Seit etwa sechs Wochen befindet sich US-Präsident Donald Trump nun im Amt. Und eine seiner größten Schlagzeilen dürfte der Disput mit Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj gewesen sein, als die beiden Staatsoberhäupter am vergangenen Freitag, 28.02.2025 vor laufenden Kameras zu streiten begannen und Selenskyjs Besuch im Weißen Haus vorzeitig abgebrochen wurde. Es braucht wohl nach einer solchen Auseinandersetzung keinen Experten, um zu erkennen, dass Trump beim Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nicht uneingeschränkt auf der Seite Selenskyjs steht.
Am darauf folgenden Montag, 03.03.2025, stieg die Rheinmetall-Aktie deutlich im Wert – von etwa 1.000 Euro am Freitag auf rund 1.150 Euro am Montag. Am Mittwoch, 05.03.2025, notiert sie bei 1.170 Euro. Um einen Zufall dürfte es sich bei dieser Wertentwicklung wohl nicht handeln, denn das Thema Aufrüstung steht bereits seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 immer wieder im Mittelpunkt. Und somit blickt auch die Investmentbranche verstärkt auf die zugehörigen Unternehmen im Rüstungsmarkt, so z. B. Steffen Gruschka, ehemaliger Fondsmanager und nun Co-Geschäftsführer beim Finanzanlagenvermittler Envestor. Er hat einen Blick auf Rüstungsaktien geworfen und seine Ergebnisse in einem Blogpost auf der Website des Unternehmens veröffentlicht.
Trumps Pläne und die geopolitischen Konsequenzen
Trump möchte, so stellte es sich Anfang der Woche heraus, keine weiteren Milliarden für die Ukraine bereitstellen, sondern den Ukraine-Krieg schnell lösen möchte – wenn auch mit russischen Gebietsgewinnen. Europa müsse, so Gruschka, also lernen, verteidigungspolitisch auf eigenen Beinen zu stehen, unabhängig von der Frage, wie der Krieg in der Ukraine ausgehen wird.
Gruschka erläutert außerdem, dass selbst ESG-konforme Fonds sich immer mehr vom Ausschluss von Rüstungsaktien verabschieden. Laut einem Bericht der Financial Times ist die Zahl der ESG-Fonds, die Rüstungskonzerne ausschließen, seit Ende 2023 von 1.850 auf 1.610 gesunken. Auch der Norwegische Ölfonds erwägt laut Gruschka, in Rüstungsaktien zu investieren.
Sollte Trump bei seiner Linie bleiben und müssten die Europäer den Verteidigungskrieg der Ukraine ohne US-Unterstützung fortsetzen, würde dies die finanzielle Belastung der EU-Staaten massiv erhöhen, heißt es von Gruschka. Die Zukunft der NATO stünde ebenfalls auf dem Spiel, insbesondere wenn Trump die Rolle der USA als Schutzmacht für Europa weiter infrage stellt. Angesichts der transatlantischen Spaltung erscheine es unwahrscheinlich, dass die europäischen Staaten die US-Rüstungsindustrie in bisherigem Ausmaß bei Rüstungsaufträgen bedenken werden, was den Blick auf europäische Rüstungskonzerne lenke. Die wichtigsten seien dabei Rheinmetall (KGV 34,8), welches von neuen Munitionsfabriken und Investitionen in Panzertechnologie profitiere, Leonardo (KGV 23,7) mit einer Spezialisierung auf Drohnen- und Luftabwehrsysteme, Thales (KGV 23), stark im Bereich Cybersicherheit und Satellitenkommunikation, sowie BAE Systems (KGV 18,9), bei dem die Nachfrage nach Kampfjets und Luftabwehrsystemen steigt.
Finanzierung größte Herausforderung
Europa plant, aufzurüsten, was einige finanzielle Herausforderungen mit sich bringt. Optionen sind eine höhere Neuverschuldung, die Nutzung bestehender EU-Fonds oder Umschichtungen im Haushalt. Zusätzlich wird über die Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte diskutiert, wobei hier rechtliche und politische Hürden bestehen, schildert Gruschka.
Höhere Militärausgaben stellen zwar kurzfristig eine Belastung für die Haushalte dar, doch Investitionen in Forschung und Entwicklung könnten langfristig positive Effekte auf das Wirtschaftswachstum haben. Laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft legt bspw. nahe, dass eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben von 2% auf 3,5% des BIP das Bruttoinlandsprodukt um 0,9 bis 1,5% pro Jahr steigern könnte.
Wachstumsaussichten kontra Bewertungsprämie
Unabhängig davon, ob Trumps Friedensinitiative angenommen oder der Ukraine-Krieg auf eigene Kosten fortgeführt wird, steht eine massive Aufrüstung bevor, was wiederum steigende Umsätze für Rüstungsunternehmen und Technologieanbieter bedeutet. Für Investoren stellt sich laut Gruschka jedoch die Frage, inwieweit dieses Wachstum bereits eingepreist ist. Viele europäische Rüstungswerte, allen voran Rheinmetall, haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Mit einem KGV von knapp 35 ist das Unternehmen zwar profitabel, aber kein Schnäppchen mehr, und ähnlich sieht es bei Thales und Leonardo aus. Diese profitieren zwar von steigenden Verteidigungsausgaben, haben aber mittlerweile „sportliche“ Bewertungsniveaus erreicht.
Die langfristigen Aussichten für die Branche bleiben zwar positiv, doch kurzfristige Rücksetzer sind angesichts der starken Rally nicht auszuschließen, findet Gruschka. Kurzfristig bleibt die Bewertung vieler Rüstungstitel eine Herausforderung, langfristig könnte der Sektor jedoch eine Schlüsselrolle in Europas wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Zukunft spielen. (mki)
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können