericht und wird für alle Seiten mehr als unerfreulich und teuer. Kommt eine Verurteilung wegen Betrugs hinzu, ist auch die Reputation des Altinhabers nachhaltig zerstört.
Wer einen Kaufpreis in Abhängigkeit der Übertragungsquote vereinbart, eliminiert dieses Risiko weitestgehend, schließlich hat der Altinhaber so keine nachvollziehbare Motivation für „Bestandstuning“. Denkt man. Doch es scheint immer wieder auch Verkäufer zu geben, die das Prinzip variabler Kaufpreise nicht durchdenken und ihre Bestände ein bisschen aufhübschen – nicht immer mit Vorsatz.
Kunden sind schneller weg als erwartet
So kann ich von einem Makler berichten, der vor Kurzem aus allen Wolken gefallen ist, als er die Kaufpreisabrechnung des Käufers erhalten hat – nicht einmal die Hälfte dessen, was er anhand seiner Bestandslisten hätte erwarten dürfen. Dabei haben die Produktgeber die Bestände des Maklers weitestgehend vollständig übertragen.
Das Problem war, dass der abgebende Makler geglaubt hat, er hätte noch einen viel größeren Bestand, als er ihn wirklich hatte. Seine Bestandsliste war – in Excel geführt – über mehrere Jahre nicht mehr um Abgänge, Kündigungen und Umdeckungen aktualisiert worden. Der Makler hatte zudem total unterschätzt, was in mehreren Jahren Inaktivität mit einem Bestand passieren kann, wenn er seinen Bestand auslaufen lässt. Eine peinliche Situation für den Seniormakler, der zuerst sehr vorwurfsvoll beim Bestandskäufer reklamiert hatte. Dabei waren die Kunden einfach nur schneller (weg), als er dachte.
Über den Autor
Andreas W. Grimm ist Gründer des Resultate Institut und beleuchtet an dieser Stelle regelmäßig Aspekte zur Nachfolgeplanung. Gemeinsam mit AssCompact hat er den Bestandsmarktplatz initiiert: www.bestandsmarktplatz.de
Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2021, Seite 81, und in unserem ePaper.
Bild: © Arpad Nagy-Bagoly – stock.adobe.com
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