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13. Januar 2023
„Mein Fokus ist und bleibt die Beratung meiner Kunden“
„Mein Fokus ist und bleibt die Beratung meiner Kunden“

„Mein Fokus ist und bleibt die Beratung meiner Kunden“

Mit der Finanzberatung Adviris setzt Marie Christina Schröders ein Zeichen für die Belange der LGBTQ+-Community. Sie und ihr Team bieten dort diskriminierungsfreie Beratung zu Finanzen, Versicherungen, Steuern und Recht an. Worauf kommt es der Versicherungsmaklerin dabei besonders an?

Interview mit Marie Christina Schröders, Geschäftsführung von SaFiVe (Sachverständige für Finanzen und Versicherungen) GmbH & Co. KG und Adviris GmbH & Co. KG
Hallo, Marie, du hast im Sommer die Finanzberatung Adviris gelauncht. Wie läuft es bisher?

Bunt, würde ich sagen. Wir hatten viele Presseanfragen aus der Branche, Handelsblatt und FAZ haben berichtet, es kamen aber auch Anfragen von Verbänden und Kunden aus dem Mittelstand, die sich für eine Kooperation interessieren. Somit waren wir das erste halbe Jahr mit Markeneinführung und auch noch technischem Ausbau der Website beschäftigt. Wir haben erste Beratungsanfragen bedient, zwei Gutachten erstellt und kleinere Einzelberatungen gemacht. Für die Einführung des Konzeptes auf dem Markt haben wir mit einem Jahr geplant, somit bin ich zufrieden. Ich würde sagen, wir finden Beachtung.

Wie kommt denn der Name „Adviris“ zustande und wofür steht er?

Den Regenbogen beraten. Advisory und Iris, aus dem Englischen zusammengesetzt. Oder wer es lieber historisch mag: im Lateinischen Advisor und Iris – der Berater des Regenbogens. Da ich langfristig nicht nur nationale Ideen und Ziele mit der Marke habe, verfolge ich das Englische mehr.

Deine Zielgruppe ist also die LGBTQ+-Community. Welchen besonderen Beratungsbedarf hat diese Gruppe?

Hier stelle ich als Erstes mal eine Rückfrage: Braucht es für eine Zielgruppe immer speziellen Beratungsbedarf? Haben Rechtsanwälte, Golfer, Gamer und Taucher wirklich so spezielle Bedürfnisse oder geht es bei einer Zielgruppenwahl nicht auch darum, sich dieser Gruppe nahe zu fühlen – zu wissen, wie sie tickt? Das sehe ich immer als Erstes, wenn ich eine Zielgruppe betrachte. Mich für mein Gegenüber wirklich zu interessieren und dessen Bedürfnisse und Interessen zu kennen, halte ich für viel wichtiger – das ist bei mir im Falle LGBTQ+ so. Ich lebe in einer gleichgeschlechtlichen Ehe und habe viele dieser Themen in meinem Leben durchlaufen. Ich fühle mich also der LGBTQ+-Community sehr nahe.

Aber zur Ursprungsfrage zurück: Ja, es gibt speziellen Beratungsbedarf, bei dem gleich noch nicht gleich ist. Kinderwunschbehandlung bei lesbischen Paaren – die bei Erfolg folgende Nachversicherung in der privaten Krankenversicherung hat hier aufgrund der Stiefkindadoption Hürden. Weiterhin das Thema Transition: Nachdem eine Transition erfolgt ist, bleibt einem der Zugang zu den allermeisten privaten Absicherungen versperrt – aufgrund der Hormoneinnahme und psycho­logischen Gespräche vorab. Hier braucht es Aufklärung vor der Transition, solange sich der Markt nicht mit passenden Produkten bewegt.

In der Beratung von Frauen heißt es, es braucht keine anderen oder speziellen Produkte. Wie ist es bei queeren Personen?

Vielleicht keine speziellen Produkte, aber angepasste Risikoprüfung. In der gewöhnlichen biometrischen Risikoprüfung kriege ich keine Person nach Transition platziert.

Oder auch Produkte, mit denen ich mich wohler fühle als Teil der Community. So wie der ökologische Nachhaltigkeitsaspekt in aller Munde ist, sprechen wir viel zu wenig über soziale Nachhaltigkeit. Dies ist für mich in der Beratung meiner Kunden sehr wichtig.

Das Interesse aus der Community, etwas für die Community zu tun, ist groß. Hierzu schweben mir einige Ideen vor, wie man in Zukunft Produkte für die LGBTQ+-Community glaubhaft entwerfen könnte – ohne Pink Washing.

Der Adviris-Slogan heißt ja „komm wie du bist“. Du und dein Team wollt unabhängige und diskriminierungsfreie Beratung bieten. Welcher Diskriminierung sind diese Menschen in der Beratung ausgesetzt?

Alleine bei der Frage schmerzt mein Herz, dass wir über so etwas im Jahr 2023 noch reden müssen. Aber ja, es gibt in Deutschland und weltweit Hass und Diskriminierung gegenüber LGBTQ+ und auch vielen anderen Lebensformen. Weltweit haben wir Attentate auf Andersartigkeit. Ich frage mich an erster Stelle immer: Was macht eigentlich den Menschen so viel Angst an Vielfalt? Sie ist die Basis unserer sozialen Gesellschaft.

Eine Umfrage unter LGBTQI*-Menschen zu Diskriminierung aus dem Jahre 2020 sagt, dass 40% in der Öffentlichkeit/Freizeit bereits Diskriminierung erfahren haben. 30% am Arbeitsplatz. Das ist viel, finde ich. Mit „komm wie du bist“ möchten wir eigentlich ein New Normal begründen – gerne auch außerhalb der LGBTQ+-Community. Der Slogan könnte auch heißen: Hier bist du Mensch! Denn um was anderes geht es nicht.

Kannst du vielleicht Beispiele aus der Praxis nennen?

Ein männliches Paar kommt zu mir, weil es sich bei der Beratung in einer Bank zum Thema „gemeinsame Eigenheimfinanzierung“ anhören musste, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften eh nicht lange halten.

Oder: ein Frauenpaar, das einen Kinderwunsch hat und deshalb höchstwahrscheinlich auf eine künstliche Befruchtung angewiesen ist. Hier kommen Fragen auf: Wer zahlt generell? Wie handhaben es gesetzliche und private Kranken­versicherung?

Oder: Auch die Finanzierung einer Leihmutterschaft war bereits Thema in meiner Beratung. Vielleicht wird anhand dieser Beispiele deutlich, dass man mit solch sensiblen Themen nicht noch an die Grenzen im Kopf des Gegenübers stoßen möchte.

Gibt es denn auch so was wie einen Pay Gap oder einen Pension Gap? Bei Frauen sprechen wir ja gerade viel davon.

Nein. Dieses Thema bezieht sich ja schlichtweg auf die Rolle der Frau, meist in einer heteronormativen Beziehung. Die Pension Gap ist schlichtweg ausgelöst dadurch, dass Frauen die Kinder bekommen und die Wirtschaft in der Entlohnung immer noch keine Gleichstellung der Frau hinbekommen hat. Dies ist für lesbische Frauen nicht per se anders, aber dieses Problem lässt sich nicht auf LGBTQ+ übertragen.

Wie hast du die Diskussion um die One-Love-Binde bei der Fußball-WM der Herren in Katar wahrgenommen?

Die Verbindung mit der One-Love-Binde finde ich falsch, da sie das Problem Katar nicht umreißt und den Fokus auf nur ein Thema lenkt. Katar hat nicht ausschließlich ein Problem mit Rechten für gleichgeschlechtliche Liebe, sondern tritt generell Menschenrecht und Frauenrecht mit Füßen.

Seit Corona wissen wir alle, was Quarantäne bedeutet und welche psychischen Folgen es hinterlassen kann. In Katar dürfen viele Frauen nur mit Zustimmung ihres männlichen Vormundes das Haus verlassen. Anfangs fragt ihr nach der Pension Gap, fragt an der Stelle doch mal nach der Gender Gap. Im Global Gender Gap Index 2021 liegt Katar auf Platz 142 von 156 zu vergebenden Plätzen. Ich habe nichts gegen freie Liebe, ganz im Gegenteil – aber wenn ein Mann mit mehreren Frauen verheiratet sein kann, dann auch gleiches Recht für beide Seiten.

Die One-Love-Binden-Diskussion betrifft definitiv eine Minderheit des Landes und ist an der Stelle unbedeutend und zu klein geführt. Sie hätte besser One-Life-Binde heißen sollen.

Ich habe den Fernseher ausgelassen und habe eine klare Meinung dazu, wenn man trotzdem hin- und zugeschaut hat. Nicht weil ich den Regenbogen vertrete, sondern weil ich Mensch, Frau und Mutter bin.

Nun ist Adviris schon dein zweites großes Projekt nach SaFiVe. Und auch sonst bist du in vielen Medien und auf Social Media aktiv. Wo liegt dein Fokus?

Mein Fokus ist und bleibt die Beratung meiner Kunden, das macht mir Freude. Social Media bediene ich mehr für Adviris, da wir hier Sichtbarkeit brauchen und unsere Zielgruppe, aber auch die Adressaten der Themen im B2B erreichen. SaFiVe ist stetig gewachsen, aber eher nicht auf Social Media aufgebaut. Die Online-Beratung aus meiner Wahlheimat Mallorca läuft gut, ich bin sehr zufrieden.

Mit Blick aufs neue Jahr: Welche Pläne und Hoffnungen hast du für 2023?

Ende des Jahres 2022 bin ich mit meiner Frau und den beiden Kindern für eine längere Reisezeit aufgebrochen – Ideen sammeln und Energie tanken. Mein Fokus ist immer auch meine Familie. Wir sind dann zu Sommerbeginn 2023 wieder da und möchten Adviris auf verschiedenen Veranstaltungen mehr Bedeutung verleihen und hier in der Produktgestaltung mit Versicherern, aber auch dem Investmentbereich in Austausch treten.

Ansonsten darf gerne vieles so weitergehen wie bisher und gleichzeitig bleibt eh nichts, wie es ist – zum Glück.

Über Adviris

Im Sommer 2022 gründete Marie Christina Schröders Adviris, eine Finanzberatung von der und für die LGBTQ+-Community. Neben der eigentlichen Beratung steht auch der Einsatz für die Community und gegen Diskriminierung im Mittelpunkt. Auf instagram.com/adviris sorgt sie zudem für mehr Sichtbarkeit der Thematik. Es ist die zweite Unternehmensgründung der Versicherungsmaklerin, denn seit 2017 betreibt sie bereits SaFiVe.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 01/2023, S 94 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Marie Christina Schröders, SaFiVe/Adviris

 
Ein Interview mit
Marie Christina Schröders